Premiere Berührend, zugleich heiter und ein bisschen gruselig

Saarbrücken · „Lilas Papa“, ein Kinderstück des Korso-op.Kollektivs ist ein gelungenes Plädoyer für Toleranz und punktet mit einer zauberhaften visuellen Umsetzung.

 Theater mit einfach genialen Mitteln: (Puppen-)Schauspieler Nicolas Marchand und die aufklappbare Buchkulisse von „Lilas Papa“.

Theater mit einfach genialen Mitteln: (Puppen-)Schauspieler Nicolas Marchand und die aufklappbare Buchkulisse von „Lilas Papa“.

Foto: krämer/KERSTIN KRAEMER

Kahle Wände, dazwischen Betonpfeiler und eine kleine Bühne vor einem Halbrund aus schwarzem Vorhangstoff. Dazu Maskenpflicht, Abstandsregeln und Desinfektionsmittel-Spender. „Mama, das ist ja ein Gruseltheater!“ kommentierte ein Mädchen dieses Ambiente – trotz Teppichen und Sitzkissen verbreitet das Garellyhaus in der Eisenbahnstraße immer noch den rohen Charme nüchterner Zweckdienlichkeit.

Dabei ist der Spielort für das Korso-Op.Kollektiv gar nicht mal ungewöhnlich, denn das freie Saarbrücker Ensemble liebt ungewöhnliche Umgebungen, und genau hier gab es Anfang Dezember 2017 sein Debüt: Korso-Op macht Theater an Theater-Unorten – warum sollte das beim ersten (nicht gestreamten) Kinderstück, an dem die Truppe nun beteiligt ist, anders sein?

„Lilas Papa“, ein Puppenspiel für Zuschauer ab fünf Jahren, feierte am Wochenende Saarbrücker Premiere und hätte mehr Zuschauer verdient gehabt: 25 hätten zugucken dürfen, leider waren es viel weniger. Das Stück ist eine deutsch-französisch-österreichische Koproduktion von Korso-Op, dem Theaterland Steiermark und der hauptverantwortlichen Forbacher Compagnie TGNM.

Deren Leiter ist Nicolas Marchand, der gleichzeitig Korso-Op angehört. Er konzeptionierte und schrieb „Lilas Papa“ und ist hier auch als (Puppen-)Schauspieler im Einsatz, während Gegor Wickert für Bühnenbild und Ausstattung verantwortlich zeichnet und Nina Schopka für die Regie. Die beiden gehören zum harten Kern des Korso-Op.Kollektivs, dessen Stück „Tristesse Royal“ – dritter und letzter Teil einer innovativen Trilogie über Maschine, Mensch und Gott – im aktuellen Kritiker-Ranking der Zeitschrift „Theater heute“ gleich doppelt auftaucht: einmal als Inszenierung des Jahres, parallel wurde Schopka als Schauspielerin des Jahres nominiert. Große Ehre – nun also Kindertheater; mit einer brandaktuellen Problematik, die hier mit leichter Hand und ohne verquälten pädagogischen Ehrgeiz vermittelt wird.

Geschildert wird, auf deutsch und französisch, die Beziehung zwischen der kleinen Lila und ihrem Vater. Nach der Trennung von Lilas Mutter zieht der allein in ein Haus und schottet sich ab – eine Hecke steht symbolisch für seine Angst vor allem Fremden. Damit ist er nicht allein: Als die ehemalige Grundschule zum Asylantenheim wird, verfallen die Ortsbewohner kollektiv in Panik: Diese Leute sind anders – was, wenn nun alles anders wird? Das hässliche Monster Fremdenhass gedeiht, gemästet von der Angst vor dem Unbekannten.

Als Lila sich mit einem Flüchtlingsjungen anfreundet, gerät das gute Verhältnis zu ihrem Vater ins Wanken. Lila, von Vorurteilen unbelastet, verteidigt ihren neuen Kumpel: „Er ist nicht anders, ich hab genau geguckt. Er hat einen Kopf, zwei Augen, zwei Ohren, eine Nase, einen Mund.“

Übte sich das junge Publikum zunächst noch unbekümmert in altklugen Zurufen, verfolgte es das Geschehen bald konzentriert schweigend, sichtlich gebannt vom ernsten Thema. Dass das so gut funktioniert, verdankt sich dem unverkrampften Ton und der zauberhaften visuellen Umsetzung. Als Guckkastenbühne fungiert ein großes Buch: Aus dem Umschlag lässt Nicolas Marchand papierene Gegenstände und Figuren wachsen; das aufgeklappte Innere birgt eine Ortsansicht mit Straße und Häusern, mit illuminierbaren Fenstern und aufklappbaren Türen und allerlei weiteren charmanten Überraschungen.

Im legeren Wechsel zwischen Erzähler- und Spielrolle agiert Marchand mal davor, dahinter oder daneben, während Thibault Chanal an der Technik alles ins rechte Licht rückt und eine hörspieltaugliche Soundkulisse mit Musik von Gregor Koppenburg abfährt. Berührend, zugleich heiter und mitunter tatsächlich gruselig – ein Plädoyer für Toleranz, das den unverstellten Blick von Kindern als den klügeren ausweist.
www.korso-op.com

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