Das Filmhaus sucht die Jugend Mit OmU und Elan: Das Filmhaus verjüngt sich

Saarbrücken · Christel Drawer ist kein Neuling im Filmgeschäft. Schließlich leitete sie früher das Ophüls-Festival. Seit ein paar Monaten versucht sie nun, dem Filmhaus neue Impulse zu geben. 

 Einer der schönsten Kinosäle, vielleicht der schönste in der Stadt: Das Kino im Filmhaus hat eine besondere Atmosphäre.

Einer der schönsten Kinosäle, vielleicht der schönste in der Stadt: Das Kino im Filmhaus hat eine besondere Atmosphäre.

Foto: Becker&Bredel/BUB

Junge Leute sitzen nur noch an Tablet und Smartphone und schauen Netflix-Serien? So zumindest die weit verbreitete Ansicht über jugendliches Medienverhalten. An diesem Morgen jedenfalls ist es anders. Das Kino im Filmhaus ist voll junger Leute. Schülerinnen und Schüler des Otto-Hahn-Gmynasiums und der Willi-Graf-Schulen strömen in Scharen herbei, um den französischen Film „J’amais contente“ zu schauen. Im französischen Original mit Untertiteln (OmU).

Genau so sieht es aus, das ideale Filmhaus, wie es sich Christel Drawer erträumt – „Kino von morgens bis abends“. Seit ein paar Monaten hat die Geisteswissenschaftlerin in Diensten der Stadt Saarbrücken das Filmhaus übernommen. Gemeinsam mit Michael Krane, dem Betreiber des Arthouse-Kinos Camera zwo, soll sie das in Schieflage geratene kommunale Kino wieder aufrichten.

Von Kino versteht Drawer was. Immerhin war sie ein paar erfolgreiche Jahre Chefin des Max-Ophüls-Festivals. Und hätte sie seinerzeit, als die Kulturpolitik das Festival mal wieder umkrempeln wollte, nicht eine private Herausforderung in Saarbrücken gehalten, sie wäre sicher in Berlin oder anderswo gelandet.

Zum Glück für die Stadt ist sie noch hier. Und als in der Politik über die Zukunft des Filmhauses geredet wurde, fiel ihr Name. „Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, dass das Thema Film noch mal auf mich zukommen würde“, sagt sie im SZ-Gespräch. Aber irgendwie schön findet sie es schon.

In den letzten Jahren hatte Christel Drawer im Auftrag der Stadt unter anderem die Ringvorlesungen mit der Universität betreut. In ihrer neuen Aufgabe kann die 60-Jährige jetzt beide Kompetenzen prima bündeln. Denn das Filmhaus ist auch neue Heimat der öffentlichen Vorlesungen.

So wird das schöne Gebäude in der Mainzer Straße 8 zum Haus der Wissenschaft und der Filmkunst. Und beide Bereiche befruchten sich. „An der Schnittstelle Film und Wissenschaft kann man viel machen“, sagt sie. Warum nicht mal eine Vorlesungsreihe zum Thema Phantastik mit einem „Harry Potter“-Film einleiten, wenn eine Dozentin dazu Lust hat? „Ich überlege jetzt bei den Vorlesungen immer, welche Filme dazu passen könnten.“

Die Verknüpfung aus Wissensvermittlung und Kino würde Christel Drawer aber gern noch weiter treiben. Filmkulturelle Bildung für Jugendliche, das Filmhaus als außerschulischer Lernort, ist das Ziel. „Filme richtig verstehen, Filmsprache und Filmästhetik erkennen“, solche Themen, sagt sie, schweben ihr vor. Damit Kinder und Jugendliche zum Beispiel lernen, zu erkennen, „woran es liegt, dass ein Film spannend ist – oder eben nicht“.

Aber erst mal müssen sie natürlich überhaupt ins Kino kommen. „Ich will Jugendliche vom Bildschirm locken. Ich bin selbst ein Fernseh-Junkie. Aber es ist nicht dasselbe, wenn ich einen Film auf der Leinwand sehe“.

Auch junge Leute für wichtige Themen zu begeistern, sei mit den richtigen filmischen Mitteln oft viel einfacher. „Das Thema Menschenrechte zum Beispiel muss man nicht über einen Dokumentarfilm vermitteln, es kann auch ein spannender Sciencefiction-Film sein“.

Aber den muss man vom Verleiher erst mal bekommen. Da macht Christel Drawer gerade ganz neue Erfahrungen: „Wenn man ein Festival macht, hat man zu Verleihern ein ganz anderes Verhältnis. Die lädt man ein, um sich Filme anzuschauen, die noch keinen Verleih haben. Als Kinobetreiber ist der gute Kontakt zu den Verleihern das A und O.“

Ohne guten Draht kann man als kleines Kino zum Beispiel einen Film wie „Transit“ keine drei Wochen zeigen. Michael Krane, sagt Drawer, „hat langjährige tolle Kontakte zu Verleihern, der bringt uns auch aktuelle Filme ins Filmhaus“. Drawer organisiert dafür die thematischen Filmreihen und die wissenschaftlichen Veranstaltungen. Gerade wird die noch etwas sperrige Internet-Seite überarbeitet. Die Technik im Kino ist auch erneuert. Und zwei verlässliche Mitarbeiter gibt es auch.

Aber es ist noch viel zu tun. Im Filmhaus herrscht ein gewisser Sanierungsstau. „Wir warten zum Beispiel auf einen neuen Fassadenanstrich“, sagt Drawer – „Und auf die Glasfaseranbindung.“ Sie deutet auf ihren Laptop im Büro, der noch nicht angeschlossen ist. Auf dem Schild an der Tür steht auch noch „Amt für kommunale Filmarbeit“, obwohl es das Amt längst nicht mehr gibt.

In Eigenregie hat Christel Drawer aber schon ganz schön viel gemacht. Das ganze Filmhaus atmet Licht und Luftigkeit. Das Foyer ist umgestaltet, und wer ihr Büro betritt, erkennt den Raum nicht wieder. Sie hat kräftig ausgemistet.

Auch sonst hat sie, typisch Frau?, ganz praktisch angepackt. Sie hat Sessel eigenhändig geschrubbt und dafür gesorgt, dass der Schauplatz im Erdgeschoss einen neuen Anstrich bekam. Hier ist kein offizieller Kinoraum mehr, aber ein Raum zum Beispiel für Workshops, Vorträge, aber auch Filmgespräche. Sogar Kindergeburtstage sind hier machbar.

Jetzt sucht die Stadt noch nach einer kostengünstigen Lösung für die seit vielen Jahren angemahnte und diskutierte Behindertengerechtheit im denkmalgeschützten Gebäude. Und Christel Drawer ist zuversichtlich, dass sie das hinbekommt. „Wenn ich was kann, ist es sparen“, meint sie trocken. Viele Jahre in kulturellen Diensten der ewig klammen Stadt Saarbrücken machen erfinderisch.

 Wer erinnert sich, dass es in der Mainzer Straße 8 noch 1991 so aussah? In der ehemaligen Scheune ist heute das Kino.

Wer erinnert sich, dass es in der Mainzer Straße 8 noch 1991 so aussah? In der ehemaligen Scheune ist heute das Kino.

Foto: Wunderlich
 Ein Kleinod der Saarbrücker Kultur und ein wichtiger Motor für die Entwicklung der gesamten Mainzer Straße ist das Filmhaus heute.

Ein Kleinod der Saarbrücker Kultur und ein wichtiger Motor für die Entwicklung der gesamten Mainzer Straße ist das Filmhaus heute.

Foto: Oliver Dietze

Im Kino ist mittlerweile der Film zu Ende gegangen. Die Schüler stürmen raus. „Toll“, sagt eine junge Lehrerin, „das ist ja schon ein Unterschied zum Bildschirm“. „War es schwer, den Film in OmU zu verstehen?“, fragt Drawer zwei der Schüler. „No Problem“, so die prompte Antwort. So darf es in Zukunft gern öfter sein. Dann liefe das Filmhaus in die Richtung, in der es die neue Chefin gern hätte.

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