Er sammelt die Wünsche der Welt Er sammelt die Wünsche der Welt

Saarbrücken · Martin Steinert wurde für „Wooden Cloud“ mit dem Kulturpreis des Regionalverbandes ausgezeichnet. Die nächste „Wolke“ baut er in Ramallah.

 In Paris, in der Cité Universitaire, steht die aktuelle Steinert-Installation – und soll dort auch bleiben.

In Paris, in der Cité Universitaire, steht die aktuelle Steinert-Installation – und soll dort auch bleiben.

Foto: Martin Steinert, André Mailänd/andre mailaender

Seine Frau war im ersten Moment schon etwas entsetzt, sagt Martin Steinert. Immerhin ist der nächste Ort, an dem der Saarbrücker Bildhauer seine „Wooden Cloud“ bauen wird, nicht gerade ein Kurort im beschaulichen Bayerischen Wald: Ramallah, der palästinensische Verwaltungssitz im Westjordanland, wird nach St. Petersburg, Berlin, Paris und Saarbrücken die fünfte Station für Steinerts „Architektur der Wünsche“.

Als der 59-Jährige letzte Woche mit dem Kulturpreis des Regionalverbandes geehrt wurde (wir berichteten), konnte er diesen spannenden Plan erstmals öffentlich verkünden. Beim Besuch in der Saarbrücker Zeitung ein paar später Tage sieht er ein bisschen müde aus. Ein künstlerisch sehr erfolgreiches Jahr liegt hinter ihm. Aber auch viele Reisen, viele Gespräche, viel künstlerische Arbeit, die in seinem Fall ja auch körperliche Arbeit ist. Das bleibt nicht in den Kleidern hängen. Aber der Kunstpreis, sagt er „war eine wunderschöne Anerkennung, dass meine Arbeit der letzten Jahre wahrgenommen wurde“.

Am kommenden Montag ist das Finale von Steinerts großem „Kumpel“-Projekt, das er im Auftrag der RAG-Stiftung entwickelt hat. Es wird ein stattlich großer und schwerer, sehr eindrucksvoller Bildband präsentiert über die monatelange künstlerische Forschungsarbeit zum Ende des Bergbaus. Mit vielen Bildern von den daraus resultierenden großen Installationen in Essen und in Landsweiler-Reden.

Gerade hat der Bildhauer persönlich die Einladungen bei den Bürgermeistern von Landweiler und Schiffweiler vorbei gefahren. Ein Berliner Freund, der in der Marketing-Branche erfolgreich ist, schüttele über solche Postboten-Dienste den Kopf, erzählt Steinert. „Aber meine Kunst macht ja auch die Nähe aus zu den Menschen.“ Seine Kunst will nicht elitär sein. „Die große Frage ‚Was bedeutet Kunst?’ kann ich für mich auch nicht beantworten“, meint er. „Ich kann nur sagen, wenn ich in einer Stadt bin und die Leute kommen: Es gibt ein Bedürfnis nach Kunst.“

Das dürfte wohl auch in Ramallah so sein. Vor einigen Wochen war eine Delegation des dortigen Goethe-Instituts auf Deutschland-Tour, um kulturelle Kontakte zu knüpfen. Bei dieser Gelegenheit wurden die Besucher aus dem Nahen Osten auch ins KuBa – Kulturzentrum am Eurobahnhof geführt. „Und da kommt man an mir ja nicht vorbei“, sagt Steinert und schmunzelt, „mein Atelier ist ja gleich am Eingang“. Man kam ins Gespräch, „und da fiel der Satz: Die „Wooden Cloud“ wäre auch was für Ramallah“. Nächstes Jahr im Juni ist es soweit. Da findet in einem zentralen Park der Stadt ein großes Kunstfestival statt. In dessen Rahmen wird Steinert vier Wochen vor Ort arbeiten. Er wird Wünsche auf Dachlatten sammeln und aus diesen Wünschen eine auf den Ort abgestimmte Skulptur bauen.

Dabei ist der 59-Jährige sehr gespannt, welche Wünsche die Menchen an diesem Brennpunkt der Erde haben werden. Natürlich wird ein Übersetzer dabei sein. „Ich kann ja kein Arabisch, und wenn da jemand ‚Tod allen Juden’ auf die Latte schreibt, das kommt natürlich nicht rein.“ Ansonsten wird auch die „Wooden Cloud“ in Ramallah, das sein, was sie ist: ein Spiegel des Ortes, an dem sie entsteht, und seiner Menschen.

Es sind ja die Menschen vor Ort, die die Dachlatten beschriften, aus denen der Künstler dann seine Skulptur baut. Sie bilden mit ihren Träumen und Wünschen das innere Gerüst der Installation.

In Berlin und St. Petersburg etwa, waren die Wünsche teilweise überraschend ähnlich, erzählt Steinert. Viele Sorgen um die persönliche Zukunft, vor allem in Berlin aber auch in Petersburg große Ängste wegen der Wohnungsnot, der Verdrängung durch die „Veredelung“ ganzer Stadtviertel und anderen sozialen Sprengsätzen

Ganz anders in Paris in diesem Frühjahr. Da waren Steinert und sein Wolken-Team in der Cité Universitaire zugange, einem einmaligen Ort. 120 Studentenheime von 120 Nationen bilden hier ein internationales studentisches Dorf. „Die Stimmung dort ist einmalig“, meint er. Und entsprechend waren dort auch die Wünsche und Träume. „Alles war positiv, viel Freundschaft und Liebe.“ Ein paradiesischer Ort eben, an dem junge Menschen aus der ganzen Welt erleben, wie es ist, Toleranz und Kulturen-Vielfalt zu leben. Und alle haben das Leben noch vor sich.

Steinerts „Wooden Cloud“ steht dort übrigens noch. Normalerweise sind die Skulpturen temporär angelegt, werden nach zwei, drei Monaten abgebaut. Das Material, gewöhnliche Dachlatten, ist ja auch entsprechend vergänglich gewählt. „Aber in Paris wollen sie es stehen lassen“, sagt er, „da bin ich auch stolz drauf, und es sieht dort wirklich schön aus“.

Viele weitere Orte für die „Wooden Cloud“ waren schon im Gespräch. Das Wünschen soll ja weitergehen. Kontakte nach Rom sind geknüpft, nach Oslo und sogar nach Tirana in Albanien.

Aber jetzt ist es erstmal Ramallah, der vielleicht spannendste Ort für die Wünsche-Wolke bisher. Natürlich hat sich der 59-Jährige vorher ein bisschen informiert, bevor er zusagte. „Es gibt keine Reisewarnung vom Auswärtigen Amt“, meint er, und Ramallah sei eine überraschend internationale Stadt. Allerdings werde empfohlen, man solle sich von größeren Versammlungen fern halten. „Das wäre bei meinem Projekt aber eher kontraproduktiv“, sagt der Künstler und schmunzelt. Schließlich kann es die Wolke der Wünsche ja nur geben, wenn sehr viele Menschen sich etwas wünschen. Aber Steinert macht sich wenig Sorgen: „Ich habe in Berlin am Cottbuser Tor gewohnt, ich glaube, dort ist es gefährlicher.“

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