Mode und Film Wie der Ophüls-Preis zum Mode-Festival wird

Saarbrücken · Der aus Syrien stammende Designer Feras Abou Shaar entwarf das Kleid der Festival-Chefin und ist auch sonst beeindruckend zielstrebig.

 Feras Abou Shaar bereichert Lolas Bistro mit seinen Mode-Entwürfen. Die Präsentation stammt von Fred George.

Feras Abou Shaar bereichert Lolas Bistro mit seinen Mode-Entwürfen. Die Präsentation stammt von Fred George.

Foto: George

Was Geschäftsführerin und Festivalleiterin Svenja Böttger in diesem Jahr zur Eröffnung des Filmfestivals Max Ophüls tragen wird, darf man schon jetzt verraten: Ein Kleid von „Feras Couture“, entworfen vom syrischen Designer Feras Abou Shaar in Zusammenarbeit mit der US-Designerin Andrea Müller. Und dahinter steckt eine schöne Geschichte.

Dass Shaar, 37, Designer geworden ist, scheint fast so etwas wie Vorbestimmung gewesen zu sein. Er stammt aus Damaskus, einer Stadt, „die für ihre Stoffe und Textilwebereien bekannt ist“, wie er erzählt. Er trat in die beruflichen Fußstapfen seiner Familie mütterlicherseits, wurde Schneider.

Als er vor gut dreieinhalb Jahren nach Deutschland kam, wusste er was er kann, er dachte, „ich bin gut, aber ich muss Deutsch lernen“, erzählt er. Gesagt, getan. Schon an seinem dritten Tag in Deutschland begann er mit dem Unterricht, lernte im Auffanglager, immer, überall. An seiner finanziellen Situation änderte das erst einmal nichts. Eine Selbstständigkeit, überhaupt die Möglichkeit als Schneider oder Designer zu arbeiten, erschien erst einmal undenkbar. Was dann folgt, ist das, was man eine Reihe glücklicher Zufälle nennt.

2017 konnte Abou Shaar ein Praktikum beim Saarbrücker Modedesigner Fabian Schmidt machen, die Saarbrücker Zeitung berichtete. Im Nachgang dieses Artikels kam ein Mann auf ihn zu, Johannes Schneider, sagte so etwas wie: „Ich weiss, dass Sie Ihr Geschäft führen können“ und bot ihm ein Atelier in seinem Haus an. Die ersten drei Monate durfte er dort kostenlos bleiben, bekam von Schneider auch Hilfe in Sachen Geschäftsgründung, Steuerberatung, Selbstständigkeit.

Auf gut Deutsch habe er „Schwein gehabt“, lacht Abou Shaar. Er wollte alles richtig machen. Es scheint geklappt zu haben. Im Mai diesen Jahres wird sein Modeatelier nicht mehr „nur“ ein Nebengewerbe sein, er wird vollständig selbstständig.

Drei Jahre harte Arbeit liegen hinter ihm. Selbstständigkeit, „das ist kein Spa, keine Wellness, das bedeutet auf dem Vulkan tanzen“, sagt er. „Leidenschaft wird heute häufig durch Spaß ersetzt“, sagt er weiter, „aber es bedeutet mehr, nämlich, dass man auch einmal leidet.“ Wäre er kein Designer geworden, hätte er sich auch als Philosoph oder Poet versuchen können.

Drei Jahre lang hat er auch Maßarbeiten angefertigt, Änderungen vorgenommen, kleinere Schneiderarbeiten gemacht. Von irgendetwas muss schließlich auch ein Designer leben. Seine große Passion gilt allerdings der „Couture“, aufwendige Abendkleider, wie man sie aktuell auch im Schaufenster von „Lolas Bistro“ bewundern kann. „Das sind die Gewürze fürs Leben“, sagt Abou Shaar, seine Augen funkeln. Er träumt davon, dass irgendwann das Gebiet um sein Atelier in Alt-Saarbrücken wie eine zweite Savile Row, die legendäre Londoner Mode-Straße, erstrahlt.

Die Idee, dass man doch einfach mal Svenja Böttger anrufen könne und fragen, ob sie vielleicht noch eine Abendgarderobe zur Eröffnung brauche, stammt vom US-Künstler Fred George. In seiner Anfangszeit in Saarbrücken hat Feras Abou Shaar in dessen Theaterprojekt „Life jacket project“ Theater gespielt. Ende letzten Jahres meldete sich George dann wieder mit einer Bitte bei ihm: Er habe eine Freundin, die US-Designerin Andrea Müller, sie könne kaum Deutsch, vielleicht könne Abou Shaar etwas für sie tun. Er konnte.

So wie er damals tatkräftige Unterstützung bekam, wollte auch er sie zurückgeben, lud Müller in sein Atelier ein. „Wir suchen uns ein Projekt“, versprach er. Mit Georges Hilfe war dieses Projekt schnell gefunden, es blieb allerdings nicht nur beim Kleid von Böttger, auch ein Schaufenster in Lolas Bistro durften sie dekorieren. George arbeitete ein Konzept aus, Abou Shaar und Müller entwarfen Kleider – teilweise sind dabei Filmrollen verarbeitet worden. Entstanden ist eine spannende Symbiose aus Couture und Filmgeschichte.

Dass Feras Abou Shaar jetzt nach seinem ganz eigenen Gusto arbeiten kann, Kleider ausstellen kann, die fast nur aus Filmrollen und Netzstoff bestehen, mehr zeigen, als bedecken, dafür ist er dankbar. „Der Körper, die Frau, der Mensch ist schön – das sollte man zeigen dürfen“, sagt Shaar.

In seinem Heimatland wäre das undenkbar gewesen. Von szenetypischer Oberflächlichkeit und überzogenen Schönheitsidealen ist er trotzdem weit entfernt. „Du bist schön, weil du ein Mensch bist“, sagt er. So einfach sei das. In der Zukunft „möchte, nein will“, korrigiert er sich, Shaar expandieren. Er will Herrenmode in sein Programm aufnehmen. Aktuell streckt er seine Fühler nach Berlin aus.

Und für Saarbrücken, hat er eine ganz große Vision: Er will die erste Fashion Week nach Saarbrücken holen. Mitmachen dürften nur saarländische Modeschöpfer, die regional produzieren. Abendmode, Biomode, was auch immer, das sei ganz egal. So will er das saarländische Handwerk gegenüber der internationalen Industrie stärken. Vielleicht könne man auch Künstler, Architekten mit ins Boot nehmen.

 Feras Abou Shaar und seine aus Amerika stammende Kollegin Andrea Müller vor einem von Feras’ Modellen fürs Schaufenster des Festival-Clubs in der Kaiserstraße.

Feras Abou Shaar und seine aus Amerika stammende Kollegin Andrea Müller vor einem von Feras’ Modellen fürs Schaufenster des Festival-Clubs in der Kaiserstraße.

Foto: Feras

„Die Industrie hat die Welt kaputt gemacht, wir Künstler müssen das jetzt wieder gut machen“, sagt er. Außerdem, „wieso soll alle Welt nach Paris“, fragt er. „Saarbrücken ist klein aber fein“. Zudem durch die Grenznähe in perfekter Lage. „Und das Ophüls-Festival funktioniert schließlich auch seit 41 Jahren als wunderbare Attraktion.“ Aktuell sucht er für das Projekt Sponsoren. Dabei scheint es fast so, als könne dieser Mann alles schaffen. „Keep going“ ist nicht umsonst sein Motto.

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