Kirchenvertreter debattierten in Dudweiler mit Politikern Diskussion über Missbrauch ohne die Opfer

Dudweiler · Kirchenvertreter und Saarbrücker Politiker debattierten in Dudweiler über den Umgang der katholischen Kirche mit dem Kindesmissbrauch.

 Foto: Dieter Steinmann

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Die Podiumsdiskussion über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche am Dienstagabend in der Kultgießerei Dudweiler war letztendlich eine „geschlossene Gesellschaft“. Es waren weder vom Missbrauch Betroffene noch Vertreter von Vereinen oder Verbänden, die sich für die Interessen der Missbrauchsopfer einsetzen, eingeladen. Die Veranstaltung, die im Rahmen der Ökumenischen Kirchentage stattfand, wurde von Wolfgang Drießen, dem Rundfunkbeauftragten der katholischen Kirche, moderiert.

Den Kreis der Diskutierenden bildeten Dr. Andreas Zimmer und Ulrike Laux, beide vom Bistum Trier und zuständig für Präventionsarbeit im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen, Ulrike Zuda Tietjen, ehemalige Jugendreferentin, die maßgeblich an der Entwicklung des Präventionskonzepts beteiligt war, der Dudweiler Bezirksbürgermeister Ralf Peter Fritz (CDU) sowie Tobias Raab (FDP), Dezernent für Wirtschaft, Soziales und Digitalisierung.

Die Ankündigung des Moderators Drießen, das Publikum bei den anstehenden Diskussionen um die Missbrauchsfälle außen vor zu lassen, stieß vor allem bei Hermann Schell, einem Vertreter von Missbrauchsopfern im Verein MissBit (Mißbrauchsopfer & Betroffene im Bistum Trier) auf Unverständnis. „Wieder dreht sich die Kirche nur um sich selbst und beweist damit, dass es lediglich um ihr Ansehen nach außen und nicht um die Opfer geht“, sagte Schell der SZ. „Hier und heute abend haben sie schon wieder eine Chance verpasst, die ungeheuerlichen Vorfälle ernsthaft aufzuarbeiten. Ich bin erzürnt und enttäuscht zugleich. Diese Veranstaltung hätte ich nicht wirklich besuchen müssen.“ Schell war nach eigenen Angaben nicht eingeladen, etwa als Vertreter der Opfer auf dem Podium Stellung zu beziehen.

 In der eineinhalbstündigen Diskussion erörterten die Teilnehmenden  neben der Frage, wie es überhaupt zu den vielen Missbrauchsfällen kommen konnte, und ob gerade die hierarchische Struktur der Kirche diese begünstigen würde, auch Fragen zum Zölibat, zu der Stellung der Frauen in der Kirche und der Einstellung zu Homosexualiät und Sexualität überhaupt. Weiterhin nahmen die seit 2010 in Angriff genommenen Präventionsbemühungen einen breiten Raum ein.

Dabei sahen  alle Befragten das Zölibat als  „nicht mehr zeitgemäß an“, wie insbesondere Ralf Peter Fritz und Tobias Raab betonten. Raab ging auf die Frage des Moderators, ob jemand wohl Probleme damit hätte, dass ein Pfarrer verheiratet wäre, noch weiter: „Natürlich nicht. Ich hätte auch kein Problem mit einer homosexuellen Frau als Pfarrerin.“ Auf die Frage, ob die Kirche inzwischen alles Nötige für die Missbrauchsopfer getan habe und was die Opfer vor allem benötigten, fielen die Antworten differenzierter aus. Dr. Andreas Zimmer verwies darauf, dass die Kirche zu lange die Schuld den Opfern zugeteilt habe. „Lange hat die Kirche versucht, den Mantel des Schweigens über das Thema auszubreiten und immer nur dann reagiert, wenn es denn gar nicht mehr anders ging. Das Schweigen mussten letztendlich die Opfer selbst brechen.“

Tobias Raab, von Haus aus Jurist, bemängelte außerdem, dass die katholische Kirche sowohl bei Personalfragen und bei der Strafverfolgung erhebliche Defizite aufgewiesen habe. „In der Kommunalpolitik wäre diese Vorgehensweise erst gar nicht möglich gewesen.“ Laux und Tietjen forderten noch mehr Sensibilität im Umgang mit den Opfern. „Es geht vor allem darum, den Opfern zuzuhören, ihnen und auch den Angehörigen so oft als möglich die Gelegenheit zu geben, das eigentlich Unaussprechbare irgendwann auszusprechen“, sagte Ulrike Laux, die im täglichen Umgang mit Kindern und Jugendlichen häufig noch diese Sprachgrenze erkennt. „Daran muss weiter gearbeitet werden. Und ich wünsche mir von den jetzt schon in dieser Tätigkeit engagierten Menschen, dass sie weiter daran arbeiten und trotz aller Widerstände den Mut nicht verlieren mögen.“

 Das Zölibat für katholische Priester ist nicht mehr zeitgemäß. Darin waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion in der Kultgießerei Dudweiler einig.

Das Zölibat für katholische Priester ist nicht mehr zeitgemäß. Darin waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion in der Kultgießerei Dudweiler einig.

Foto: Dieter Steinmann

Ulrike Zuda Tietjen  forderte ein sozialpädagogisches Konzept zur Stärkung der Kinder und Jugendlichen. „Kinder müssen sicherer und stärker werden. Dafür braucht die Kirche selbst Hilfe von außen, von professionellen Beratern und Mitarbeitern.“ Alles in allem gute Vorsätze und Vorschläge, die an diesem Abend aufgezeigt wurden. Allerdings behaftet mit dem Makel, dass die wirklich Betroffenen nicht gehört wurden.  

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