Saarbrücken für Fortgeschrittene Es lebe der Krimskrams

Es ist etwas her, aber es gab eine Zeit, da waren Setzkästen in Mode. Wohl in den 80er Jahren, so genau erinnere ich mich nicht. Man hängte die Kästen an die Wand und sammelte darin alle möglichen kleinen Dinge, die einem lieb und wert waren: Schneckenhäuser, Murmeln, Glasscherben, Knettiere, Plastikschlümpfe, Fingerhüte, Zinnfiguren, Steine, Hornknöpfe, kurz Nippes, Krimkrams, Kinkerlitzchen. Kinkerlitzchen ist solch ein schönes Wort für dieses Sammelsurium! Es kommt aus dem Französischen, quincaillerie bedeutet eigentlich Eisen- und Kurzwaren, bei Letzterem findet sich ja viel, immerhin nützliches, Kleinzeug. Bric-à-Brac sagen die Franzosen auch zu Kram und Tand.

Saarbrücken für Fortgeschrittene: Es lebe der Krimskrams
Foto: SZ/Robby Lorenz

Egal, die Setzkästen waren jedenfalls toll, dann sind sie klammheimlich wieder von den Wohn- und Kinderzimmerwänden verschwunden, und dennoch musste ich kürzlich an sie denken als ich über den St. Johanner Markt ging. Zu Anfang und Ende des Marktes ist das Pflaster ziemlich dicht verfugt, die Steine eben, zur Mitte und zum Brunnen hin ist das weniger der Fall. Die Fugenmasse zwischen den Pflastersteinen ist weggebröselt, einzelne Steine schauen heraus. Zwischen ihnen findet sich Raum für allerlei der Schwerkraft gehorchende Überbleibsel  menschlicher Gegenwart und Geselligkeit: Kronkorken, Zigarettenstummel, Bonbonpapiere, Konfetti, Cent-Stücke, Federn, Glasstückchen, Heftpflaster, Strohhalme, et cetera, es ist schon erstaunlich, was sich so zu den Kopfsteinen gesellt. Die Stadtreinigung wird auch nicht immer alles erwischen.

Übrigens: Setzkästen kommen ja ursprünglich aus der Buchdruck-Branche. Als man die Buchstaben noch von Hand setzte, enthielten diese Kästen die Bleilettern einer Schriftart, in jedem Kasten immer eine spezielle Schrift. Interessant waren ihre diversen Fächer, schön ihr kunstvoller Inhalt. Schön, wie die zartrosa Rose, die zwischen den Steinen auf dem St. Johanner Markt steckt. Getrocknet und brüchig ist sie, aber noch da, in einen Spalt außerhalb der Zeit gefallen. Eine winzige papierene Mumie, ein Überrest des wöchentlichen Blumenmarktes. Demnächst wird sie der Wind aus dem großen urbanen Setzkasten pusten und Platz machen für neue Trouvaillen …

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