Täter wird öffentlich gesucht Nach Attacke von Maskenverweigerer: Busfahrerin lässt sich nicht einschüchtern und arbeitet schon wieder

Exklusiv | Saarbrücken-Gersweiler · Der Angriff auf eine Busfahrerin der Linie 104 in Gersweiler hat Saarbrücken geschockt. Wie geht es dem Opfer? Was sagen Experten zu den psychischen Folgen? Wie laufen die Ermittlungen der Polizei?

 Angriff in der Linie 104 in Gersweiler: Hier saß die Busfahrerin, die von einem Maskenverweigerer mit Milchkaffee übergossen wurde.

Angriff in der Linie 104 in Gersweiler: Hier saß die Busfahrerin, die von einem Maskenverweigerer mit Milchkaffee übergossen wurde.

Foto: Susanne Speicher

Die Saarbrücker Busfahrerin, die am Mittwoch von einem jungen Masken-Verweigerer übel beschimpft und mit einem Becher Kaffee überschüttet worden war, ist nach Angaben der Saarbahn GmbH am Donnerstag wieder zum Dienst erschienen. „Die Busfahrerin hat den Übergriff laut ihrer Aussage gut verarbeitet“, teilte Ulrike Reimann, die Pressesprecherin der Saarbahn, auf SZ-Anfrage mit. „Wenn sie gewünscht hätte, hätte sie auch weitere Betreuung erhalten, aber sie wollte heute fahren“, sagte Reimann über die Betroffene, die selbst nicht mit den Medien sprechen möchte.

Die Busfahrerin war von einem jungen Mann angegriffen worden, nachdem sie diesen beim Einsteigen in eine Bus der Linie 104 an einer Haltestelle in Gersweiler in freundlichem Ton auf die Maskenpflicht hingewiesen hatte. So hatte es die Augenzeugin Susanne Speicher, die früher Sprecherin von Fridays for Future war, auf ihrer Facebook-Seite öffentlich berichtet.

Augenzeugin des Angriffs wird von Polizei in Burbach befragt

Speicher hatte am Donnerstag, wie sie der SZ sagte, einen Termin bei der Polizei Burbach, der sie sich als Augenzeugin angeboten hatte. Die Polizei ermittelt nach eigenen Angaben, ob in dem Fall eine Sachbeschädigung und Beleidigung vorliegt. Für eine Körperverletzung sehen die Polizisten nach eigener Meinung keine Anhaltspunkte.

 Jürgen Felix Zeck, Landeschef des Weißen Rings im Saarland.

Jürgen Felix Zeck, Landeschef des Weißen Rings im Saarland.

Foto: Sibille Sandmeyer

Die Polizeiinspektion Saarbrücken-Burbach sucht seit Donnerstag auch öffentlich nach dem Täter, der mit seinem mitgeführten E-Scooter in Richtung Klarenthal geflüchtet war. So wird der junge Mann beschrieben:

  • circa 25 bis 30 Jahre alt
  • circa 1,60 Meter groß
  • vermutlich schwarze Haare
  • schwarz gekleidet
  • schwarze Wollmütze und „Sturmhaube“

Zeugen sollen sich an die Polizeiinspektion Saarbrücken-Burbach wenden: Tel. 0681/97150.

Was ist mit den psychischen Verletzungen?

Als Außenstehender sei es leicht zu sagen, es habe sich ja „nur“ um einen Pappbecher gehalten, sagt Jürgen Felix Zeck. Der pensionierte Kripobeamte ist Landesvorsitzender des saarländischen Weißen Rings, der sich als Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer einsetzt. Die Art des Vorgehens stelle sehr wohl einen Angriff da und je nachdem, in welcher Situation sich das Opfer befinde und wie vorbelastet es sei, könne es durchaus traumatisiert werden, betont Zeck.

Auch ein Pappbecher stellt ein Verletzungsrisiko dar

Plakat-Kampagne der Stadt macht auf Gewalt gegen Beschäftigte aufmerksam
6 Bilder

Plakat-Kampagne der Stadt macht auf Gewalt gegen Beschäftigte aufmerksam

6 Bilder
Foto: Stadt Saarbrücken/Mensch im Dienst - Jungen/Thönes/Mensch im Dienst - Jungen/Thönes

So könne selbst ein Pappbecher so unglücklich fallen, dass er jemanden am Auge verletze oder man könne bei einem Gegenstand, den man vielleicht nicht erkenne, sich in Todesnähe wähnen. Man müsse immer den Einzelfall betrachten, jeder Mensch reagiere anders auf einen Übergriff, unabhängig von der Schwere der Tat, sagt der Experte. Die einen berappelten sich schnell, die anderen knabberten noch Wochen lang daran. Mögliche Nachwirkungen: Man habe Angst, könne nachts nicht gut Schlafen, habe einen Flashback, werde bei bestimmten Geräuschen sofort wieder in die Situation zurückgeworfen. Spätestens, wenn sich solche Beeinträchtigungen nach vier Wochen nicht legten, solle man psychologische Hilfe in Anspruch nehme, in der Regel sogar besser früher als später.

Saarbahn-Betriebsrat beobachtet steigende Zahl der Attacken

Was sagt der Betriebsrat der Saarbahn zu dem Fall? „Wir beobachten auch, dass sich die Zahl der Übergriffe seit Jahren erhöht, es hat wahrscheinlich mit der Verrohung der Sitten zu tun“, sagt Markus Morsing, der Betriebsratsvorsitzende der Saarbahn. Früher hätten es Fahrgäste mehr bei verbalen Attacken belassen, heutzutage ließen sie viel eher die Fäuste sprechen. Zehn Übergriffe auf ihre Fahrer hat die Saarbahn allein seit Anfang dieses Jahres erfasst, dabei haben die Angreifer die Fahrer in mehreren Fällen mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Meist handele es sich dabei um männliche Fahrgäste, gegenüber Busfahrerinnen, die rund 25 Prozent der Fahrer ausmachten, hielten sie sich bisher jedoch noch eher mit Handgreiflichkeiten zurück, sagt Morsing.

In alten Bussen und Bahnen Spuckschutz-Scheiben eingebaut

Schon seit den Nuller-Jahren habe man Maßnahmen ergriffen, um die Fahrer und Fahrerinnen zu schützen, so sagen übereinstimmend Pressesprecherin Reimann und der Vorsitzende des Betriebsrats, der in all diese Maßnahmen eingebunden ist. So habe man in die alten Fahrzeuge Spuckschutz-Scheiben eingebaut, die neuen hätten diese vornherein. Von völlig geschlossenen Fahrerkabinen habe man Abstand genommen, so Morsing, da sie für Fahrer wie Fahrgäste Nachteile hätten.

Videoüberwachung in allen Bussen seit 2010

Zu den Maßnahmen gehören aber auch regelmäßige Fortbildungen, etwa Deeskalationtraining, zum Konflikte rechtzeitig erkennen und entschärfen zu können. Hinzu kommt Videoüberwachung an Haltestellen, in allen Saarbahnzügen und den Bussen ab Baujahr 2010. Auch setzt die Saarbahn GmbH Sicherheitskräfte mit Body-Cams in den Saarbahnzügen und Bussen ein und hat den Sicherheitsetat seit 2020 gerade zum zweiten Mal erhöht. Dennoch: Völligen Schutz, sagen Unternehmens-Sprecherin Reimann und Betriebsratschef Morsing, gibt es nicht:

Betriebsrat besucht Opfer auch zu Hause

Wenn es zu einer Attacke kommt, bietet der Betriebsrat dem jeweiligen Kollegen oder der Kollegin in jedem Fall Hilfe an, besuche sie, wenn gewünscht, auch zu Hause und vermittle Betroffene gegebenenfalls zur Sozialberatung. „Wir hatten in der Vergangenheit schon Fahrer, die traumatisiert waren“, sagt Morsing. Denen habe man psychologische Begleitung vermittelt, wobei ein Psychologe sogar ganz konkret im Bus mitfahre. Man habe zum Beispiel in einem Fall dafür gesorgt, dass ein Busfahrer nicht mehr auf Linien eingesetzt wurde, die den Ort des Geschehens, den Dudoplatz in Dudweiler, anfahren.

Dem Täter droht Fahrverbot auf allen Linien

Wenn ein Fahrer keine Nachtfahrten mehr ertrage, werde er nur noch tagsüber eingesetzt, wenn er nicht mehr fahrbereit sei, bemühe man sich, ihn vorübergehend irgendwo im Innendienst einzusetzen. Im Fall Gersweiler ist der Übergriff nun bisher recht glimpflich ausgegangen. Dennoch: Die Polizei ermittelt. Sollte sie den Täter ausfindig machen, blüht ihm genauso wie bei schwereren Delikten in Bus und Saarbahn, Hausverbot, also Benutzungsverbot.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort