Auftakt-Konzert In dieser Muschel ist viel Musik drin

Saarbrücken · Beim Konzert von An Erminig im Deutsch-Französischen Garten hielt es das Publikum nicht allzu lange auf den Sitzen.

  Endlich wieder Live-Kultur. Auch wenn es mit Abstand genossen werden musste, waren die Fans der Gruppe An  Erminig doch froh, sie mal wieder im Konzert zu erleben, und später wagten einige auch noch ein  Tänzchen.

Endlich wieder Live-Kultur. Auch wenn es mit Abstand genossen werden musste, waren die Fans der Gruppe An  Erminig doch froh, sie mal wieder im Konzert zu erleben, und später wagten einige auch noch ein  Tänzchen.

Foto: Krämer/Kerstin Kraemer +49/(0)177-1961209

„Die Muschel rockt!“ Will uns das sagen, dass nun auch schon Meeresmollusken zur E-Gitarre greifen? Nein, so heißt eine neue Open-Air-Reihe des städtischen Kulturamts in der Konzertmuschel des Deutsch-Französischen Gartens (DFG): Die Termine, kuratiert von Norbert Küntzer, bieten jenen lokalen Bands, die für das Covid19 zum Opfer gefallene Altstadtfest gebucht waren, ein Ersatzforum.

Paradox, dass ausgerechnet der Auftakt am Dienstag mit Rock so grad gar nichts zu tun hatte: Es spielten „An Erminig“, die Saar-Bretonen vom Dienst – mit 45 Jahren auf dem Band-Buckel sind die franko-keltischen Folkies, die sich nach dem bretonischen Wappentier Hermelinchen benannt haben, zugleich eine der dienstältesten Formationen der Region.

Ihr Auftritt lockte über 200 Zuhörer, die sich zuvor anmelden mussten: Bei strahlendem Sonnenschein hockte man auf Abstand weitläufig verteilt auf dem gepflasterten Vorplatz, aber gottlob nicht auf dem Trockenen: Labende Feuchtigkeit spendet, nebst sättigender Verpflegung, das Team von Oliver Häfeles Lesepavillon, dem gastronomischen Kooperationspartner direkt vor Ort.

Fein heraus geputzt zum diesjährigen 60. Geburtstag des DFG präsentiert sich die musikalische Muschel nun akustisch optimiert: Verschachtelt angeordnete Reflektoren mit bestechender Ähnlichkeit zu Satellitenschüsseln zieren die innere Kuppel; im unteren Bereich ist das Halbrund jetzt mit klangverbessernden Kassetten vertäfelt. „Unsere Elbphilharmonie!“ schwärmte Carmen Dahms, Leiterin des Grünamts, das mit der Kultivierung des DFG betraut ist.

„Wir können stolz sein, dass wir eine so tolle Parkanlage haben, an der deutsch-französischen Grenze!“ trumpfte auch Kulturdezernent Thomas Brück auf und wies schon mal vorsorglich auf eine weitere Ersatz-Konzertreihe des Kulturamts hin: Von August bis September läuft in besagter „Saarphi“ und an anderen Orten die „Kleine Abendmusik“, die sich müht, die ausgefallene Sommermusik und die ebenfalls gestrichenen Serenaden im Innenhof der Stadtgalerie zu kompensieren.

An Erminig, die hier ihr neues Programm „Plomadeg“ nebst gleichnamiger CD vorstellten, spielten sich mit einem musikalischen Gruß an Saarbrückens bretonische Partnerstadt Nantes warm. Dass sich die Hermeline eingangs untereinander noch nicht ganz einig schienen – was Wunder: „Auch für uns ist das eine Premiere“, bekannte Gitarrist Hans Martin Derow. „Es ist unser erstes Konzert nach der Corona-Pause – seit Februar!“

Doch dann flutschte alles wie von der näselnd quäkenden Drehleier gedudelt. Das aktuelle Album greift die Tradition der fahrenden Sänger und Musikanten der Bretagne auf und erzählt in (Tanz-)Liedern und Balladen heitere, bewegende und traurige wahre Begebenheiten aus dem Alltag früherer Zeiten.

Bei den typisch vertrackten und doch eingängig wiederholten Rhythmen mit authentisch traditionellen Instrumenten wie Harfe, Akkordeon, Flöte und Rahmentrommel kam rasch Fest-Noz-Stimmung auf: Es dauerte nicht lange, und es formierten sich Reigentänzer, die – Corona hin oder her – einander treuherzig an den Händen fassten.

Bald musste eine kurze Pause zum Stimmen der Instrumente eingelegt werden, weil die „in der Sonne lange Zähne kriegen“: So meinte Hans Martin Derow, der sich die Moderation mit seinem Bruder und Leadsänger Andreas und Barbara Gerdes, beides Multiinstrumentalisten, teilte (an Percussion und Bass: Amby Schillo und Thomas Doll).

Der Titelsong „Plomadeg“ erzählt übrigens vom „Abflämmen der Felder“ und davon, wie Menschen bei einem der üblichen Feste danach nachweislich an verdorbener Milch verstarben. Dass die Nachwelt lieber eine Kröte dafür verantwortlich machte, beweist, dass die Sehnsucht nach mystifizierenden Fake News ebenfalls Tradition hat.

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