Jazz Ein Jazz-Abend für Altmeister Charles Mingus

Saarbrücken · Christoph Mudrich und Co. widmeten dem Multitalent einen Konzertabend im Saarbrücker Schloss. Das Publikum war begeistert.

 Das Nonett unter der Leitung von Christoph Mudrich spielte im Festsaal des Schlosses eine Suite aus Stücken von Charles Mingus.

Das Nonett unter der Leitung von Christoph Mudrich spielte im Festsaal des Schlosses eine Suite aus Stücken von Charles Mingus.

Foto: Sebastian Dingler

„Charles Mingus fühlte sich immer als derjenige, der viele war“, sagte Christoph Mudrich am Ende des Hommage-Abends im Festsaal des Schlosses. Ja, der Bassist und Komponist, der von 1922 bis 1979 lebte, hatte viele Facetten anzubieten. Traditionalist und großer Avantgardist, Bandleader und Bandbegleiter, Komponist und Interpret – all das steckte in Mingus’ relativ kurzer Lebensspanne. Aber Mudrichs Aussage kennzeichnete auch das Schwierige im Charakter des Amerikaners: dass in ihm wohl mehrere Persönlichkeiten lebten.

Dazu passte auch die Anekdote, die Mudrich im ersten Teil des Konzerts erzählte, nämlich auf welche Art Mingus die Band von Duke Ellington verließ: Ellingtons Biografie erzählt die Geschichte so, dass der große Bandleader Mingus die Möglichkeit geben wollte, eine eigene Band zu leiten; laut Mingus’ Aufzeichnungen war es allerdings so, dass Ellington ihn rauswarf, nachdem er mit einem Messer auf Max Roach losgegangen war.

Auf Wikipedia findet sich übrigens noch eine dritte Version – Mingus habe sich mit Juan Tizol gestritten, woraufhin Ellington gemeint habe, mit Tizol werde er fertig, aber Mingus scheine einen ganzen Sack voller Macken mitzubringen.

Zurück zum Konzert: Das begann in der Quartett-Version mit Mudrich am Piano, Arnulf Ochs an der Gitarre, Dirk Kunz am Kontrabass und Dirik Schilgen am Schlagzeug. Nach und nach nahm Mudrich einzelne Solisten dazu: zunächst Johannes Müller am Tenorsaxofon, dann Ralph „Mosch“ Himmler an der Trompete, Kristina Brodersen am Altsaxofon und zuletzt die junge Posaunistin Alisa Klein.

Zwischendurch verließ der Bandleader überraschend die Bühne, was Müller zur Frage „ohne dich?“ veranlasste. „Muss auch mal ohne mich gehen“, meinte Mudrich dazu, der später gestand, seine Noten vergessen zu haben. Das sorgte für Heiterkeit, aber keinesfalls für einen Abbruch der musikalischen Perfektion.

Alle Protagonisten gehören zur ersten Garde der saarländischen Jazzmusiker und sind in der Jazzszene wohl bekannt – außer vielleicht Alisa Klein aufgrund ihres Alters. Umso erstaunlicher, wie locker die 29-Jährige mit den etablierten Jazzgrößen mithielt. Der erste Teil des Konzert war einzelnen Mingus-Kompositionen gewidmet, die in bewährter Jazz-Manier (Thema – Soli – Thema) aufgeführt wurden.

Spektakulärer gestaltete sich der zweite Teil des Konzerts im Festsaal des Saarbrücker Schlosses, zumal dann auch Sängerin Anette von Eichel die Bühne betrat. Sie erweiterte die Formation zum Nonett, das eine von Mudrich arrangierte Suite mit Material von Mingus aufführte.

Die Entstehungsgeschichte hat mit dem Sulzbacher Jazz-Workshop zu tun. Dort findet immer ein Nonett-Abend mit den Dozenten statt, für den Mudrich sich traditionell etwas ausdenkt. Im vergangenen Jahr kam bei dieser Gelegenheit eben eine Vorgänger-Version der Mingus-Suite zur Aufführung und so gut an, dass die Mitwirkenden beschlossen, dass das Ganze auf eine CD gehört. Gesagt, getan, das Album mit dem Titel „Beneath the Underdog“ wurde letzten Oktober in Köln aufgenommen und kam jetzt im Schloss in unveränderter Besetzung zur Aufführung.

Abgesehen von den großartigen und abwechslungsreichen Arrangements, die übrigens Anette von Eichels Stimme häufig in Bläsersatz integrierten, lebte das Werk von dem Wechsel von Tutti- und eindringlichen Solopassagen. Die gestaltete jeweils ein Musiker ganz ohne Begleitung, laut Mudrich als „Kommentierung“ des gerade gespielten Stücks und als Überleitung ins nächste.

In die Suite integriert waren „wahrscheinlich die fünf schwersten Balladen, die man sich vorstellen kann“, so der Arrangeur, die dennoch mit Bravour von Anette von Eichel interpretiert wurden: „Unfassbar, was die Anette da macht, sie ist ja auch ‚la Lady‘! Da gibt’s nicht so viele, die das können. Ich kenne tatsächlich keine, die das stemmen würde.“ Diesem Urteil Mudrichs konnte man sich bedenkenlos anschließen. Die etwa 70 Zuhörer spendeten langen Applaus, der mit einer Zugabe belohnt wurde.

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