Henning von Bargen „Antifeminismus ist salonfähig geworden“

Saarbrücken · Henning von Bargen von der Heinrich-Böll-Stiftung sagt, auch in der Mitte der Gesellschaft wird Gleichberechtigung immer häufiger abgelehnt.

 Henning von Bargen leitet seit 2007 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.

Henning von Bargen leitet seit 2007 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.

Foto: Stephan Röhl

„Antifeminismus ist eine Gefahr für die Demokratie“, sagt Henning von Bargen, Leiter des Gunda-Werner-Instituts für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung. „Er richtet sich gegen die Gleichheitsvorstellung unseres Grundgesetzes. Er dreht die Zeit zurück zum Familienbild der 1950er Jahre.“ Von Bargen erklärt am Donnerstag, 21. März, in der Frauen-Gender-Bibliothek in Saarbrücken, wie Antifeminismus moderne Geschlechterverhältnisse versucht zu unterbinden.

Ein klare Definition für Antifeminismus gebe es nicht, sagt von Bargen. Es sei ein Oberbegriff für oft organisierte Gruppierungen, die auf verschiedene Weise die Emanzipation von Frauen und Vorstellungen von geschlechtlicher Vielfalt pauschal und abwertend bekämpfen. In den vergangenen Jahren seien antifeministische Positionen salonfähig geworden. „Im Alltag begegnen wir diesen oft im Internet. Wir alle haben schon von ,Hate Speech’ und Frauenhass gehört.“

Antifeminismus trete heute in modernisierter Form auf: als Anti-Gender-Mobilisierung. Es werde beispielsweise vor einem Gender-Ideologie oder der Frühsexualisierung der Kinder gewarnt, die als Resultat eines übertriebenen Feminismus gesehen werden. Gerade die Frühsexualisierungs-Debatte richte sich gegen die Bildungspolitik der Bundesländer. In einigen Lehrplänen werden Akzeptanz sexueller Vielfalt und verschiedener geschlechtlicher Identitäten thematisiert.

Kritiker sehen darin eine Gefahr für die Entwicklung der Kinder und der Gesellschaft. „Es wird so getan, als ginge es rein um Sexualität. Es wird ein Feindbild konstruiert und die wissenschaftlich fundierte Pädagogik untergraben.“ Zum Beispiel das Aktionsbündnis Demo für alle, das sexuelle Vielfalt und eine entsprechende Sexualpädagogik ablehnt. Auch christlich-fundamentalistische Gruppen, evangelikale Gruppen, neu-rechte Bewegungen wie Pegida und die AfD wehren sich gegen die gleichberechtigte Vielfalt der Geschlechter. Antifeministische Position würden überwiegend von Männern vertreten. „Darüber darf nicht hinwegtäuschen, dass auch Frauen an der Spitze von einigen Anti-Gender-Gruppen das Bild in der Öffentlichkeit mitprägen. Denn die Strukturen dahinter sind männlich dominiert.“

Familie und Sexualität seien hoch emotionale Themen, sagt von Bargen. Die AfD nutze die Strategie der Emotionalisierung ohne mit Inhalten zu überzeugen, weshalb antifeministische Positionen beziehungsweise Anti-Gender-Mobilisierungen immer mehr den Weg in die Mitte der Gesellschaft gefunden hätten. Es wird angeknüpft an die Vorstellung eines klassischen Familienbildes. „Diese heile Welt, die propagiert wird, hat aber so nie existiert. Oder zumindest nur vereinzelt in gewissen gesellschaftlichen Milieus“, sagt von Bargen. Außerdem werde an gesellschaftliche Umbrüche angeknüpft: an das Gefühl des „Abgehängtseins“.

Im Umkehrschluss sei es schwer, mit Fakten gegen die gefühlt gestörte Gesellschaftsordnung, entgegenzuwirken. „Es gibt kein Patentrezept“, sagt von Bargen. Man müsse aber die positiven Errungenschaften der Gleichberechtigung und Gleichstellung aller in den Fokus rücken. „Die MeToo-Debatte beispielsweise oder die Diskussion um ein Paritätsgesetz zeigen ja, wie wichtig Gleichstellung und Antidiskriminierung auch heute noch sind.“

Auch in Saarbrücken treten antifeministische Positionen in die Öffentlichkeit, bestätigt Katharina Kunze, kommunale Frauenbeauftragte der Landeshauptstadt. Als Beispiel nennt sie den „Marsch für das Leben“, der auch in Saarbrücken seit Jahren stattfindet. „Diese Abtreibungsgegner demonstrieren gegen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen, verunglimpfen die Beratungsstellen, die Frauen im Schwangerschaftskonflikt helfen und benutzen rassistische und homophobe Narrative.“ Inwieweit eine antifeministische Szene in Saarbrücken allerdings vernetzt sei, „kann ich nicht einschätzen“, sagt Kunze. Solchen Position tritt sie am liebsten konstruktiv entgegen. Zum Beispiel im Frauenforum, im Frauenrat und in der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauenbeauftragten arbeiten Institutionen und Aktivistinnen eng zusammen. „Gemeinsam sind wir stark“, sagt Kunze.

Henning von Bargen hält am Donnerstag, 21. März, um 19 Uhr in der Frauen-Gender-Bibliothek, Großherzog-Friedrich-Straße 111 in Saarbrücken, einen Vortrag über Antifeminismus. Der Eintritt ist frei. Weitere Infos gibt es unter Telefon (06 81) 9 38 80 23.

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