Stimme der Saar-Kunstszene „Zeit auf der Erde geht für mich dem Ende zu“: Bedeutende saarländische Künstlerin Monika Schrickel ist tot
Saarbrücken · Die saarländische Kunstszene verliert eine ihrer engagiertesten Mitstreiterinnen. Am Dienstag verstarb die Künstlerin Monika Schrickel (82) – und verabschiedete sich kurz zuvor mit einem ungewöhnlichen Post auf Facebook.
Klare, mutige Worte: „Die Zeit auf der Erde geht für mich dem Ende zu.“ So beginnt der Facebook-Post, den die Künstlerin Monika Schrickel (82) am Dienstagnachmittag sendete und der bei Vielen neben Betroffenheit auch Überraschung auslöste. Denn dass Schrickel krank war, an einer Blutkrankheit litt und bereits zehn Jahre lang regelmäßig Bluttransfusionen brauchte – die Öffentlichkeit wusste es nicht. Vielmehr nahm man die Künstlerin, die über Jahrzehnte vor allem als Stimme der hiesigen Kunstszene wahrnehmbar war, bis ins hohe Alter als starke Frau wahr. Freilich als eine, die weder von ihrer eigenen Kunst noch von ihren Ämtern jemals großes Aufhebens machte, ganz selbstverständlich Aufgaben und Verantwortung übernahm, sei es als Vorsitzende des BBK-Landesverbands (Bundesverband Bildender Künstler), als Geschäftsführerin und Vorstandsmitglied des Saarländischen Künstlerhauses oder als Mitglied der Saarbrücker Kunstkommission.
Abschiedsnachricht von Monika Schrickel auf Facebook
„Mit einem Strahlen im Gesicht“ sei sie „hinübergeschwebt“, hört und liest man jetzt von ihrem Sohn Ralph. 20 Kommentare unter dem Post konnte er seiner Mutter noch vorlesen, bevor sie starb. Schrickel selbst hatte die Facebook-Nachricht nicht mehr schreiben können, der Sohn übernahm es und erzählt, dass seine Mutter, die nach einem Sturz Ende des Jahres 2021 nicht mehr allein in ihrem Haus in Saarbrücken hatte leben können, vor etwa vier Wochen entschieden hatte, dass sie keine Transfusionen mehr wünsche. „Ich habe mehr geschaffen und geschafft, als ich selbst jemals gedacht hätte“, habe sie gesagt und einen „Schlusspunkt“ gewünscht. Für eine Künstlerin, die sich in den vergangenen 25 Jahren mit der Philosophie von Schriftzeichen auseinandersetzte, kein belangloser Begriff. Denn nichts hält man sich damit offen.
Start mit der Künstlerinnengruppe Saar
1969 begann Schrickels künstlerischer Werdegang. Die gelernte Krankenschwester belegte 1969, zehn Jahre, nachdem die in Bautzen (Sachsen) Geborene zusammen mit ihrem Mann Horst nach Hannover und dann nach Homburg gekommen war, Abendkurse bei Willi Spiess. Ein sehr frühes kubistisch anmutendes Werk aus dieser Zeit hat die Künstlerin im Facebook-Post mitgeschickt – eine gänzlich unbekannte Seite. Denn Schrickel, das war zunächst mal die feministisch Bewegte, die 1985 als Mitbegründerin der „Künstlerinnengruppe Saar“ bekannt wurde, die in der Homburger Galeristin und CDU-Kulturpolitikerin Monika Beck ihr PR-Zugpferd hatte und bis ins Frauenmuseum Bonn vorstieß (Saarabande, 1988).
Schrickels Thema war die Schrift
Vordringlich war Schrickel später aber die Schrift-„Magierin“, die die Ästhetik alter Zeichen- und Schriftbilder in „offenen Büchern“ oder in „Schriftungen“ auf seidenfeinen, transparenten Japanpapieren festhielt, etwa 2014 in der Saarbrücker Johanneskirche. So zart und poetisch Schrickels Kunstwerk wirkten, desto stärker prägte sich diese singuläre Position ein, zumal sie sich durch keinerlei Moden verschob. Erst im Alter von 76 Jahren vollzog sich eine Veränderung, ausgelöst durch den Tod ihres Mannes nach 50 Jahren Ehe. Die Trauer verarbeitete Schrickel in leise colorierten, hellen Traumlandschaften („Janniyswet. Die andere Welt“, Rathaus Kleinblittersdorf).
Teilnahme an Landeskunstausstellungen
Seit dem Jahr 2000 fehlte Schrickel in keiner Landeskunstausstellung, die Liste ihrer Editionen und Gruppenausstellungen insbesondere im Saarland ist endlos lang. Doch zu einer großen Einzelausstellung kam es nie. Den Durchbruch, den dicken Erfolg, hat Schrickel nach Aussagen ihres Sohnes allerdings nie vermisst. Denn Kunst war für Schrickel, die noch eine Buchhalter-Lehre machte, nicht die ökonomische Basis ihres Lebens, eine Künstlerinnen-Karriere erschien weder als realistisches noch familientaugliches Ziel. Schrickel selbst erklärte das in einem SZ-Interview so: Sie habe ihr Leben im „Drittelformat“ verbracht. Nur 30 Prozent gehörten der Kunst, 30 Prozent Mann und Sohn und 30 Prozent dem Job. Umso erstaunlicher ihr Werdegang, der sie nie der eigenen Kunst entfremdete und sie über Jahrzehnte in die Position einer Sprecherin für andere Künstler und Künstlerinnen brachte.
Trauerfeier für Monika Schrickel am 13. Mai
Diese zeitliche und persönliche Aktionsfreiheit war hart erkämpft, in den für Frauen ihrer Generation typischen Emanzipations-Konflikten auch in der Ehe, durch eine „Zerrissenheit“, die irgendwann auch nervlich zum Zusammenbruch führte, das berichtet ihr Sohn Ralph. Doch ganz am Ende stand da eine wahrlich Souveräne. Das beglaubigt das von ihr bestimmte unsentimentale Abschieds-Szenario. Es beglaubigt einen Satz, den sie ebenfalls in einem Interview mit der Saarbrücker Zeitung formulierte: „Mir selbst muss meine Kunst gefallen!“
Eine Trauerfeier für Monika Schrickel ist für 13. Mai, 15 Uhr, in der Saarbrücker Johanneskirche geplant. Es soll auch eine Ausstellung ihrer Werke geben.