vorbericht „Wir müssen nur unserer Fantasie vertrauen“

Saarbrücken/Homburg · Das Programm für die neue Saison im Kleinen Theater im Rathaus Saarbrücken steht. Thomas Altpeter hat wieder viel Fantastisches ausgewählt.

 „Das 2te Ich“ ist eines der Stücke für Erwachsene, die in der kommenden Saison im Kleinen Theater im Saarbrücker Rathaus zu sehen sind. Das Figurentheater Tübingen bringt ein Traumfragment von Walter Benjamin mit Figuren auf die Bühne.

„Das 2te Ich“ ist eines der Stücke für Erwachsene, die in der kommenden Saison im Kleinen Theater im Saarbrücker Rathaus zu sehen sind. Das Figurentheater Tübingen bringt ein Traumfragment von Walter Benjamin mit Figuren auf die Bühne.

Foto: Julia Pogerth

„Wir alle werden verrückt geboren. Manche bleiben es.“ Dieses Zitat Samuel Becketts steht literarisch Pate für die Spielzeit 2020 im Kleinen Theater im Rathaus. Thomas Altpeter, seit dem Jahr 2009 künstlerischer Leiter des renommierten Saarbrücker Figurentheaters, rückt in der kommenden Saison das Groteske und das Verhältnis des Menschen zum Irrationalen in den Mittelpunkt des Programms.

Dabei lässt er außer Beckett, dessen berühmtestes Stück „Warten auf Godot“ übrigens auch zur Aufführung gelangt, nämlich in einer Inszenierung des bekannten Figurentheaters „Gingganz“ aus Göttingen (21. März), noch andere Klassiker der Moderne zu Wort kommen – etwa Franz Kafka, Walter Benjamin oder Oscar Wilde.

Oder Antoine de Saint-Exupery: Dessen „Kleiner Prinz“ (2. Mai) läuft in einer Inszenierung des weltweit tourenden Figurentheaters Petra Schuff aus Alpenrod ebenfalls im samstagabendlichen Erwachsenenprogramm (jeweils 19.30 Uhr), das den Stellenwert von Figurentheater als ambitionierte Gegenwartskunst betont.

Daneben bringen die gastierenden Ensembles aber auch originelle eigene Erfindungen mit. Diesmal kommen die Theatergruppen nicht nur aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands, sondern auch aus der Schweiz, Österreich, Frankreich und sogar Dänemark.

Und weil Altpeter es sich zur Aufgabe gemacht hat, das gesamte Spektrum der traditionsreichen Kunst des Figurentheaters zu zeigen, können die Zuschauer erneut die unterschiedlichsten Formen des Puppenspiels erleben: vom Marionetten- und Handpuppentheater bis hin zur Auseinandersetzung mit performerischen Elementen.

„Im Grotesken trifft das Lächerliche auf das Wunderbare“, erläutert Thomas Altpeter das Spielzeitmotto. „Die Welt ist Mysterium und Zirkus zugleich; die Träume dringen in die Wirklichkeit und geben Rätsel auf.“ Diese Nähe zum Traum sei, so Altpeter, im Figurentheater a priori angelegt: „Wie jener wird es von Assoziationen und von Symbolik bestimmt. Manchmal sind es nur sparsame Zeichen, die sich in unseren Köpfen zur Welt verdichten. Hier ist alles möglich – wir müssen nur unserer Fantasie vertrauen.“

Das Kleine Theater öffnet seine Pforten also für surreale Welten. Da greifen etwa überirdische Wesen ein, wie im Eröffnungsstück „Die Macht des Schicksals“ (29. Februar), wo ein Grimm‘scher „Hans im Glück“ zwei irrwitzigen Engeln begegnet. Oder die himmlische Hilfe bleibt aus und wird vergeblich erwartet: Man malt sich aus, wie etwas sein könnte, doch die eigenen Wünsche geraten aus den Fugen und wenden sich gegen einen. „Letzten Endes“, sagt Altpeter, „ist der Narr der Weise. Dass dabei die Grenzen zwischen Komödie und Tragödie verschwimmen, entspricht ganz der Ästhetik des Figurentheaters, das ursprünglich ja einmal eine Jahrmarktskunst war und heute oft auch nach den letzten Dingen fragt.“

Von Angst, Überforderung und Schweigen angesichts einer schlimmen Krankheit erzählt denn auch das Theatrium Figurentheater (Steinau) in „Oskar und die Dame in Rosa“ (14. März) nach dem Buch von Eric-Emmanuel Schmitt. Doch während sich diese Geschichte als Hymne auf das Leben entpuppt, geht es beim Hohenloher Figurentheater aus Herschbach, das zu den traditionsreichsten professionellen Figurentheatern im deutschsprachigen Raum gehört, tatsächlich um Tod und Mord: Seine Produktion „Varieté Olymp“ (25. April) ist Liebesgeschichte, Drama und Krimi zugleich.

Und beim letzten Abendtermin vor der Sommerpause ist dann mit „Das 2te Ich“ (16. Mai) ein Traumfragment von Walter Benjamin zu erleben: ein silvesterliches Spelunken-Spiel zwischen Traum und Wirklichkeit in einer Fassung des Figurentheaters Tübingen, eines freien Ensembles um den Figurenspieler, Figurenbauer und Regisseur Frank Soehnle.

Die Sonntagnachmittage gehören wie gehabt den Familienvorstellungen um 15 Uhr für Jungen und Mädchen verschiedenen Alters. Da kann man bei selbst entwickelten Produktionen oder originellen (Märchen-)Bearbeitungen Feen, Hexen, Wichteln, Elfen, Traumfresserchen und kleinen Angsthasen begegnen; kann aber auch echte Bären, den Hund Josef, den Wolf und die sieben Geißlein sowie ein etwas abenteuerlustiges Lupinchen treffen.

 Für die Kinder kommen die Figurenspieler sonntags ins Kleine Theater und bringen zum Beispiel die sieben Geißlein mit.

Für die Kinder kommen die Figurenspieler sonntags ins Kleine Theater und bringen zum Beispiel die sieben Geißlein mit.

Foto: Mechthild Nienaber

Die Saisoneröffnung ist am Samstag, 29. Februar, 19.30 Uhr, mit „Die Macht des Schicksals“.
www.kleines-theater-rathaus.de

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