Kammermusikerin Dora Bratchkova Erste Geige, Konzertmeisterin, Kammermusikerin

Saarbrücken ·  Für Dora Bratchkova kam nie ein anderer Beruf infrage. „Mein Vater war Konzertmeister. Und da wusste ich schon früh, genau: Das mache ich auch“, erzählt die gerade erst zur Kammermusikerin ernannte Konzertmeisterin der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, kurz DRP.

 Konzertmeisterin Dora Bratchkova  im großen Sendesaal des Saarländischen Rundfunks.   

Konzertmeisterin Dora Bratchkova im großen Sendesaal des Saarländischen Rundfunks.   

Foto: Oliver Dietze

Dann berichtet Dora Bratchkova, dass sie als Kind viele Abende bei Konzerten ihres Vaters hinter der Bühne verbracht hat. „Das habe ich sehr geliebt“.

Dora Bratchkova stammt aus Bulgarien, aus Widin, und begann im Alter von sieben Jahren, Geige zu lernen. Später, in Sofia, absolvierte sie ein Musikgymnasium, studierte nach dem Abitur Geige bei Bojan Letschew.

Schon bevor sie ihr Studium im Jahr 1982 abgeschlossen hatte, beteiligte sie sich an internationalen Wettbewerben, gewann Preise in Italien, Moskau und Leipzig. Und sie spielte als Studentin auch beim World Youth Orchestra mit. „Das war eine ganz wichtige Erfahrung für mich. Denn dort habe ich mich ins Orchesterspielen verliebt“, schwärmt die Musikerin. Und dort habe sie wichtige berufliche Beziehungen geknüpft.

Darunter war auch der Dirigent Marcello Viotti, der sie Jahre später nach Saarbrücken empfahl. Aber zuerst wurde sie nach dem Studium eingeladen, im staatlichen bulgarischen Sliven-Quartett als Primaria, als erste Geige, mitzuspielen. Und mit diesem Quartett unternahm sie Konzertreisen in ganz Europa, zu einer Zeit, als es noch den Eisernen Vorhang gab.

„Ich erinnere mich noch gut. Wir sollten 26 Konzerte in Frankreich spielen, aber wir hatten keine Passfreigabe. Daher musste ich einen Tag vor Reiseantritt bei der französischen Agentin die Konzerte absagen. Und ich musste lügen. Ich sagte, ein Kollege sei erkrankt. Die Agentin antwortete verständnisvoll, „die Krankheit kenne ich“, erzählt sie von den Problemen der damaligen Zeit.

1988 geht Dora Bratchkova nach Italien, arbeitet als Musikpädagogin, „aber die Situation war schwierig“. Daher nimmt sie ein Vorspielen in Saarbrücken im Herbst 1990 mit Freude an. „Das war das erste und letzte Mal, dass ich vorgespielt habe“, erzählt Dora Bratchkova lachend. Denn sie wurde sofort genommen. Im Sommer 1991 zieht sie mit Ehemann und Sohn nach Saarbrücken, ist seither Konzertmeisterin beim DRP. „Ein Konzertmeister folgt in der Hierarchie eines Orchesters gleich nach dem Dirigenten. Er ist der Dispatcher zwischen dem Dirigenten und den Musikern“, erklärt Dora Brachtkova ihre Aufgabe im Orchester.

So ist sie zuständig für den optimalen Informationsfluss und ist Stimmführerin der Gruppe der ersten Violinen. „Meine Erfahrungen im Streichquartett haben mir anfangs sehr geholfen“, fügt sie hinzu. Und dann erklärt sie, dass Streichquartette von den großen Komponisten oft als Labor für die Sinfonieorchester genutzt wurden. „Die schönsten Kompositionen sind für Streichquartette geschrieben“. Daher hat Dora Bratchkova in Saarbrücken gleich wieder ein Quartett gegründet und heute ist sie Primaria des Rasumowsky Quartetts.

Neben ihrer Arbeit als Konzertmeisterin und den anspruchsvollen Aufnahmen und Konzerten mit dem Quartett ist Dora Brachtkova seit 2003 auch Professorin für Violine der Musikhochschule Mannheim. „Das ist schon viel“, sagt sie zu ihren Engagements zufrieden.

Ende November wurde sie nun gemeinsam mit fünf Kollegen des DRP zur Kammermusikerin ernannt. Das ist für sie eine große Anerkennung. „Aber zuerst war ich verwirrt. Denn wir sind Orchestermusiker und keine Kammermusiker. Aber die Bezeichnung dieser Tradition heißt Kammermusiker“, sagt sie. Und dann erklärt sie, dass diese Ehre die Bedeutung der Musik in der Öffentlichkeit zeigt.

„Dass wir hier im Saarland ein Orchester auf diesem Niveau haben, das ist schon etwas Besonderes. Das zeigt auch diese Ehrung.“ Und dann leitet sie daraus eine kühne Idee ab. „Dieses Orchester verdient einen besonderen Konzertsaal. Vielleicht ist diese Ehrung nur ein erster Schritt und auch ein Versprechen an uns?“, fragt sie und lacht verschmitzt und vieldeutig.

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