Der Hirsch wird bekommt mörderische Kultur Der Blaue Hirsch hat einen neuen Herrn

Saarbrücken · Die Agentur Erlebnisraum baut in St. Arnual einen Theater-Event-Betrieb. Kultur ganz ohne Unterstützung ist aber nicht möglich, sagt Agentur-Chef Julian Blomann.

 Julian Blomann im Tearoom der Baker Street. Das Gasthaus in der Mainzer Straße schließt er in ein paar Wochen. In St. Arnual, im alten Gasthaus Zum Hirsch, wird seine Agentur Erlebnisraum keinen täglichen Kneipen-Betrieb mehr anbieten. 

Julian Blomann im Tearoom der Baker Street. Das Gasthaus in der Mainzer Straße schließt er in ein paar Wochen. In St. Arnual, im alten Gasthaus Zum Hirsch, wird seine Agentur Erlebnisraum keinen täglichen Kneipen-Betrieb mehr anbieten. 

Foto: BeckerBredel

Wer dieser Tage am Theater „Blauer Hirsch“ in St. Arnual vorbei kommt, sieht Gerüste, hört Gehämmer und betritt ein Gebäude im Umbau-Zustand. Zwischen Schutt und außer Dienst gestellter Theke in Eiche rustikal treibt sich Julian Blomann rum. Der Chef der Agentur Erlebnisraum ist derzeit auch eine Art Bauleiter, und seine PR- und Organisations-Frau Antonia Seiler hat einen neuen Zweitjob als Hinter-Handwerkern-her-Telefoniererin.

Der Hintergrund: Die Agentur Erlebnisraum, die unter anderem das Jagdschloss Karlsbrunn und (noch) das Gasthaus Baker Street in der Mainzer Straße betreibt, hat das über 100 Jahre alte Gasthaus Zum Hirsch nebst großem Theaterraum gekauft. Viele Jahre hatte der Kabarettist Hans Beislschmitt hier sein Theater Blauer Hirsch, in dem u.a. Elfriede Grimmelwiedisch gern gastiert, und früher auch so manches andere Gastspiel lief. Jetzt hört er auf, und Blomann und sein Team haben den wie sie finden idealen Ort gefunden für ihre Agentur und ihre Mischung aus kommerzialisierbarer Kultur und Herzenskultur mit Zuschuss-Bedarf.

Aber dieser Ort wird erstmal komplett renoviert. Der große Theatersaal bleibt, aber sonst wird alles anders. Keine täglich geöffnete Kneipe wird es mehr geben, sondern nur noch Veranstaltungen. Und zwar sowohl die Krimi-Dinners, mit denen Erlebnisraum sich auch finanziert, als auch mal Hochzeiten und große Feiern. Also sozusagen die Grundnahrungsmittel des Kultur-Unternehmens Erlebnisraum. Aber Blomann will auch Theater hier haben, Literatur und Jazz. „ich will ein Mischprogramm“, sagt er, in dem das eine das andere mitfinanziert.

Die Jazz-Sessions, die seit Jahren im Blauen Hirsch stattfinden, sollen bleiben. Das legendäre Pub-Quiz wird von der Baker Street hierher umziehen. Ebenso will er den Theatersaal für Produktionen freier Gruppen zur Verfügung stellen - natürlich nur an  Tagen, an denen nichts geplant ist. „Aber große Events werden ja Monate im Voraus gebucht“, meint er. Also genug Vorlauf, um etwa einer Theatergruppe rechtzeitig freie Termine für Auftritte zu nennen.

Julian Blomann und das Team von Erlebnisraum sind Vertreter einer neuen Generation von Kultur-Veranstaltern. Sie produzieren Unterhaltungs-Kultur – „die Krimi-Dinner sind die Basis, von der wir leben“ – und versuchen, dazu Kultur zu mixen, die tendenziell keinen Gewinn abwirft. Blomann  und Seiler wären auch durchaus nicht abgeneigt, dem Musik-Kabarett, das bekanntlich sein Zuhause im Hotel Leidinger verliert, im Hirsch neuen Raum zu geben. „Es müsste nur jemand anderes kuratieren“, sagt er, „damit kennen wir uns zu wenig aus“.

Und finanzierbar müsste es natürlich sein. „Wir bekommen ja kein  Geld von irgendwem“. Das nämlich ist die Krux. Da die städtischen Kultur-Förderrichtlinien ausdrücklich nur Projekte fördern, die sich nicht selbst tragen, sind alle, die mit Kultur auch Geld verdienen quasi außen vor. Schlimmer noch: Da die Stadt ja selbst auch als Veranstalterin etwa von Veranstaltungen wie Sommermusik oder Saarspektakel auftritt, müssten private Veranstalter nicht selten sogar in Konkurrenz zur Stadt agieren.

Aber das Problem mit den Zuschüssen, trägt noch weiter. Vor ein paar Wochen verkündete Erlebnisraum das vorläufige Ende der Krimitage. „Es ist uns in vier Jahren nicht gelungen, wirtschaftlich zu sein“, sagt Blomann. Trotz Erfolgs beim Publikum, war diese Groß-Veranstaltung mit Lesungen, Theater und mehr, ohne Sponsoren-Gelder nicht zu finanzieren. Sponsoren für kulturelle Projekte zu finden, sei allerdings im Saarland zunehmend unmöglich, sagt Blomann.

Als Beispiel nennt er etwa Sparkasse Saarbrücken, Saarlandversicherungen oder auch Cosmos, die sich immer mehr aus dem Sponsoring zurückzögen und wenn sie etwas unterstützen würden, dafür Gegenleistungen sehen wollten. „Früher wurde etwa von der Sparkasse ein Projekt schonmal mit 1000, 1500 Euro gefördert“. Heute müsse man immer mehr Anforderungen erfüllen, und bekäme am Ende 100, 150 Euro. Dass Sponsoren Gegenleistungen verlangen, sei an sich kein Problem, meint Blomann, nur stehe der Aufwand dafür in keinem Verhältnis mehr zum Geld. „Wir brauchen ja alle nicht viel“, sagt Blomann über die Kulturschaffenden im Land, „wir machen ja aus Scheiße Gold“. Aber mit 100 Euro könnten nicht mal die was ausrichten.

So also sind die Krimitage gestorben. Aus ähnlichen Gründen hatten erst unlängst die SherloCon erklärt, nicht mehr nach Saarbrücken zu kommen, da man sich hier nicht ausreichend unterstützt sah und keine  Sponsoren-Gelder auftreiben konnte.

Im Hirsch wird es mit Events und Kultur voraussichtlich erst 2020 losgehen. Der Umbau braucht Zeit. Aktuell gibt es noch die Baker Street, aber nur noch bis März 2019. Dann macht die Agentur hier die Türen zu. Und Blomann schlägt drei Kreuze. „Nie wieder Kneipe“, sagt er und klagt, dass es heute immer schwieriger sei, verlässliches Personal zu bekommen. Auch die recht hohen laufenden Kosten ließen sich mit dem eher anspruchsvollen Konzept des Gasthauses nicht einspielen. Und die Versuche, etwa den Filmhaus-Hof mit einem Biergarten zu beleben, seien schließlich auch gescheitert – durchaus mit dem Gefühl bei Blomann, von einigen Verantwortlichen bei der Stadt nicht wirklich unterstützt worden zu sein.

Ein Punkt, der noch nicht ganz geklärt ist, ist das Abenteuermuseum. In der Baker Street fanden die Exponate, die der Globetrotter Heinz Rox Schulz zusammengetragen hatte, einen schönen Rahmen im Salon. Die Stadt Saarbrücken würde sich auch freuen, wenn die Exponate mit nach St. Arnual ziehen, sagt Blomann. „Wir können aber zum aktuellen Zeitpunkt keine definitiven Zusagen geben, wir müssen die Renovierung abwarten“. Mit der Stadt sind die jungen Kultur-Unternehmer ohnehin öfter im Gespräch. Beim Tourismus-Beirat, den Bürgermeister Ralf Latz ins Leben gerufen hat, sitzt Blomann mit am Tisch. Und mit dem Kulturamt stehen ja nun auch demnächst ein paar Termine an. . .

 Das Gasthaus Zum Hirsch, lange Jahre als Theater Blauer Hirsch in Saarbrücken eine Kultur-Institution, wird Spielort der Agentur Erlebnisraum.

Das Gasthaus Zum Hirsch, lange Jahre als Theater Blauer Hirsch in Saarbrücken eine Kultur-Institution, wird Spielort der Agentur Erlebnisraum.

 20 Jahre ist es her, dass Hans Beislschmidt das Theater Blauer Hirsch eröffnete und das traditionelle Geweih gegen den blauen Hirsch austauschte. Jetzt bekommt das historische Gasthaus in der Saargemünder Straße neue Eigentümer.

20 Jahre ist es her, dass Hans Beislschmidt das Theater Blauer Hirsch eröffnete und das traditionelle Geweih gegen den blauen Hirsch austauschte. Jetzt bekommt das historische Gasthaus in der Saargemünder Straße neue Eigentümer.

Foto: fineart
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