Lernen vom Klarenthaler Modell

Klarenthal · Die „internationale Klasse“ der Klarenthaler Gemeinschaftsschule besuchen 17 Kinder und Jugendliche aus elf Nationen. Die sechs engagierten Lehrer bieten einen Unterricht, der vor allem auf Spracherwerb und Lebensnähe zählt. Berufspraktische Elemente gehören dazu.

Mustafa, 14, ein syrisches Flüchtlingskind, kam im November 2014 mit den Eltern ins Saarland. Nach gut einem Jahr Unterricht in der Klarenthaler Gemeinschaftsschule Katharine Weißgerber spricht er verblüffend gut Deutsch. Das Erreichen des Berufsziels "Arzt" wird von keinem Lehrer in Zweifel gezogen. Der aufgeweckte Junge ist auch in der Persönlichkeitsentwicklung so weit, dass er ehrenamtlich syrische Studenten bei deren Integration begleitet. Eine Einser-Schülerin ist auch die 16-jährige Rawan aus Damaskus. Sie stellt tausend Fragen zu allem und jedem und brennt regelrecht darauf, etwas aus sich zu machen - ein "Fall" für ein Stipendium.

Aber die wenigsten Schüler, die als Flüchtling oder Zuwanderer hier eine neue Heimat suchen, finden sich so gut zurecht. Antonio aus Kalabrien tut sich schwer mit dem Spracherwerb , dafür hat Rektor Christian Konrad, selbst Musiklehrer und Musiker, sein Talent als Musiker entdeckt und fördert es. Als dieser Tage Sozialministerin Monika Bachmann (CDU ) zu Besuch kam, spielte der Süditaliener virtuos das Willkommenstänchen auf dem Schifferklavier. Ali Reza, Christ aus dem Iran, stand zunächst, wie manch anderer unbegleiterter minderjähriger Flüchtling, mehr oder weniger krank an Leib und Seele vor der Schultür. Inzwischen fühlt er sich sicher und gut aufgehoben. Obwohl es Schulen gibt, die näher an seinem Wohnort Holz liegen, schlägt sich Ali Reza lieber jeden Morgen zwei Stunden mit Bus und Saarbahn in den Saarbrücker Westen durch.

So unterschiedlich die Biographien und Begabungen der Kinder aus Afghanistan und Syrien, Ghana und Irak, Eritrea und Ungarn ausfallen mögen - die Schulen haben die Aufgabe, sie zum Hauptschulabschluss zu führen. Mit welchen Methoden und Mitteln sie das hinbekommen, ist ihnen im Rahmen der Lehrpläne weitgehend frei gestellt, und es liegt auch an ihnen, ob sie die Freiheit eher als Last begreifen. Oder, wie die Klarenthaler, als Chance.

Ihr Grundkonzept der "internationalen Klasse" findet bereits im ersten Jahr saarlandweit Beachtung. Man könnte sie auch "Willkommensklasse" nennen, das hätte aber einen Zungenschlag, der die ausdauernde Arbeit hinter den Integrationsbemühungen nicht recht würdigt. "Wir singen hier nicht das Lied des Gutmenschen", beschreibt Klassenlehrerin Marianne Schäfer die Aufgabe, "Unmögliches möglich zu machen", das heißt auch Jugendliche ohne Alphabetisierung, ohne Schulerfahrungen oder ohne Lust auf Schule zu einem Abschluss zu führen.

Die Katharine-Weißgerber-Schule stellt Spracherwerb und kulturelle Integration in den Mittelpunkt des "vernetzten", nah an den Lebenswelten angesiedelten Unterrichtes: zehn Stunden Deutsch in der Woche, dazu viel Rechnen, Politik ("knallhart an der freiheitlich-demokratischen Grundordung"), Ethik, Menschenrechte, Frauenrechte, außerdem jede Menge praktische Elemente. Die Kinder dürfen, ja müssen in Stahlfirmen, Behörden und Hotelküchen schauen, um deutschen Alltag kennenzulernen. Mit Diakonischem Werk und SOS-Kinderdorf arbeitet man vertraut zusammen. 17 Schüler aus elf Nationen zwischen 13 und 18 Jahren besuchen die "internationale Klasse", im nächsten Schuljahr soll eine weitere aufmachen. Sechs Lehrer kümmern sich im Team mit mehr Engagement und Elan darum, als man es erwarten dürfte, erfuhr Ministerin Bachmann bei ihrem Besuch. Die Pädadgogen haben teilweise lange im Ausland gelebt und kennen etliche Kulturkreise und Sprachen. Der aus Marokko stammende Lehrer Zakaria Lebzar behrrscht Arabisch, was eine große Hilfe ist. Wenn sich die Verantwortlichen etwas wünschen dürften?: Die Freiheiten, das Klarenthaler Modell weiter betreiben und entwickeln zu dürfen, was vor allem eine Frage der Personalisierung ist.

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