Lesereihe Unterdeck Tod verhandelt über Verkauf der Seele

Saarbrücken · Germaine Paulus und Isa Theobald laden zu der Lesereihe „Unterdeck“ ein. Bis Anfang 2020 sind sie ausgebucht.

 Unterdeck in der Nautilus-Bar mit Christian von Aster: Er war bereits zum zweiten Mal Gast in Saarbrücken, um seine Geschichten vorzutragen.

Unterdeck in der Nautilus-Bar mit Christian von Aster: Er war bereits zum zweiten Mal Gast in Saarbrücken, um seine Geschichten vorzutragen.

Foto: Martin Rolshausen

Der Tod trägt einen Jogginganzug.  Er bleibt irgendwo zwischen Burbach und Riegelsberg stehen. Und während er mit einem jungen Mann dort über den Kauf von dessen Seele verhandelt, klemmt er sich die Nordic-Working-Stöcke unter die Arme. Als das Geschäft besiegelt ist, denkt sich der Tod: Der Junge ist genau so ein Depp wie sein Vater.

Kurz zuvor wirkte der Tod selbst noch wie ein Depp. Bei einer Partie Uno, also ausgerechnet bei einem Kinderkartenspiel, verzockte er gegen eine Nachtschwester die reiche Ernte, die er nach dem Ausbruch einer Epidemie auf der Kinderkrankenstation einholen wollte.

Der Tod sollte am vergangenen Donnerstag im Nauwieser Viertel nicht nur in diesen beiden Geschichten von Germaine Paulus und Isa Theobald durch die Nautilus-Bar huschen. Auch Christian von Aster ließ es morbid krachen in der Bar, die von Kennern als einer der bes tsortiertesten Schnapsläden in Deutschlands Südwesten gefeiert wird. Von Aster war aus Leipzig angereist, um sich auf das Fass zu setzen, das Nautilus-Chef Ralph Nermerich nur einmal im Monat als eine Art Autorenthron zurecht rückt. Jeweils am ersten Donnerstag versammelt sich davor die Fantastic-Fangemeinde, um sich entführen zu lassen in dunkle Welten, sich zu gruseln, mal zu weinen, mal zu lachen. „Unterdeck“ nennt sich die Lesereihe.

Christian von Aster ist der erste Autor, der ein zweites Mal auf dem Lesefass Platz nehmen durfte. Was daran lag, dass er Premierengast war im Juli 2017, als Isa Theobald und Germaine Paulus zum ersten Unterdeck-Abend baten. Am Donnerstag wurde der  20.  zelebriert. Und wieder geschah das, was Germaine Paulus, als „das Schärfste, was einem Autor passieren kann“, bezeichnet: Die Gäste hörten zu. Gebannt.

Ansonsten hat sich einiges verändert zwischen dem ersten und dem 20. Unterdeck-Abend.  Am Anfang, erzählt Isa Theobald, habe man den Autorinnen und Autorinnen hinterherlaufen müssen. Inzwischen rennen die Autorinnen und Autoren den Unterdeck-Frauen die Tür ein. Die kleine Reihe, zur der nicht mehr als knapp 50 Menschen eingelassen werden, ist sehr beliebt bei denen, die Horrorgeschichten, Fantasisches, auch Erotisches schreiben. Bis Anfang kommenden Jahres ist der Platz auf dem Fass vergeben. Und das, obwohl es allenfalls „ein kleines Honorar, eher eine Art Anerkennung“ gibt, wie Germaine Paulus sagt.

Als die beiden Frauen die Unterdeck-Idee vor knapp zwei Jahren mit Ralph Nermerich besprochen haben, habe niemand ahnen können, was daraus wird, sagen sie. Inzwischen gibt es sogar wie im Theater  ein Abo für die Reihe. Dass es selbst für Stammgäste nie langweilig wird, liegt daran, dass trotz eines klar geregelten Ablaufs (erst lesen Germaine Paulus und Isa Theobald, dann ein Gast) niemand so richtig vorhersagen kann, was wirklich passiert. Auch nicht die beiden Organisatorinnen. Wenn ein Autor anfragt, was er denn machen soll an dem Abend, laute die Antwort, sagt Germaine Paulus: „Mach, was Du willst, Du hast eine Dreiviertelstunde Zeit.“ Das Ergebnis sei: „Autoren nutzen den Abend dann gerne als Spielwiese.“
Christian von Aster, der Meister der Alliteration, zum Beispiel dafür, „Ratzingers rasende Reiterschaft: die Schwestern der begrenzenten Barmherzigkeit, Ortsgruppe Dresden“  loszulassen.  Und um von einem Mann zu erzählen, der im Flackern einer Straßenlaterne eine geheime Botschaft vermutete. Mit Hilfe des Morsealphabets und diverser Dechiffriertechniken gelang es Christian von Asters Protagonisten, nachdem er Frau, Freunde und Job verloren hatte, schließlich tatsächlich die Botschaft der Laterne zu begreifen. Die lautetet: „Ich sende keine Botschaft.“ Woraufhin sich der Mann eine neue Laterne sucht.
Christian von Aster entlässt die Unterdeck-Gemeinde mit Botschaften in die Nacht, die die eine oder der andere womöglich noch eine Weile zu entschlüsseln versuchen. „Bevor wir verdursten, ertrinken wir“, lautet eine. „Dein Leben ist Tinte, und Du bist es auch“, eine andere. Und womöglich schlummerte noch in manchem, der in dieser Nacht aus dem Unterdeck in die Welt entlassen wurde, die Warnung: Der Tod trägt einen Jogginganzug.  

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