Nauwieser Viertel Kampfansage im Bermudadreieck

Saarbrücken · Anwohner wollen klagen, wenn Wirte, Stadt und Polizei die nächtliche Feierei auf der Straße im Nauwieser Viertel nicht in den Griff kriegen.

Bermudadreieck nennen Anwohner das Areal, in dem Cecilienstraße und Nauwieser Straße aufeinandertreffen und einige Kneipen sind.

Bermudadreieck nennen Anwohner das Areal, in dem Cecilienstraße und Nauwieser Straße aufeinandertreffen und einige Kneipen sind.

Foto: BeckerBredel

Dass es soweit kommt, hätte der Mann, der wie nebenbei eine Kampfansage ausspricht, nicht gedacht. Dass er und andere Bewohner des Nauwieser Viertels ihre Namen nicht nennen, weil sie es sich und ihren Familien ersparen wollen beschimpft und bedroht zu werden. Dass 60 Bewohner mit ihrer Unterschrift auf einer Liste ein Ende des „rechtsfreien Raums“ vor ihrer Haustür fordern. „Die Menschen, die hier wohnen, sind tolerant“, sagt der Mann. „Das sind keine Spießer, denn sonst würden sie nicht hier wohnen.“

Dass das Nauwieser Viertel nicht nur Wohnquartier ist, sondern auch Kneipenviertel, das sei immer klar gewesen. „Leben und leben lassen“, das sei der Deal gewesen. Damit ist es vorbei. An den Wochenenden und vor Feiertagen und nun in den Ferien versammeln sich Hunderte von meist jungen Menschen auf der Straße im Bermudadreieck und feiern lautstark bis in die Morgenstunden. Sie hinterlassen Gläser, Flaschen, Zigarettenkippen, Papier, vor allem Glasscherben.

Bermudadreieck nennen die Bewohner das Areal, in dem Cecilienstraße und Nauwieser Straße aufeinandertreffen. Dort sind fünf Kneipen, deren Geschäft aus Sicht der Anwohner aus dem Ruder läuft. Von „Sauftouristen“, die aus dem ganzen Saarland, auch aus Trier und Heidelberg anreisen, erzählt eine Anwohnerin. Und davon, dass viele Menschen schon weggezogen sind, weil sie keinen Schlaf finden, beschimpft werden, wenn sie um Rücksichtnahme bitten oder ihre Hunde morgens erst mal aus dem Bermudadreieck raustragen müssen zum Gassigehen, weil dort alles voller Scherben ist.

„Die Wirte sagen zwar immer, dass das nicht ihre Gäste sind, sondern Leute, die einfach auf der Straße feiern und ihre Getränke selbst mitbringen“, sagt eine Anwohnerin. Das stimme aber so nicht. Sie hat Fotos gemacht, auf denen zu sehen ist, wie Kellner nachts um zwei mit einem Tablett auf der Straße rumlaufen und Getränke bringen. „Das ist ja bei einer Kontrolle leicht festzustellen, dass da auch nachts durch die Fenster Getränke nach draußen gereicht werden“, sagt ein Anwohner.

Die Polizei sei überfordert. Deshalb haben Anwohner an den saarländischen Innenminister und den Ministerpräsidenten geschrieben. Vom Ordnungsamt und der Oberbürgermeisterin erwarte man sich da schon lange keine Hilfe mehr.

Der Hilferuf ist im Rathaus allerdings sehr wohl angekommen. Die Polizei habe ihn am Montag über die Beschwerden informiert, sagt Bürgermeister Ralf Latz auf SZ-Anfrage. Er habe „noch am gleichen Tag das Ordnungsamt beauftragt, die entsprechenden Gastronomen zeitnah einzuladen und darzulegen, dass Verstöße strikt geahndet werden“, sagt er. „Diese Wirte werden aufgefordert, geltende Regelungen zum Schutz der Anwohner einzuhalten. Des Weiteren werden wir die Wirte auffordern, den von ihren Gaststätten verursachten Müll umgehend und vollumfänglich zu beseitigen. Ansonsten drohen Sanktionen“, teilt Latz mit.

Sollten Ordnungswidrigkeiten festgestellt werden, drohen laut Satzung Geldbußen bis zu 5000 Euro. Latz will sich mit der Polizei darauf verständigen, im Viertel gemeinsame nächtliche Kontrollen mit dem Ordnungsamt durchzuführen. „Gemeinsam mit der Polizei können Kontrollaktionen sicherlich die gewünschte Wirkung erzielen“, glaubt er. Zumindest einige Anwohner trauen der Stadtverwaltung nicht mehr über den Weg. Das liegt auch daran, dass eine neue Gastronomie in der Försterstraße 15 eröffnet werden soll, obwohl es eine Veränderungssperre fürs Viertel gibt. Der ehemalige Sternekoch Jens Jakob will dort ein neues Restaurant mit dem Namen „Le Comptoir“ eröffnen.

„Es ist richtig, dass nach dem 2015 beschlossenen Bebauungsplan im Nauwieser Viertel keine weiteren Schank- und Speisewirtschaften zulässig sind“, bestätigt Stadtpressesprecher Thomas Blug. Dass es in diesem Fall dennoch geht, erklärt er so: In der Försterstraße 15 lag zwischen 1961 und 1998 eine Genehmigung für eine Bäckerei vor. Nachdem 2011 ein entsprechender Antrag auf Nutzungsänderung eingegangen war, hat die Untere Bauaufsicht 2012 eine Genehmigung für Gastronomie ausgestellt. Die Konzession stammte von der Hausnummer 23 (ehemals Sog-Theater), die auf die Hausnummer 15 übertragen wurde. „Das war zu dem damaligen Zeitpunkt noch zulässig. Mit dem inzwischen rechtsgültigen neuen Bebauungsplan wäre das nicht mehr möglich“, sagt Blug.

Mit der Genehmigung der Gaststätte von 2012, die zunächst nicht realisiert wurde, habe die Försterstraße 15 im späteren Verlauf Bestandsschutz genossen. Außengastronomie wird es dort allerdings nicht geben. Die strittige Frage zwischen Eigentümer und Stadt, ob diese dort zulässig ist, wurde inzwischen gerichtlich geklärt.

Womöglich muss sich bald wieder ein Gericht mit der Gastronomie im Viertel beschäftigen. Sollte sich die Lage nicht deutlich bessern, dann werde man klagen, sagt ein Anwohner. Man sei darauf vorbereitet, „wenn Stadt und Polizei das nicht regeln können“. Die Kampfansage lautet: „Dann klagen wir. Mut und Geld sind da. Das Viertel ist unsere Heimat. Wenn die Kneipen immer von Bestandsschutz reden, müssen wir fragen: Wo ist unser Bestandsschutz?“

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