Atelierbesuch Die „versteckte Phase“ im Klassenzimmer

Köllerbach · Maja Andrack Sokolova arbeitete erfolgreich als Performance- und Videokünstlerin. Heute sucht sie andere künstlerische Wege.

 In einer ehemaligen Schule lebt und arbeitet Maja Andrack Sokolova. Nachdem die gebürtige Mazedonierin 1995 in einem akademischen Austausch nach Deutschland kam, arbeitete sie vor allem mit Videokunst und Performance, wurde auch dafür ausgezeichnet. Aber heute ist sie unterwegs zu anderen künstlerischen Welten.

In einer ehemaligen Schule lebt und arbeitet Maja Andrack Sokolova. Nachdem die gebürtige Mazedonierin 1995 in einem akademischen Austausch nach Deutschland kam, arbeitete sie vor allem mit Videokunst und Performance, wurde auch dafür ausgezeichnet. Aber heute ist sie unterwegs zu anderen künstlerischen Welten.

Foto: Iris Maria Maurer

Maja Andrack Sokolovas Atelier liegt im Erdgeschoss der alten Schule in Köllerbach, die sie mit ihrem Ehemann Manuel und der jüngsten Tochter bewohnt. Ein altes Klassenzimmer, hohe Decken, riesige Fenster. „Das Licht ist auch im Winter wie im Urlaub“, schwärmt Andrack Sokolova. In Holzregalen sammeln sich Gemälde, Prints, Altes und Neues. Pinsel, alte Zeitungen und Luftpolsterfolie liegen noch auf dem Tisch, wie gerade erst aus der Hand gelegt.

Auf diese Art, in dieser Reinform, hat wohl selten jemand Andrack Sokolovas Atelier gesehen. Sie erzählt, wie sie alles, was mit Leben und Arbeit zu tun hatte, weggeräumt hat, wenn sie ihr Atelier einmal für Besucher geöffnet hat, etwa bei der „Nacht der schönen Künste“. Ihr Atelier wurde dann zum neutralen Raum, zum Ausstellungsraum. Aber genau das ist ein Atelier eben nicht, stellt Andrack Sokolova klar. „Im Alltag herrscht im Atelier nicht nur ein bisschen, sondern großes Durcheinander“, sagt sie.

Wer Maja Andrack Sokolovas künstlerischen Werdegang kennt, kann in diesem kreativen Durcheinander auf Spurensuche gehen. Was zuerst ins Auge fällt: Die Abwesenheit ganz bestimmter Spuren. Einige, wenige Fotografien zieren die Wände. Viel mehr gibt es in Andrack Sokolovas Atelier allerdings nicht mehr, das von ihrer vorwiegend medial geprägten Schaffensphase zeugt.

Ein ganzes Jahrzehnt immerhin arbeitete sie vorwiegend als Performance- und Videokünstlerin, gewann den angesehenen Marler-Video-Installationspreis, hatte Lehraufträge zum Thema Video an der Hochschule der Bildenden Künste Saar. Was soll da aber auch bleiben von einer Kunstform, die derart auf den Moment zugeschnitten ist? „Alles ist so flüchtig, wenn man mit Medien arbeitet“, sagt Andrack Sokolova, „es bleibt nichts“. Auch deswegen bezeichnet sie diese Schaffensphase schon länger als „abgeschlossen“, „seit es so alltäglich ist, es Smartphones gibt, interessiert es mich nicht mehr“, erklärt Andrack Sokolova.

Es ist für sie nicht der erste Bruch in ihrem künstlerischen Wirken. Als sie für ein Austauschjahr mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst 1995 aus ihrer Heimat Mazedonien nach Deutschland kam, hatte sie ihr Diplom in Malerei bereits abgelegt. Nur durch Zufall landete sie an der HBK Saar, ließ sich von dem dortigen Studienangebot hinsichtlich den neuen künstlerischen Medien unter der Leitung von Ulrike Rosenbach, einer der Vorreiterinnen der Videokunst, begeistern.

„Da wo ich herkomme, hatten wir nur ein Werkzeug – den Pinsel“, betont Maja Andrack Sokolova. Sie blieb in Saarbrücken, absolvierte ein weiteres Studium in neuen künstlerischen Medien. „Ich bin wohl die einzige Person auf der Welt, die bekloppt genug ist, zwei mal freie Kunst zu studieren“, bemerkt Andrack Sokolova amüsiert. Damals ließ sie nicht nur ihre Heimat, sondern auch die Malerei hinter sich. Eine Entscheidung, die sie heute zwar nicht bereut, sie aber kritisch betrachtet. „Hätte ich ohne Bruch weiter gemalt, wäre ich heute vermutlich eine Künstlerin, die davon lebt“, sagt sie.

Seit sie auch mit der Videokunst gebrochen hat, befindet sie sich in einer „versteckten Phase“, sagt Maja Andrack Sokolova. Es sei eine „brodelnde Zeit“, „es muss etwas kommen“, sagt sie energisch, gespannt. Sie probiert sich aus, entdeckt Werkzeuge neu und wieder.

Sie zieht ein Gemälde aus dem Regal, entstanden 2014 für ihre Ausstellung „über * oder über 1“ im Schloss Dagstuhl. Bunte, immer blasser werdende Punkte ziehen sich über die Leinwand, bis sie verschwinden. Eine abstrakte Auseinandersetzung mit den metaphysischen, grundlegenden Dingen wie Tod und Zeit. Aus einer anderen Ecke holt sie eine Art Freskomalerei auf Beton hervor. Aktuell druckt sie mit Luftpolsterfolie Buchstaben und Sätze auf Zeitungspapier. Ein Druck mit dem Zitat „Angst ist keine Weltanschauung“ war zuletzt noch in der Mitgliederausstellung „Letzte Lockerung“ im Saarländischen Künstlerhaus zu sehen.

Erlauben kann sich Andrack Sokolova dieses Ausprobieren, dieses Suchen und Neuentdecken der eigenen Künstleridentität auch deswegen, weil sie vor gut 15 Jahren in den Schuldienst eingetreten ist. Stabilität, Unabhängigkeit, sein Leben leben zu können wie man will, sei für sie das A&O, sagt Andrack Sokolova, „die künstlerische Freiheit kommt erst dann, wenn alles andere geregelt ist“. Das Atelier im eigenen Haus zum Beispiel, sei das erste Mal, dass sie als Künstlerin überhaupt ein Zuhause habe. Sie blickt sich um. „Ich habe mich als Künstlerin oft verändert, ich bin technisch nicht immer perfekt“, sagt sie, „aber wissen Sie: technische Perfektionierung – das gibt es einfach nicht“.

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