Ankündigung von OB Uwe Conradt Mahnmal für in NS-Zeit ermordete Sinti und Roma in Saarbrücken geplant
Saarbrücken · In Saarbrücken wurde am Freitag auf dem Gelände der Gedenkstätte Gestapo-Lager Neue Bremm der von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma gedacht. Bei der Gedenkstunde kündigte Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) an, dass ein Mahnmal für die Opfer errichtet werden soll. Wo es hinkommen soll und über welche potenziellen Änderungen in der Verfassung es an dem Gedenktag noch ging.
80 Jahre ist es her, dass die Nazis am 2. August 1944 im KZ Auschwitz-Birkenau rund 4300 Sinti und Roma ermordeten. Seit 2015 wird an diesem Tag in ganz Europa der bis zu 500 000 Sinti und Roma gedacht, die während des Nationalsozialismus ihr Leben lassen mussten. In Saarbrücken fand die Gedenkveranstaltung für die Opfer in der Nähe des ehemaligen Gestapolagers Neue Bremm statt.
„Es ist wichtig, dass nichts in Vergessenheit gerät“, betonte Diana Bastian, Vorsitzende des Landesverbands der Sinti und Roma. Der Gedenktag solle keine Schuldzuweisung sein, sondern eine Mahnung, dass so etwas nicht wieder passiere. „Wir zeigen damit auch, dass Sinti und Roma schon immer Bürger dieser Mitte waren. Man hat es ihnen aberkannt“. Sinti und Roma hätten Deutschland seit Jahrhunderten mit geprägt, denn „Deutschland ist unser Land“.
Zum 80. Gedenktag sprachen neben Bastian auch Saarlands Innenminister Reinhold Jost (SPD), Landtagsvizepräsidentin Christina Baltes (SPD), Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) und Zeitzeuge Victor Krause im voll besetzen Tagungssaal des Saarbrücker Hotels Mercure an der Metzer Straße. Auch Ricarda Kunger, Vorsitzende der Synagogengemeinde Saar, war gekommen.
Im Saarland seien vor allem aus Bous Sinti und Roma in Lager verschleppt worden, weiß Victor Krause. Es liege aber keine genaue Zahl der von den Nazis Ermordeten im Saarland vor, sagt Bastian. Schätzungen gehen von rund 200 Sinti und Roma aus. Einen eigenen Gedenkort für die Opfer gebe es bislang noch nicht im Saarland.
„Es ist wichtig, weitere Orte zu schaffen“, betonte Uwe Conradt in seiner Rede und kündigte an, ein Mahnmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma zu errichten. Im Echelmeyer Park, direkt an der Pfarrkirche St. Michael, werde noch in diesem Jahr ein Gedenkort entstehen. Dabei solle das Mahnmal keine Schuld oder Scham hervorrufen, sondern neben dem Gedenken auch ein „Ort der aktiven Bildung“ für Schülerinnen und Schüler werden, so der Oberbürgermeister.
Diana Bastian hat den Ort mit Bedacht ausgewählt: Zwar seien im Gestapo-Lager Neue Bremm auch Sinti und Roma inhaftiert gewesen, „trotzdem sagt ein Denkmal im Echelmeyer Park noch mal ein Stück mehr zu unserer Geschichte aus“, so Bastian. Denn der Kaplan von St. Michael, Pfarrer Arnold Fortuin, habe während der NS-Zeit Hunderten Sinti und Roma aus dem Saarland zur Flucht nach Frankreich verholfen und unterrichtete heimlich Sinti und Roma-Kinder im Pfarrhaus, als diese nicht mehr zur Schule gehen durften.
Im Saarland leben zurzeit etwa 3000 zugezogene und 3000 deutsche Sinti und Roma, schätzte Bastian. Einer von ihnen ist Victor Krause. 1938 geboren, hat er die Verfolgung in der NS-Zeit als Kind miterlebt. Krause berichtete, wie sein Vater, der Kapellmeister war, 1942 in Schlesien von der SS nach Auschwitz verschleppt und dort umgebracht wurde. Er sei mit seiner Mutter geflohen. Auf der Flucht erlebte er viele Grausamkeiten. „Man kann verzeihen, aber vergessen kann man nicht“, sagte Krause bei der Gedenkveranstaltung. Er sorgt sich um die aktuelle Lage in Politik und Gesellschaft in Deutschland. Wieder bemerke er die Diskriminierung und Ausgrenzung von Sinti und Roma. „Es ist schlimm geworden“, findet Krause.
Im Saarland gebe es immer mehr Fälle von Antiziganismus, bestätigte Innenminister Reinhold Jost. Wie ihm die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus berichtete, habe es im Jahr 2023 1233 antiziganistische Vorfälle gegeben. „Das stellt eine alarmierende Steigerung im Vergleich zum Vorjahr dar“, so Jost. Im Jahr 2022 sei es zu 600 antiziganistische Vorfällen gekommen. „Diese Zahlen verdeutlichen, dass antiziganistische Vorurteile und Gewalt keineswegs der Vergangenheit angehören“, betonte der Minister. Es gebe einen dringenden Handlungsbedarf. „Wir stehen einer Diskussion hinsichtlich einer Verfassungsergänzung, in der wir auch das Thema Antizinanizmus als Auftrag für die saarländische Verfassung aufnehmen wollen, sehr offen gegenüber“, so Jost.
Aktiv gegen Vorurteile und Diskriminierung zu kämpfen, dafür plädierte auch Landtagsvizepräsidentin Christina Baltes: „Wir müssen immer wieder ein Zeichen dagegen setzten“. In einer Schweigeminute wurde im Anschluss am ehemaligen Löschteich des Lagers an der Neuen Bremm der Opfer gedacht.