Klaus Gietinger Marx’ Dienstmädchen erobert die Leinwand

Saarbrücken · Sie gilt als das berühmteste Dienstmädchen der Welt. Ihr Leben verbrachte die gebürtige Saarländerin mit harter Arbeit – „stets heiter, stets hilfsbereit, stets lächelnd“, erinnert sich Wilhelm Liebknecht.

 Klaus Gietinger (rechts im Bild) schrieb das Drehbuch und führte Regie beim Film „Lenchen Demuth und Karl Marx“, den er im Kino achteinhalb vorstellte. Im Film wird Lenchen Demuth unter anderem von Alice Hoffmann (Dritte von rechts) dargestellt.

Klaus Gietinger (rechts im Bild) schrieb das Drehbuch und führte Regie beim Film „Lenchen Demuth und Karl Marx“, den er im Kino achteinhalb vorstellte. Im Film wird Lenchen Demuth unter anderem von Alice Hoffmann (Dritte von rechts) dargestellt.

Foto: Kerstin Krämer

Aber nicht in Demut, wie ihr Nachname suggeriert: Helene Demuth, besser bekannt als Lenchen Demuth, war unentbehrlich für das Ehepaar Jenny und Karl Marx und führte deren chaotischen Haushalt notgedrungen zuweilen recht autoritär.

Lenchen war Hausmädchen, Kindermädchen, Köchin und Krankenpflegerin. Dem Hausherrn war sie außerdem Vertraute, ebenbürtige Schachpartnerin und Geliebte, gebar ihm angeblich sogar einen unehelichen Sohn. Und „sie war auf einer Augenhöhe mit Karl Marx. Sie hat ihn nicht so bewundert wie andere Leute.“ So heißt es jedenfalls in dem Dokudrama „Lenchen Demuth und Karl Marx – Wie ein saarländisches Hausmädchen Geschichte schrieb“, das am Mittwoch bei der Filmwerkstatt im bestens besuchten Kino achteinhalb gezeigt wurde. Bei dieser Veranstaltungsreihe lädt das Saarländische Filmbüro in Zusammenarbeit mit dem kommunalen Kino Filmschaffende aus der (Groß-)Region ein, ihre Filme zu präsentieren und einen Blick hinter die Drehkulissen zu gewähren.

Nun war der Regisseur Klaus Gietinger mit zahlreichen Mitgliedern seines Filmteams zu Gast, um den 45-minütigen Streifen vorzustellen und sich im Gespräch den Fragen von Sigrid Jost (Filmbüro) und der Zuschauer zu stellen. Das niedrig budgetierte Dokudrama entstand mit Unterstützung von SR und Saarland Medien nach einem Roman von Klaus Gietinger auf Anregung von Gietingers Mitarbeiterin Uschi Schmidt-Lenhard. Sie ist Autorin und Mitbegründerin der hiesigen Wolfgang-Staudte-Gesellschaft.

Der Sozialwissenschaftler, Drehbuchautor und Regisseur Gietinger ist unter anderem durch die Sendungen „Tatort“ und „Löwenzahn“ bekannt. Er stammt aus dem Allgäu und lebt seit rund zweieinhalb Jahren in Saarbrücken. Für seinen Film schickte er nun Nachfahren Lenchen Demuths auf Spurensuche durchs Saarland, nach Trier, Brüssel, Paris und London. Dabei verknüpfte er Originaldokumente und Gespräche, etwa mit Demuths Biographin Marlene Ambrosi oder dem St. Wendeler Heimatforscher Roland Geiger, mit fiktiven Spielszenen. Letztere wurden in einem alten Göttelborner Bauernhaus gedreht. Iris Reinhardt-Hassenzahl verkörpert das junge, Alice Hoffmann das alte Lenchen.

In ärmlichen Verhältnissen am 31. Dezember 1820 als fünftes von sieben Kindern in St. Wendel geboren, wird Lenchen mit siebzehn Jahren Hausmädchen in der Familie des Regierungsrats Johann Ludwig von Westphalen in Trier. Dort freundete sie sich mit Jenny, der Tochter des Hauses, an. Als Jenny ihren Verlobten Karl Marx heiratet, zieht Helene mit ihnen nach Brüssel. Von nun an ist ihr Schicksal fest mit dem von Marx verknüpft. Sie folgt dem Ehepaar nach Paris und Köln und – im Revolutionsjahr 1849 – sogar ins Londoner Exil, wo die Familie ein erbärmliches Leben fristet. Ihren unehelichen Sohn Henry Frederick, den sie 1851 zur Welt bringt (Freddy wird später Mitbegründer der Labour-Partei), muss sie in eine Pflegefamilie abgeben. Dennoch bleibt Lenchen Demuth bei Marx und pflegt ihn bis zu dessen Tod 1883. Bei Marx‘ Beerdigung sind nur elf Menschen anwesend, darunter Lenchen Demuth und Friedrich Engels. Dieser nimmt die Frau aus St. Wendel fortan unter seine Dienste, womit sich ihre Lebensumstände erheblich verbessern. Am 4. November 1890 stirbt Lenchen mit 70 Jahren in London. Beerdigt wird sie im Grab von Karl und Jenny Marx – so, wie die beiden es sich zu Lebzeiten gewünscht hatten.

Gietingers Film zeichnet diese ungewöhnliche Lebensgeschichte lebendig nach und beleuchtet dabei auch den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbruch im 19. Jahrhundert. Gewürdigt wird natürlich auch die nach Lenchen Demuth benannte Saarbrücker Buchhandlung, die, Anfang der 70-er Jahre als linker Buchladen gegründet, zur kulturellen Institution wurde.

Kritikwürdig ist allerdings eine krude sprachliche Inkonsequenz: Während das alte Lenchen ein (zugunsten bundesweiter Verständlichkeit entschärftes) pfälzisch gefärbtes Saarländisch spricht, babbelt das junge in einer Mischung aus Hessisch und Hunsrücker Platt. Verwirrt fragte eine Zuschauerin: „Welchen Dialekt habt Ihr Euch da eigentlich ausgedacht?!“

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