Neubaugebiete Holzfassaden sind erlaubt, Putz in Pink nicht

Saarbrücken · Der Bedarf an Wohnraum ist groß; es gibt zahlreiche Neubauprojekte in Saarbrücken. Doch sie stellen nicht alle Bürger zufrieden.

„Die Nachfrage nach Wohnraum und Bauplätzen in Saarbrücken ist riesig“, sagt Jens Düwel durch das Mikrofon im Bus. „Eine Vermarktungsfahrt ist das hier aber nicht.“ Knapp 50 Personen sitzen am Samstag, 21. Oktober, vor dem Fachmann der Gesellschaft für Innovation und Unternehmensförderung (GIU). Sie nehmen an einer der Rundfahrten „Neues Wohnen in Saarbrücken“ teil, einem Angebot der Landeshauptstadt Saarbrücken.

Auf der Rundfahrt stellt Düwel sechs Wohngebiete vor. Erster Stop ist das Wohnquartier Franzenbrunnen. Die Bauarbeiten auf dem ersten von insgesamt drei Bauabschnitten sind in vollem Gange, die ersten Bewohner bereits eingezogen. Bis 2022 soll das ganze Gebiet fertig sein, sagt Düwel. Die Gebäudeformen auf dem Gelände sind unterschiedlich: Es gibt Ein- und Doppelfamilienhäuser, aber auch höhere Stadthäuser, die insbesondere für Baugemeinschaften geeignet sind.

Der Franzenbrunnen ist ein städtisches Entwicklungsprojekt. Das bringt laut Düwel Vor- und Nachteile für die Bauherren mit sich. „Auf der einen Seite soll das Wohngebiet möglichst homogen aussehen, deshalb gibt es bestimmte Einschränkungen. Auf der anderen Seite stehen Freiheit und individuelle Gestaltungswünsche der Bauherren“, sagt Düwel. „Das ist eine Gratwanderung.“

Um gleiche Bedingungen für alle zu schaffen, gebe es ein Gestaltungshandbuch. „Wenn jemand sein Haus mit Holz verkleiden will, ist das kein Problem“, sagt der Fachmann und blickt über das eng gebaute Gelände, „Putz in Pink wäre dagegen nicht erlaubt.“ Eine Frau fragt, warum das Gebiet fast ausschließlich aus Einfamilienhäusern besteht, und zieht den Vergleich zu Berlin. Düwel gibt ihr Recht: „Wenn in Berlin so gebaut worden wäre wie hier, wäre die Stadt jetzt wahrscheinlich so groß wie Brandenburg.“

Das Projekt „Gemeinsam Wohnen im Wittum“ geht über nachbarschaftliche Verhältnisse hinaus: Hier wohnen verschiedene Altersgruppen in einem Haus; ein Gemeinschaftsraum dient als Ort des Zusammenkommens. Doch nicht alle freuen sich über das solidarische Wohnprojekt. Im Vorfeld war es auf Kritik bei Anwohnern und den Freien Wählern gestoßen (wir berichteten). Sie hatten die Höhe der geplanten Häuser und den Wegfall der Grünfläche beklagt. Die Bürger­initiative „Saarbrücken macht mobil“ hatte bemängelt, dass die Bebauungspläne gegen den Willen der Bürger durchgesetzt worden waren.

Weitere Bauprojekte auf der Tour sind das Wohnprojekt Am Alten Stadtbad, das ehemalige Siemens-Gebäude Unique3 Cube und der Schillerhof.

Im Wohngebiet Bellevue 2.0 stehen bereits fertige Energiesparhäuser. Das Straßenbild ist geprägt von Einfamilien- und Reihenhäusern. „Wie im Katalog“, sagt eine Teilnehmerin der Rundfahrt, als sie vor einer der Fassaden steht. In vielen Einfahrten parken Autos der gehobenen Preisklasse.

Bei einem Spaziergang durch die Straßen kommt ein Manko vieler Neubaugebiete zur Sprache: Es gibt dort keine Sozialwohnungen. „Man wollte eine Ghettoisierung vermeiden“, sagt Düwel und sieht sich um. „Wenn man mal darüber nachdenkt, wird einem aber klar: Das hier ist ja auch ein Ghetto. Schon alleine, wenn man sich die ganzen Autos anguckt…“ Und darüber hinaus: „Es gibt ja nicht nur Eigentumswohnungen mit 3000 Quadratmetern plus und sozialen Wohnungsbau. Was ist dazwischen?“, fragt er. Eine Frage, die bei aktuellen Planungen häufig verloren gehe.

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