Kolumne: So kann’s gehen Mephistopheles und der „Stern“

Was ist der Preis der Bildung? Diese Frage stellte sich mir dieser Tage auf ungewöhnliche Weise. Das Töchterlein strebt Richtung Abitur. Und zu meiner nicht unbeträchtlichen Freude ist Goethes „Faust“ in  ihrem Jahrgang Abiturstoff im Saarland.

Mephisto und der "Stern"
Foto: SZ/Robby Lorenz

Sie und ihre Altersgenossen freuen sich womöglich nicht ganz so toll, das sie dieses gereimte Text-Ungetüm durchforsten sollen. Aber ich bin froh, wenn meine Tochter künftig wenigstens weiß, woraus das stammt, wenn sie von des Pudels Kern spricht oder beim Wochenend-Picknick „Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein“ seufzt.

Also hab’ ich mich gleich mal aufgemacht, das Buch zu besorgen. Mit Großmutters wuchtiger Goethe-Gesamtausgabe will man das Kind ja nicht in die Schule schicken. Mit dem legendären gelben Büchlein kam ich aus der Buchhandlung: Der gesamte Faust 1 für 2,20 Euro. Reclam sei Dank.

Der Buchladen meiner Wahl hat auch ein paar Zeitungen und Magazine im Angebot. Ich lese gern ab und zu den „Stern“. Also kaufte ich den auch noch mit, es waren ein paar lesenwerte Reportagen drin. Aber als ich wieder zuhause war, fiel  mein Blick auf den Kassenbon: 2,20 Euro hatte ich für die Weltliteratur bezahlt, 4,90 Euro kostete das Wochenmagazin. Da war ich irgendwie doch ein bisschen erschüttert.

Was Goethe  da wohl sagen würde. Sein Weltendrama, sein universelles Menschheits-Theater zum Preis einer Rostwurst, während ein Hochglanz-Magazin, das leider jedes Frühjahr die übliche langweilige Diät-Story aufmacht, mehr als doppelt so viel Wert ist? „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“, würde der Geheimrat womöglich sich selbst zitieren. Vielleicht würde er sich dann aber damit trösten: „Was glänzt, ist für den Augenblick geboren; Das Echte bleibt der Nachwelt unverloren“.

Würde er den „Stern“ dann aber mal lesen und so erkennen, was in der Welt von heute gerade so los ist, mit AfD, Online-Hass und Naturzerstörung, er würde augenblicklich seinen Mephistopheles ins Spiel bringen: „Den Teufel spürt das Völkchen nie, // und wenn er sie beim Kragen hätte.“  Und all das für 2,20 Euro.

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