Plädoyers in Totschlag-Prozess Vater erschießt Sohn: Oberstaatsanwalt fordert fünf Jahre Haft

Saarbrücken · Einem Familienvater aus Beckingen-Haustadt droht eine mehrjährige Haftstrafe, weil er seinen Sohn erschossen hat. Das ergibt sich aus den Schlussplädoyers von Anklage und Verteidigung im Strafprozess gegen den Rentner.

 Das Landgericht in Saarbrücken.

Das Landgericht in Saarbrücken.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Wie bestraft man einen Mann, der seinen eigenen Sohn zu Hause erschossen hat? Das Landgericht Saarbrücken will die Antwort auf diese Frage im Fall eines 66 Jahre alten Rentners am Dienstag kommender Woche verkünden. Der Mann hatte am Neujahrstag 2018 in Beckingen-Haustadt seinen Sohn (29) mit einer Pistole erschossen. Nach eigener Aussage hatte er wegen massiver Probleme mit dem Drogenabhängigen nicht mehr weiter gewusst - und geschossen. Wegen Totschlags wird dem Mann deshalb seit Ende August der Prozess gemacht. Soeben wurden die Schlussplädoyers gehalten.

Aus Sicht des Oberstaatsanwalts hat der Angeklagte sich wegen Totschlags strafbar gemacht. Er habe drei Mal auf seinen Sohn gefeuert. Das Ganze sei keine Spontantat gewesen. Der Mann habe das Haus verriegelt, damit der Sohn nicht mehr hinein kann. Dann habe er im Sessel gesessen, während die geladene Pistole auf dem Schrank lag. Als dann der Sohn ins Haus kam und es wieder Streit gab, habe er ihn erschossen. Aber: "Erschießen kann keine Lösung sein". Er hätte den Sohn mit der Waffe bedrohen und zum Gehen aufordern können. Er hätte einen Warnschuss in die Luft abgeben können. All dies sei möglich gewesen. Und wenn der Mann nur einmal geschossen hätte - der erste Schuss in den Bauchbereich war laut Gerichtsmedizin nicht tödlich - dann wäre es allenfalls um gefährliche Körperverletzung gegangen. Aber der Vater habe zwei weitere Male auf den Oberkörper seines Sohnes gefeuert und ihn damit getötet. Das sei eindeutig ein Fall von Totschlag, so der Vertreter der Anklage. Dafür sei eine Strafe von fünf Jahren Gefängnis erforderlich aber auch ausreichend.

Diese Strafe leitete der Anklagevertreter aus einem entsprechenden Hinweis des Gerichts ab, wonach im konkreten Prozess ein so genannter minderschwerer Fall des Totschlags vorliegen könnte. Dies bedeutet, dass die Richter unter Umständen eine geringere Strafe als die für Totschlag eigentlich übliche Strafe zwischen fünf und 15 Jahren Haft verhängen dürfen. Begründet wurde diese besondere Einstufung des Falles damit, dass man es "nicht mit der üblichen Form von Totschlag" zu tun habe. Täter und Opfer seien famliär und emotional verbunden. Außerdem gebe es eine Reihe von wichtigen Faktoren in der Vorgeschichte jenes Neujahrstages, die eine besondere Einstufung des Falles erforderlich machen könnten.

Auf diese Umstände ging der Verteidiger in seinem Schlussplädoyer im Detail ein. Er schilderte, wie der Sohn wegen des Konsums von Drogen und wegen einiger Schicksalsschläge immer weiter abgerutscht sei. Zuletzt habe er nicht nur die Familie sondern auch andere Menschen bedroht. Er habe Angst und Schrecken verbreitet. Er sei eine tickende Zeitbombe gewesen. Regelmäßig sei die Polizei gekommen, mehrfach sei der junge Mann in einer psychiatrischen Klinik gewesen. Aber dort sei er entlassen worden, weil er nicht als gefährlich für die Allgemeinheit eingestuft wurde. Aber der Familie habe er gedroht, das Haus anzuzünden. Er habe Sachen beschädigt, Familienmitglieder bespuckt, geschlagen, mit Füßen getreten. Zwischen Weihnachten und Neujahr sei die Situation immer weiter eskaliert. Zuletzt habe der Angeklagte allein im verrammelten Haus gesessen und voller Verzeiflung gedacht: "Er kommt wieder - aber das darf nicht sein." So habe der Rentner allein im Sessel gesessen. Mit der Waffe auf dem Schrank. Dann sei der Sohn über den Balkon ins Haus eingedrungen. Die Situation sei eskaliert. Und der Angeklagte habe geschossen. Auch aus Sicht des Verteidigers war dies ein Fall von (minderschwerem) Totschlag. Allerdings hält der Anwalt die vom Anklagevertreter beantragte fünf jahre Haft für überzogen. Er beantragte eine "mildere Strafe."

Das Gericht will sein Urteil am kommenden Dienstag verkünden. Davor sollen sich die Richter in aller Ruhe beraten. Dabei dürften auch einige Sätze des Angeklagten in der mündlichen Verhandlung eine Rolle spielen. So sagte der 66-Jährige in seinem letzten Wort nach den Plädoyers unter Tränen: "Es tut mir leid." Am ersten Tag des Strafprozesses hatte er in seinem umfassenden Geständnis außerdem gesagt: "Ich wohne immer noch in dem Haus. Und ich muss jeden Tag an der Stelle vorbei, an der mein Sohn gestorben ist."

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