Saarbrücken „Man malt sich halt was von der Seele“

Saarbrücken · Die Technik und ihre Bedeutung für unsere Welt gehören zu den Dauerthemen des Saarbrücker Künstlers Lukas Kramer.

Der Leuchtkasten war sein Schlüsselerlebnis. 1982 spazierte der Maler Lukas Kramer als Stipendiat einen ganzen Sonntag lang alleine und bis zur Erschöpfung durch das anonyme Pariser Hochhausviertel „La Défense“. Schließlich fiel sein müder Blick auf einen leeren Reklamekasten, dessen milchiges Glas die sonst hinter Werbung verborgenen, glimmenden Neonröhren freigab. Irritiert fotografierte Kramer das rätselhafte Licht, das sein Befinden auf merkwürdige Weise zu spiegeln schien – und fortan sollte es ihn nicht mehr loslassen: Die Lichtröhre wurde zu seinem Markenzeichen.

„Ich habe das Gegenständliche verlassen und nur noch Röhren dargestellt, wie in einem digitalen Dschungel. Aber bis ich dieses Thema so abstrahieren und isolieren konnte, war es ein langer Prozess“, erzählt Kramer: „Erst nach etwa zehn Jahren konnte ich diese Stimmung malerisch umsetzen.“

Dass sein Werk sich ab diesem Zeitpunkt radikal änderte und wesentlich formaler wurde, stieß in seinem Umfeld nicht unbedingt auf Verständnis. Vorher hatte er eher bedrohlich anmutende Tableaus gemalt: Katastrophenszenarien, Bilder zum Thema Todesstrafe, eine Serie von Tierversuchen.

Gesellschaftskritik? „Ich bin auf die Zeit eingegangen“, erläutert Kramer: „Es war die Zeit des Terrors, der RAF. Man malt sich halt was von der Seele, das entlastet. Auf die Betrachter hat das sicher verstörend gewirkt.“ Erst 1997 in der Ausstellung im Rahmen der Verleihung des Albert-Weisgerber-Preises habe er seine Entwicklung dokumentieren und der Öffentlichkeit erklären können.

Lukas Kramer, 1941 in Saarbrücken geboren, studierte Malerei und Grafik an der ehemaligen Werkkunstschule in Trier, an der École des Arts Décoratifs in Straßburg und am Istituto di Belle Arti im italienischen Urbino. Technik (und ihre Bedeutung für unsere Welt) ist – nicht nur visuell – ein Dauerthema Kramers.

Waren seine Arbeiten bis Ende der 80-er Jahre von politischen und sozialen Themen geprägt, folgte danach eine zunehmende Abstraktion hin zu „Licht als nicht greifbarem Raum“, zu prozesshafter Materialisierung und plastischen Effekten: In dieser Veränderung spiegelt sich die zunehmende und unberechenbare Technisierung unseres Alltags.

 Ein typisches Motiv sind die erwähnten Röhren: fluid pulsierende Leuchtstreifen, die inmitten gebündelter Formationen aus Licht und Farbe durch die gleichförmige, quasi maschinenhafte Wiederholung und die geradezu meditative Disziplin des Farbauftrags eine gewisse Suggestivkraft entfalten.

So entstehen Collagen, die wie in der Kolonne „Konkav – Konvex“ mit plastischer Präsenz die scheinbare Ordnung der Dinge hinterfragen. „Wenn ich etwas nur einmal darstelle, kann es ein Zufall sein. Indem ich es wiederhole, bekommt es eine andere Bedeutung“, erläutert Kramer sein serielles Prinzip. Mit dem Künstlerhaus ist Lukas Kramer, Mitglied (und einige Jahre auch Vorstand) des Saarländischen Künstlerbundes sowie Mitglied des Deutschen Werkbundes, eng verbandelt. Bis 2007 saß der SaarbrückerMaler mit Unterbrechungen im Vorstand der Institution, die 1985 von der Landesregierung auf Vereinsbasis als Begegnungsstätte für Kunst- und Kulturschaffende – damals noch mit Sitz in der Robert-Koch-Straße in St. Arnual – initiiert wurde.

„Künstler sind ja Individualisten“, schmunzelt Kramer, „die wollten wir aus der Bohème-Ecke rausholen. Es ging um Austausch, es gab wenig Anschluss an die sogenannte Rheinschiene oder nach Frankreich.“ Um Dialog ging es Kramer auch als Leiter des grenzüberschreitenden Künstlerhaus-Projekts „Mein Aldi Mon Cora de Luxe“ (2002) und bei der von ihm initiierten Großregion-Ausstellung „hArt an der Grenze“ im Rahmen des Kulturhauptstadtjahrs Luxemburg 2007.

Als großer Netzwerker der europäischen kulturellen Zusammenarbeit mag Kramer sich jedoch nicht feiern lassen: „Es ging mir um die Frage: Gibt es unterschiedliche Kunststrategien in Frankreich und Deutschland? Und es schien notwendig, dass die Region sich verbündet, um sich kulturell darzustellen.“ Obwohl beide Projekte großes Echo fanden: Sonderlich nachhaltig seien sie nicht gewesen, bedauert Kramer, der den Zusammenhalt in Saar-Lor-Lux kritisch sieht.

Einen gewissen Individualismus hält der Maler indes nicht für nachteilig: „Ich finde es eigentlich sinnvoll, wenn die Länder ihre Eigenarten behalten. Das ist ja auch eine kulturelle Bereicherung.“ Auch wenn sich sein Oeuvre verändert hat, in einem ist sich Kramer treu geblieben: „Wenn ich etwas mache, denke ich nie ans Geld oder daran, ob sich etwas gut verkaufen lässt.“ Und die zunehmende Globalisierung macht dem dreifachen Vater und Opa einer Enkelin auch in seinem Alter keine Panik: „Neugierig sollte man als Künstler schon sein!“

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