Interview Hoch hinaus mit einem fantastischen Baumhaus

Saarbrücken · Die junge Illustratorin ist ein Shooting-Star auf der europäischen Kinder- und Jugendbuchmesse in Saarbrücken.

 Ein kleiner Junge, in dessen Vorstellungswelt aus einem großen Mietshaus ein Baumhaus voll skurriler Bewohner wird: Mit diesem Buch kommt Hannah Brückner nach Saarbrücken.

Ein kleiner Junge, in dessen Vorstellungswelt aus einem großen Mietshaus ein Baumhaus voll skurriler Bewohner wird: Mit diesem Buch kommt Hannah Brückner nach Saarbrücken.

Foto: Hannah Brückner

Ihr allererstes Bilderbuch wurde sogleich für den deutsch-französischen Jugendliteraturpreis nominiert. Zugleich durfte Hannah Brücker auch das Plakat für die europäische Kinder- und Jugendbuchmesse entwerfen. Die Messe findet vom 26. bis 29. September in Saarbrücken statt. Hannah Brückner wird natürlich auch dabei sein. Und die junge Frau hat noch einiges mehr zu bieten.

Liebe Frau Brückner, wie fühlt man sich, wenn gleich das erste eigene Bilderbuch für den deutsch-französischen Jugendliteraturpreis nominiert ist?

Hannah Brückner: Das ist wirklich großartig. Der transnationale Gedanke macht diesen Preis zu etwas Besonderem, und die anderen nominierten deutschen und französischen Künstlerinnen und Künstler sind absolut hochkarätig. Ich bin sehr stolz mit meinem Buch dabei zu sein.

 „Mein fantastisches Baumhaus“ ist ein prachtvolles Leporello-Buch, in dem ein normales Mehrfamilienhaus zu einem Ort der Fantasie wird. Hatten Sie selbst als Kind solche Bilder im Kopf von Ihren Mitbewohnern?

Hannah Brückner: Ich bin in Berlin aufgewachsen und habe immer in Mehrparteienhäusern mit ganz unterschiedlichen Menschen gelebt. Das war also auf jeden Fall ein Anknüpfungspunkt. Die Rückbesinnung auf die Bücher, die ich toll fand, meine kindliche Fantasie und viele Tagträume, die ich immer hatte, waren andere starke Motive. Dies wollte ich mit diesem Buch wieder aufleben lassen und sozusagen auf die Spitze treiben.

Ihr Buch ist keine Schnell-Lese-Lektüre für gestresste Eltern. Man muss sich Zeit nehmen, mit seinem Kind die Bilder zu entschlüsseln. Wenn Sie sich so umschauen, zum Beispiel in  Hamburg, wo Sie heute leben: Nehmen sich heute viele Eltern diese Zeit?

Hannah Brückner: Speziell über Eltern möchte ich mir kein Urteil erlauben. Ich denke, viele Menschen erleben ein Gefühl von Gehetztheit und Unruhe. Die sehr aufwändige Technik, mit der ich das Buch gezeichnet habe, ist dabei schon ein Statement. Es nimmt viel Geduld in Anspruch, auf diese Art zu zeichnen und fordert dazu auf, sich alles genau anzuschauen. Es erinnert auch an ein Wimmelbuch und lädt dazu ein, mit der Zeit immer mehr Details zu entdecken, gern auch, wenn man es mal ein paar Monate später wieder aufschlägt. Über  Szenerien und Figuren kann man sich unterhalten und gemeinsam weitere Geschichten erfinden und so der Fantasie freien Lauf lassen. Man kann das Buch also schon als Einladung an gestresste Eltern verstehen, sich Zeit zu nehmen, so sie denn können.

Bei der Saarbrücker Kinder- und Jugendbuchmesse wird das Lesen gefeiert. Hunderte Kinder sitzen in Autoren-Lesungen und stöbern in Büchern. Sie haben auch das aktuelle Plakat für die Buchmesse entworfen. Was erwarten Sie von der Messe?

Hannah Brückner: Für mich ist sowohl die Messe in Saarbrücken als auch der Kontakt mit einem größeren Publikum eine Premiere. Dabei bin ich besonders gespannt, wie mein Buch bei einer großen Kinderhorde in diesem Rahmen ankommt. Ich rechne mit allem: von allgemeiner Gebanntheit bis zu kollektivem Einschlafen.

Würden Sich sich selbst überhaupt als Bilderbuch-Künstlerin bezeichnen? Wenn man auf Ihrer Homepage stöbert, fällt nämlich auf, dass Sie sehr vielseitig unterwegs sind. Neben anatomischen Skizzen des menschlichen Herzens findet sich etwa eine ganze Serie faszinierender Illustrationen zum Thema Computer-Viren, die Sie für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung machten. Wie kommt es zu dieser Bandbreite?

Hannah Brückner: Richtig abzusehen war es während meines Studiums nicht, dass ich schließlich ein Bilderbuch machen würde. Ich fühle mich inzwischen aber ziemlich wohl in der Rolle als Bilderbuch-Künstlerin und Autorin. Ich habe neue Vorhaben und Themen im Kopf und kann mir sehr gut vorstellen, weitere Bilderbücher zu realisieren. Ich arbeite auf der anderen Seite sehr aufwändig und habe mir in den letzten Jahren weitere Standbeine in der Illustration aufgebaut, die meine Arbeit sehr bereichern aber auch freie Arbeiten finanzieren. Auf so unterschiedlichen Feldern zu arbeiten und sich zum Beispiel auch mal ein halbes Jahr mit Computerviren zu beschäftigen oder gleichzeitig ein Kinder-Rätsel zu gestalten, ist  bereichernd abwechslungsreich und birgt zudem immer das Potenzial neuer Perspektiven.

Auch auf einer Seite des Zentrums liberale Moderne findet man Illustrationen von Ihnen. Unter dem Titel „Gegneranalyse“ sind Porträts etwa der rechten Intellektuellen Martin Heidegger oder Ernst Jünger zu sehen, die Sie gezeichnet haben. Sind Sie eine politische Künstlerin?

Hannah Brückner: Selbstverständlich bin ich ein politischer Mensch. In der konkreten Ausgestaltung von Auftragsarbeiten mag sich das mal mehr, mal weniger ausdrücken. Wichtiger ist hier meine Haltung, mit der ich zum Beispiel Projekte auswähle oder wie ich diese umsetze. Projekte wie die „Gegner­analyse“ sind dabei natürlich besonders interessant, weil ich mich hier als Illustratorin daran beteiligen konnte, über die Strukturen rechten Denkens von der Vergangenheit bis heute kritisch aufzuklären und dem Ganzen ein „Gesicht“ zu geben.

 Fantasie marsch! Hannah Brückner hat auch das überaus anregende Plakat zur Buchmesse 2019 entworfen. Darauf gibt es viel zu sehen, und allerlei Details laden zu Gedanken-Spaziergängen ein. 

Fantasie marsch! Hannah Brückner hat auch das überaus anregende Plakat zur Buchmesse 2019 entworfen. Darauf gibt es viel zu sehen, und allerlei Details laden zu Gedanken-Spaziergängen ein. 

Foto: Hannah Brückner
 Hannah Brückner wird auf der Buchmesse zum ersten Mal Kontakt mit ihren kleinen Leserinnen und Lesern aufnehmen.

Hannah Brückner wird auf der Buchmesse zum ersten Mal Kontakt mit ihren kleinen Leserinnen und Lesern aufnehmen.

Foto: Stefan Becker

Vor einem Jahr haben Sie Ihren Master gemacht. Wo soll es für Sie künstlerisch hingehen. Was wäre Ihr größtes Glück?

Hannah Brückner: Ich habe für mich einen Grundstil etabliert, bin aber sehr offen dafür, diesen immer weiter im Prozess des Zeichnens entwickeln zu können. Es ist aber leider nicht selbstverständlich, dass sich insbesondere die freie künstlerische Arbeit immer finanziell trägt. Es wäre großartig, wenn ich diesen Weg weitergehen könnte. Darüber hinaus würde ich mich wirklich freuen, weitere Bücher machen zu können. Einen Teil der eigenen Bildwelt in die Hände von anderen, großen und kleinen Menschen zu geben, ist ein ganz besonderes Glück.

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