Kleines Theater in Saarbrücken Hinreißend komisches und vielschichtiges Figurentheater

Saarbrücken · Viel Applaus für „Die Macht des Schicksals“ nach dem Märchen „Hans im Glück“. Gelungener Start in die neue Spielzeit im Kleinen Theater.

 Hans-Jochen Menzel (links) und Pierre Schäfer aus Berlin präsentierten in Saarbrücken das Figurentheaterstück „Die Macht des Schicksals“.

Hans-Jochen Menzel (links) und Pierre Schäfer aus Berlin präsentierten in Saarbrücken das Figurentheaterstück „Die Macht des Schicksals“.

Foto: Iris Maria Maurer

Hans wurde mit einer Glückshaut geboren, alles wendet sich so, wie er es möchte. Selbst wenn am Ende von einem Batzen Gold nur ein Kiesel und ein Wetzstein bleiben oder gar nichts. Hans-Jochen Menzel und Pierre Schäfer führen mit „Die Macht des Schicksals“ im Kleinen Theater im Rathaus zur gut besuchten Spielzeiteröffnung ein furioses Figurenspiel nach dem Grimmschen Märchen „Hans im Glück“ auf, und man ist erstaunt, was die Berliner Menzel-Schäfer Produktion aus dem eher drögen Stoff macht.
Ein hinreißend komisches, vielschichtig komponiertes Spiel-im-Spiel, das das Märchen von den Pferdebeinen auf den Kuhkopf stellt, mehrere Ebenen einbaut und es mit kasperlhafter Leichtigkeit und feinen Gespür für die Nuancen zwischen Slapstick, Klamauk und höheren ironischen Sphären ausstattet (Regie: Anne Frank). Hansens Schicksal präsentieren Menzel und Schäfer als die Engel Johanna und Johannes, ein sich bissig-liebevoll kabbelndes Paar, jüngst mit einem Kreuzfahrtschiff gesunken und nun im Himmel Glücksbotschaften klampfend. Der Papphimmel wird zur Puppenbühne, sprich zum Theater Kleines Glück, dessen geckenhafter Maestro von Hans‘  Rückkehr nach siebenjähriger Auszeit erzählen möchte und zwar ohne das Kuh-Pferd-„Giraffe“-Getausche. Weil doch die Gertrud wartet, nicht die Mama. Irgendwie schleicht sich das ganze Tauschgetier wieder ein, aber erst nachdem Hans von seinem Meister Johann von Gutenberg, beim Frühstück dem Andruck einer 42-zeiligen Bibel harrend, mit dem Goldbatzen abgespeist wird und dann Richard III. respektive Shakespeare auf einem Gaul daher klappert, Hans pferderücks Reimlektionen zu erteilen. Die Papiertiere hängen an Stangen, weiteres Personal sind charismatische Handpuppen (Puppen: Christian Werdin),  mit denen die Schauspieler agieren, während sie sich als Engel ständig gegenseitig ins Spiel fallen. Etwa weil Johanna dem in einer Kneipe eingekehrten Hans lieber Saft als Bier kredenzen möchte, wegen der Gertrud, pronto, pronto. Oder als sich Johannes in Singwut vom Hendrix-Rock mit Koffer-Perkussion stracks zu Rammsteinschem Geknödere durchjault: „Das Schicksal ist ein Böses Tier. Verfolgt es dich, dann rat ich Dir: Versteck Dich!“ Wie Schäfer das mit unheiligem Ernst brüllt, zum Kaputtlachen! Sicher hat „Hans im Glück“ nie solche Fahrt aufgenommen, wie hier, die Stimmen der Schauspieler, die Lieder, die Sprachlust, der selbstironische Unsinn, genial.

„Wir alle werden verrückt geboren. Manche bleiben es“, ein Beckett-Zitat ist in dieser Spielzeit das Motto. Theaterleiter Thomas Altpeter, der erkrankt war, meint dazu: „‘Verrücktsein‘ ist eigentlich Grundbedingung der Kunst. Meine Definition von Kunst ist ‚Erzeugung einer Parallelwelt, durch deren Betrachtung wir mehr über die eigentliche Welt erfahren‘. Und Parallel bedeutet ja verrückt und verschoben.“ Ist Glücklichsein(wollen) auch eine Form von Verrücktheit?: „Glücklichsein ist sicherlich ein Ausnahmezustand. Insofern ist das auch eine Fokussierung auf einen Aspekt der Realität, der andere verdrängt. Ich sehe das Verrücktsein durchaus nicht negativ. Es ist ein Ausklammern von Allgemeinwelt“, sagt Altpeter. Was ist nun die Macht des Schicksals? Dass die Gertruden sehr lange warten können, verlorenes Eigentum wenig wiegt und so manches Bier schneller getrunken ist, als gedacht. Und Glück: „Glück ist, wenn man glücklich ist.“ Sagen Menzel-Schäfer. Ja, so einfach! Nach diesem Stück ist man es, euphorischer Applaus.

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