Atelierbesuch Was viele wegwerfen, wird bei ihr zu Kunst

Saarbrücken · Ob Kaffeekapseln, Knochen oder Teelichtdochthalter: Bei Karin Eberhardt wird aus allem filigrane Kunst. Wer ihr Atelier besucht, betritt ein Wunderland der Stickerei.

 Karin Eberhardt in ihrem Atelier in der Großherzog-Friedrich-Straße. Hier sammelt sie allerlei Materialien, auf denen und aus denen dann Stick-Kunstwerke entstehen. Am liebsten stickt sie in aller Ruhe, Tag für Tag, und vergisst dabei die Zeit.

Karin Eberhardt in ihrem Atelier in der Großherzog-Friedrich-Straße. Hier sammelt sie allerlei Materialien, auf denen und aus denen dann Stick-Kunstwerke entstehen. Am liebsten stickt sie in aller Ruhe, Tag für Tag, und vergisst dabei die Zeit.

Foto: Iris Maria Maurer

Das Atelier von Karin Eberhardt in der Saarbrücker Großherzog-Friedrich-Straße ist ein heller, lichtdurchfluteter Raum mit großen Schaufenstern. Ab und an wird die Stille vom Rattern der Saarbahn unterbrochen, die direkt vor dem Atelier vorbeifährt. Dann ist es wieder ruhig.

Karin Eberhardt liebt es, wenn es ganz still ist. Und sie sich ganz und gar auf ihre Arbeit, das Sticken, konzentrieren kann, an ihrem Sticktisch sitzend. Dann kann sie eintauchen, sich vertiefen, gerät fast in eine Art Trance. „Dann kommt es schon mal vor, dass ich die Uhrzeit vergesse und mich wundere, wenn es dunkel wird“, erklärt sie.

Karin Eberhardts Werdegang ist schnell erzählt. Die gebürtige Völklingerin, die heute in der Natur des Bliestals lebt, wollte immer schon einen handwerklichen Beruf ausüben. „Das war in den 1980er Jahren. Ich hatte eine Lehrstelle als Modistin oder Druckvorlagenherstellerin gesucht. Aber in der Zeit waren Ausbildungsplätze sehr rar“, erinnert sie sich.

Im Berufsbildungszentrum erfuhr sie damals von einer Stickerin, die freiberuflich arbeitete. Und sie wendete viel Ausdauer auf, um an deren Adresse zu kommen. Es war Dorothea Zech, bekannte saarländische Künstlerin, deren große, außergewöhnliche Wandbehänge und Wandteppiche in dieser Zeit in vielen öffentlichen Gebäuden hingen.

„Ich habe mich bei ihr beworben – und erhielt ein Jahr später eine Zusage“, erzählt Karin Eberhardt lachend. Sie absolvierte also ihre Ausbildung bei Dorothea Zech, und arbeitet seither freiberuflich als Stickerin, seit über 20 Jahren in ihrem Atelier.

„Seither ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht gestickt habe.“ Allerdings stickt Karin Eberhardt keine Stoffe, „keine Sofakissen“, wie sie lachend sagt, sondern häufig filigrane, zarte, fragile Kunstwerke aus Naturmaterialien. Da finden sich Arbeiten aus Samen, Halmen, Federn oder Pflanzenstängeln an den Wänden des Ateliers, die mit ganz akkuraten Stichen, wie von einer Nähmaschine, auf Büttenpapier gestickt und in einem tiefen Rahmen angebracht sind.

Ihre Materialien findet sie beim Spaziergang in der Natur, bekommt sie aber auch von Freunden und Bekannten gebracht. „Einiges davon ist zu fertig, zu schön, um es noch weiterzubearbeiten. Muscheln oder Schnecken sind einfach perfekt“, erklärt sie. Und die bunten Federn eines Papageis, von der Halterin des Tieres ihr überreicht, wurden erstmal bewundert und dann aufgetrennt. „Erst dann konnte ich aus den Kielen der Federn und aus den anderen Teilen etwas sticken.“

Aber nicht nur mit Naturmaterialien arbeitet sie. „Ich nutze gerne alles, was Gebrauchsspuren hat, alles, was vergänglich ist“, erzählt sie. Im Atelier befindet sich daher auch eine Wandinstallation aus kleinen, buntschimmernden Hütchen, die erst bei näherem Hinsehen erkannt werden. Es handelt sich um Kaffeekapseln. „Die müssen direkt auf die Wand. Ganz akkurat, in Reihen. Und viele. Erst die Masse macht es. Erst dann erkennt man die unerträgliche Verschwendung“, sagt sie.

Dass die Kaffeekapseln nicht von ihr stammen, sondern von Bekannten, die sich freuen, dass aus Müll Kunst wird, versteht sich von selbst. Auch andere Materialien ihrer Kunstwerke überraschen. So zeigt sie eine große Arbeit, bestehend aus vielen Reihen von Teelichtdochthaltern, die ebenfalls mittels zarten Stichen auf filigranem Büttenpapier festgehalten sind. Oder auch geschredderte Eurobanknoten, deren kleinste Einzelteile ebenfalls in Kreisformen aufgestickt sind.

Selbst vor Knochen weicht Karin Eberhardt nicht zurück. Sie werden gekocht, gestanzt und bestickt.

Karin Eberhardt konnte ihre fragilen Kunstwerke schon in Ausstellungen zeigen, im Museum St. Wendel oder bei Marlies Hanstein, sowie in Landeskunstausstellungen. Aber am liebsten arbeitet sie von morgens bis abends in aller Ruhe in ihrem Atelier, „wie eine Beamtin“, sagt sie und lacht.
www.karin-eberhardt.de

 

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