"Ich bin nicht charakterlos"

Saarbrücken. Pia Döring spricht nicht gerne über die vergangenen Monate. "Es ist doch alles vorbei", sagt die 52-Jährige aus Ottweiler, die mit ihrem plötzlichen Wechsel von der Linken zur SPD noch vor der ersten Sitzung des neuen Landtags die Landespolitik aufgemischt hatte. Dafür sprechen andere umso mehr über sie

Saarbrücken. Pia Döring spricht nicht gerne über die vergangenen Monate. "Es ist doch alles vorbei", sagt die 52-Jährige aus Ottweiler, die mit ihrem plötzlichen Wechsel von der Linken zur SPD noch vor der ersten Sitzung des neuen Landtags die Landespolitik aufgemischt hatte. Dafür sprechen andere umso mehr über sie. Ihre frühere Partei wirft ihr "Skrupellosigkeit" und "Betrug" vor, sie zeigte Döring an und zog vor den Verfassungsgerichtshof. "Natürlich steckt man das nicht so einfach weg", sagt Döring. Sie habe sich aber nichts vorzuwerfen: "Ich weiß, dass ich nicht charakterlos und nicht skrupellos bin und niemanden betrogen habe."Auf die Frage, wie moralisch ihr Schritt war, wiederholt die gelernte Friseurin, die zuletzt einen zum Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) gehörenden Integrationsbetrieb leitete: "Ich bin nicht nur den Wählern der Linken verpflichtet, sondern allen saarländischen Wählern." Und dass sich Linken-Wähler betrogen fühlen könnten? "Die dürfen wütend sein und mit Unverständnis reagieren, das sind normale Reaktionen", sagt sie. In Dörings Weltbild sind Linke und SPD ohnehin nicht weit auseinander. Eine Reihe von "Kernpunkten" vertrete die SPD ja auch wieder, etwa den Mindestlohn oder die Diskussion über die Rente mit 67.

Aber warum wollte Döring nichts mehr mit den Linken zu tun haben? Sie spricht von "politischen Gründen", die sie nicht näher ausführen möchte. Und von persönlichen Motiven: Schon vor der Listenaufstellung, bei der sie gegen die Abgeordnete Heike Kugler einen vorderen Platz errang, habe man sie spüren lassen, "dass ich im Landtag nicht erwünscht war". Werbematerialien habe sie sich selbst besorgen müssen, Wahlplakate von ihr seien ihr nicht angeboten worden. Als sie bei der Wahlparty in das "VIP-Zelt" für Parteispitze und Abgeordnete gebeten worden sei, seien alle Gespräche plötzlich verstummt. Auch bei der ersten Fraktionssitzung habe kaum jemand mit ihr geredet.

"Sehen so meine nächsten fünf Jahre aus?", habe sie sich Tage nach der Wahl gefragt. Und erstmals über einen Parteiwechsel nachgedacht. Zweieinhalb Wochen habe sie überlegt: Als Fraktionslose weitermachen ("da kann man gar nichts bewirken")? Mit dem Wechsel ein bisschen warten, damit es besser aussieht ("das wäre doch aus Sicht der Linken der größere Betrug gewesen")? Döring nahm Kontakt zur SPD auf. "Das Schlimmste war das Eingestehen vor mir selbst, dass ich mich in eine politische Idee verrannt habe, die total auf die schiefe Bahn geführt hat", sagt Döring. Schließlich habe sie 2004 wegen der Sozialreformen "vollmundig" die SPD verlassen und habe die WASG mitgegründet.

Zwei eidesstattliche Versicherungen nähren Zweifel an Dörings Version, erst zweieinhalb Wochen nach der Wahl den Wechsel beschlossen zu haben: Ein Linken-Mitglied will Döring vor der Wahl in Saarbrücken beim Beladen eines SPD-Wahlkampfbusses beobachtet haben. Und der frühere Linken-Bundestagsabgeordnete Volker Schneider, dessen Büro sie bis 2009 leitete, behauptet felsenfest, Döring habe ihm vor der Wahl berichtet, dass der Landesvorsitzende des Arbeiter-Samariter-Bundes - ein Sozialdemokrat - ihr einen Wechsel zur SPD angeboten habe. Sie habe sich damals, so Schneider, die Option offengehalten, falls sie von den Linken im Landtag nicht akzeptiert werde. "Beide Behauptungen sind falsch", sagt Döring: "Die Menschen müssen es mit sich selbst ausmachen, wie sie über andere sprechen."

In der SPD-Fraktion sei sie trotz des Wirbels sehr gut aufgenommen worden, sagt Döring. Die dreifache Mutter ist familienpolitische Sprecherin. Ob ihr noch andere Linken-Abgeordnete folgen könnten? "Das glaube ich nicht", sagt Döring und lächelt. "Nach dem ganzen Zirkus würde sich das eh niemand mehr trauen."

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