Architektur Einblicke in die Architektur diesseits und jenseits der Grenze

Saarbrücken · Im Historischen Museum Saar erfuhren die Zuhörer, wie sich die Nachkriegsarchitektur in Deutschland und Frankreich entwickelt hat.

 Kampf? Raub? Was ist da auf der Kreuzung los? Ein Stück hochspannender Kultur, ins Freie, auf die Kreuzung Mainzer Straße/Paul-Marien-Straße, verlegt.

Kampf? Raub? Was ist da auf der Kreuzung los? Ein Stück hochspannender Kultur, ins Freie, auf die Kreuzung Mainzer Straße/Paul-Marien-Straße, verlegt.

Foto: Tom Riedel

Eigentlich war das Thema sehr speziell, fast schon etwas sperrig. Denn es ging am Donnerstagabend in einem Vortrag im Historischen Museum am Schlossplatz um die „Architektur diesseits und jenseits der Grenze 1945 bis Ende der 1960er Jahre“.  Trotzdem kamen über 50 Zuhörer, sie sich dafür brennend interessierten, darunter auch einige ausgewiesene Kenner zum Thema Architektur in Saarbrücken.

Der Vortrag der promovierten Kunsthistorikerin Ingeborg Besch und des Architekten Jean Marie Helwig fand in Kooperation mit der Deutsch-Französischen-Gesellschaft und auf Einladung des Historischen Museums an ungewohntem Ort statt, nämlich mitten in den Überresten der Ausstellung „Prominente Menschen aus dem Saarland“. Ingeborg Besch erklärte den Gästen dann auch gleich zu Beginn, dass es die Absicht war, mit diesem Vortrag Neugier zu wecken, denn im September wird der Deutsche Werkbund Saarland eine Ausstellung zu diesem Thema im Pingusson-Bau eröffnen.

Um die Besonderheiten der Architektur der 50er Jahre zu verstehen, gab die versierte Kunsthistorikerin eine kleine Einführung und brachte es knackig auf den Punkt. „Um die Jahrhundertwende hat die moderne Architektur tief Luft geholt, dann in den 1940er Jahren die Luft angehalten, in den 50er Jahren geatmet und in den 60er Jahren gehechelt“. Sie konzentrierte sich anschließend auf den Siedlungsbau der Nachkriegszeit und hier ganz entscheidend auf die Folsterhöhe in Saarbrücken. „Man sieht hier das Serielle in der Architektur“, erklärte sie, indem sie auf die immer gleichen Balkone und Lichtbänder in der sparsamen Plattenbauweise verwies. Diese Platten wurden 1962 von der Firma Camus-Ditsch in Forbach hergestellt. So konnten damals innerhalb von knapp zwei Jahren 948 Wohnungen in einem 16-geschossigen Wohnhaus, zwei 13-geschossigen Gebäuden sowie zwei neun- und vier sechsgeschossigen Wohnhäusern errichtet werden.

Um sich für den Vortrag vorzubereiten, hat Ingeborg Besch das Viertel mehrfach besucht. Und so konnte sie ganz eigene Erfahrungen berichten. „Die Folsterhöhe war seinerzeit ein beliebtes Wohngebiet für Familien mit Kindern. Obwohl sie heute stigmatisiert ist, leben viele Menschen gerne dort. Es ist grün, es gibt Spielplätze, es ist fast wie ein großes Dorf.“ Auf Fotos zeigte sie die Erfolge der Sanierungen, die zur Erhaltung der Bausubstanz notwendig waren. „Dabei sind die alten Kacheln an den Wänden verschwunden. Aber um das zu imitieren, wurden die Gebäude farblich gestaltet“, erfuhren die Zuhörer. Nur die Enge der Laubengänge im 13. Stock, über die man die Wohnungen erreicht, habe sich nicht geändert.

 Die Alt-Saarbrücker Siedlung Folsterhöhe entstand Anfang der sechziger Jahre und war vor allem für Familien mit Kindern attraktiv.  

Die Alt-Saarbrücker Siedlung Folsterhöhe entstand Anfang der sechziger Jahre und war vor allem für Familien mit Kindern attraktiv.  

Foto: Ingeborg Besch

Bei Jean Marie Helwigs Vortrag wurde es für die Gäste etwas schwieriger, genau zu folgen. Das lag auch an den Details der gezeigten Abbildungen, die  insbesondere für die Zuhörer in den hinteren Reihen zu klein waren. Trotzdem erfuhr man Spannendes aus der Architekturgeschichte Frankreichs. Neben einigen Erläuterungen zum Siedlungsbau in Forbach zeigte Jean Marie Helwigs Fotos aus den 1920er und 30er Jahren, die offenbarten, dass die französische Architektur dieser Zeit ornamentaler war als in Deutschland. Insbesondere das Pariser Palais de Chaillot von Louis-Hippolyte Boileau wurde von ihm thematisiert. Mit diesem Gebäude verglich er den Pingusson-Bau. „Pingusson hat mit der langen Außentreppe den Garten integriert“, berichtete er. Und er schloss seinen Vortrag in deutscher Sprache mit der französischen Zusammenfassung, dass die ehemalige französische Botschaft von einer Modernität sei, „avec un goût du Palais de Chaillot“.

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