Große Orgeln in unserer Region „Man müsste einen Michelin für Orgel erfinden“

SAARBRÜCKEN · Warum Basilika-Kantor Bernhard Leonardy überzeugt ist, dass seine Orgel mindestens drei Sterne bekäme.

 Die schöne Orgel der Basilika St. Johann und ihr Organist Bernhard Leonardy.

Die schöne Orgel der Basilika St. Johann und ihr Organist Bernhard Leonardy.

Foto: KERSTIN KRAEMER

„Diese Orgel mit ihrer italienischen, französischen und spanischen Provenienz ist ein Kompendium der europäischen Orgelkunst – sie ist ein Wunderwerk der Technik.“

Spricht Bernhard Leonardy von der Orgel der Basilika St. Johann, dann gerät er augenblicklich ins Schwärmen. Der Leiter des Vokalensembles ’83 und Intendant der Musikfestspiele Saar wurde 1990 Organist und Kantor der Basilika. Das im Herzen Saarbrückens beim St. Johanner Markt beheimatete Gotteshaus wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts nach Plänen und unter Leitung von Friedrich Joachim Stengel erbaut und anno 1975 zur Basilika erhoben. Damals entstand auch die Orgel der Bonner Firma Klais, die inzwischen von der saarländischen Orgelschmiede Hugo Mayer erweitert wurde.

Zur Vorgeschichte: „Gesichert ist eine Klais-Orgel aus dem Jahr 1933, mit herrlich romantischen Stimmen, von denen wir gut ein Drittel noch in der heutigen Orgel erleben können“, so Bernhard Leonardy. „Leider war der damals favorisierte moderne Orgelprospekt mit dem barocken Inneren der Kirche wenig kompatibel – ein typisches ‚Spargelbeet‘, eine Anlage freier Orgelpfeifen ohne Gehäuse. Bei der Neufassung der Orgel 1975, der Zeit der Rückführung der Basilika auf die Originalvorgabe von Stengel, wurde daher tatsächlich von einem genialen Würzburger Meister ein komplett neues barockes Gehäuse nachgeschnitzt.“

Der Basilika-Kantor verweist auf Parallelen zu einer anderen illusteren Saarbrücker Kirche: „Wenn man genau hinschaut, erkennt man daher den identischen Prospekt zur Ludwigskirche, lediglich die äußeren Harfenfelder haben einen nach innen führenden Schwung.“

Das Basilika-Instrument, das er bei seinem Amtsantritt vorfand, charakterisiert Leonardy als „italienisch barocke Orgel“: „Der damalige Organist Theodor Klein, bekannt als großer Italien-Kenner, hatte hier in einem sehr qualitätvollen historisierenden Orgelwerk seine Spuren hinterlassen.“

Die stilistischen Möglichkeiten freilich seien beschränkt gewesen: „Bach ging wunderbar darauf, immer mit einem spirito italiano; bei Mendelssohn aber schon ging die romantische Puste aus und alles klang wie auf einer kleinen italienischen Dorforgel – was gleichwohl klanglich auch sehr zu Herzen gehen kann.“

Der neue Organist legte sich ins Zeug. „Zehn Jahre habe ich um eine Erweiterung in Richtung eines kompletten französischen Menüs mit dem Kirchenvorstand und dem Pfarrer gekämpft“, so Leonardy. „Heute steht dem kompletten Drei-Sterne-Menü von César Franck über Charles Marie Widor bis zu Olivier Messiaen nichts mehr im Wege – man müsste einen Michelin für Orgel erfinden.“

Fünf Manuale besitze die Basilika-Orgel („wie in den größten Kathedralen der Welt“), so der Hausorganist. „Das Besondere ist die sehr behutsame Intonation der einzelnen Register.“ Und erst die Power! „Würde man alles herauskitzeln aus der Orgel, könnte man die Orgelmatinee noch am Saarufer miterleben – gleichwohl wäre das in der Pandemie-Zeit vielleicht von Vorteil.“

Niemand könne sich dieser Orgel entziehen, so Leonardy. „Man ist durch die Raumklanganlage auf gleich drei verschiedenen Emporen unmittelbar im Zentrum des Klanges; die tiefen Schwingungen lassen einen selbst mit vibrieren.“ Bei aller „majestätischen Größe und pompösen Klanggestalt einer Orgue héroique“ komme auch der Humor nicht zu kurz.

Stolz erklärt der Basilika-Musikus die Extras „seiner“ Königin der Instrumente: „Wir haben eine Nachtigall, die gar nicht so elegant singt, sondern eher mit Saarbrücker Akzent. Außerdem ein amerikanisches Glockenspiel für zahllose Tränen bei der Stillen Nacht; einen Kuckuck, der immer in F-Dur seine Bitonalität pflegt, und einen Zimbelstern für strahlend lachende Gesichter der Zuhörenden.“

Und als Sahnehäubchen „ein wirklich heiliges Register, die Voix Humaine in honorem Johannes Paul II.“ Leonardy: „Papst Benedikt empfing uns mit den gesamten Pfeifen in Rom, segnete sie. Und tatsächlich, sie klingen wie aus einer anderen Welt, so mystisch, wie ich noch kein solches Register gehört habe – ein echter Trostspender.“

Wen wundert’s, dass die Organistenzunft starkes Interesse bekundet: „Alle waren sie fast schon hier, die Stars aus den großen Kathedralen der Welt“, sagt Leonardy. Was aber viele nicht wissen: „das neue Herz der von der saarländischen Orgelmanufaktur Hugo Mayer erweiterten Orgel ist das Schwellwerk der berühmten Cavaille-Coll-Orgel der Église Notre Dame aus Metz.“

Mit Metz arbeitet Leonardy als künstlerischer Häuptling des Orgelmusikfestivals „Orgues sans frontières – Orgel ohne Grenzen“ eng zusammen. „In meinen Augen ein ganz wichtiger Kulturbaustein in der Grenzregion“. Ähnlich wie Leonardys halbstündige Basilika-Orgelmatinee samstags um 11.30 Uhr. Und auch davon schwelgt der Kantor, der sich auf der Orgelbank besonders für Improvisationen im Stil von Olivier Latry, Thierry Escaich, Philippe Levebvre oder Jean Guillou begeistern kann, in Superlativen. „Ein solches Angebot gibt es nicht einmal in den größten europäischen Metropolen. Meinem tollen Team rund um meine Assistentin Susanne Kugelmeier sei hier Dank. Viele Menschen lassen ihre Seele berühren mit den raschelnden Einkaufstüten voller Brokkoli; das Angebot ist einzigartig.“

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