Sammlung außergewöhnlicher Instrumente Daniel Kitzig ist der Herr der Claviolinen

SAARBRÜCKEN · Der junge Saarbrücker Musiker sammelt die außergewöhnlichen Tasteninstrumente. Als Filmmusik-Komponist war er auch schon in Hollywood.

 Der Saarbrücker Musiker Daniel Kitzig inmitten seiner Claviolinen-Sammlung – immer dabei: Hündin Stella.

Der Saarbrücker Musiker Daniel Kitzig inmitten seiner Claviolinen-Sammlung – immer dabei: Hündin Stella.

Foto: Kerstin Krämer

(uhr) Was haben diese beiden berühmten Pop-Oldies gemeinsam? Del Shannons twistender Song „Runaway“ (1961) und die Raumfahrt-Hymne „Telstar“ (1962) des britischen Studio-Tüftlers Joe Meek? Nun, beide schafften es auf Platz eins der US-Charts. Und bei beiden ist ein bezaubernder Sound zu vernehmen, den man irgendwo zwischen Orgel und Violine einordnen möchte – er stammt von einer Clavioline. Claviolinen sind frühe analoge Synthesizer mit Röhren-Technik aus den 40-er- und 50-er-Jahren, die seitdem nicht mehr gebaut werden.

Seit kurzem spielt nun Saarbrücken eine zentrale Rolle in der Welt der Claviolinen. Daniel Kitzig sei dank: Der junge Saarbrücker Musiker, geboren 1992, sammelt diese originellen Tasteninstrumente – inzwischen nennt Kitzig rund 50 betagte Exemplare sein Eigen. „Die Clavioline war ursprünglich als Erweiterung für ein Klavier, einen Flügel oder eine Orgel gedacht, um für die damalige Zeit sehr authentische orchestrale Klangfarben wie Blechbläser, Holzbläser, Streicher und vieles mehr hinzuzufügen“, erläutert Daniel Kitzig. Auch „sehr experimentelle Klänge“ seien mit dem kleinen Keyboard möglich, das sogar von Komponisten wie dem berühmten Neutöner Giacinto Scelsi eingesetzt wurde. Neben zahlreichen Claviolinen verschiedenster Hersteller wie Gibson und Selmer besitzt Kitzig auch zwei Ondiolinen; das sind nahe Verwandte: „Ondiolinen wurden bereits 1942 von dem französischen Musiker und Techniker Georges Jenny gebaut“, sagt Kitzig, „mit ihnen kann man noch mehr Instrumente noch wesentlich authentischer wiedergeben“.

Bei Claviolinen gerät der Musiker und Sammler unweigerlich ins Schwärmen: „Diese Instrumente klingen extrem organisch und satt und lassen sich ausdrucksvoll spielen.“ Mit ihren „edlen Designs und liebevollen Details“ seien sie zudem prächtig anzuschauen. Freilich erst, nachdem Kitzig fachmännisch Hand angelegt hat. Seit fünf Jahren ersteigert er auf Online-Portalen derlei Raritäten, die sich oft in desaströsem Zustand befinden und in liebevoller Kleinarbeit eigenhändig elektronisch und mechanisch restauriert werden. Gelernt hat er das von Henning Müller, einem „genialen Radio- und Fernsehtechniker und begnadeten Musiker“, so Kitzig. In „Hennings Musicshop“ in der Saarbrücker Dudweilerstraße arbeitet Kitzig als Verkäufer und Reparateur.

Ähnlich gut wie die Tasteninstrumente beherrscht er übrigens auch die Gitarre. Kaum verwunderlich, dass er neben Paul Hindemith, Richard Wagner, John Williams und Depeche Mode als bewunderte Musikgrößen auch das einstige US-Gitarren-Ass Chet Atkins erwähnt. Kitzigs breites Spektrum und seine Kompetenzen in Sachen klingender Muse haben nicht zuletzt ihre Wurzeln im Elternhaus: Kitzigs Mutter spielt Klavier und singt; der Vater ist Organist und Chef der städtischen Musikschule Saarbrücken. Zuallererst sieht sich Daniel Kitzig jedoch als Komponist, genauer: Filmkomponist. Zahlreiche Instrumentalstücke für Filme und Kurzfilme hat er komponiert – sie tönen mal humoristisch, mal melancholisch oder düster-pompös. Ferner komponierte er für „Gaming-Apps“ und für hiesige Musiker. Ein besonderes Anliegen ist ihm, dass alles analog eingespielt wird.

Auf der Suche nach originellen Sounds für seine Kompositionen, „längst vergessene Klänge, die man so nicht ohne weiteres in Popstücken und Filmmusiken findet“, war er auch, als er auf die Clavioline stieß. „Da die Clavioline monophon ist, ist man aufs Wesentliche beschränkt, und das ist für mich die Melodie“, so Kitzig. Als Filmmusik-Autor konnte er bereits in die USA reisen: Auf Empfehlung seines Tutors Conrad Pope, Orchestrator von John Williams und Hans Zimmer, weilte Kitzig in Hollywood und war unter anderem bei Danny Elfman („Simpsons“, „A Nightmare before Christmas“) zu Gast. Der Filmkomponist bekam von Kitzig außerdem eine Clavioline vermacht. Zu Kitzigs internationalen Kontakten aufgrund der Claviolinen-Leidenschaft zählt ferner der Sänger Gotye, bekannt durch den Hit „Somebody that I used to know“. Darüber hinaus hat der Saarbrücker bereits eine Clavioline für das MIM-Musikinstrumente-Museum in Brüssel restauriert; und er war in Hamburg, um eine Clavioline elektronisch zu verewigen, damit Interessenten nun die Farbe für eigene Produktionen abrufen können.

Schön, dass auch Kitzigs Ehefrau die Platz und Zeit verschlingende Claviolinen-Leidenschaft des begeisterten Sammlers unterstützt, der als nicht-musikalisches Hobby neben gemeinsamen Reisen mit Frauund Collie-Hündin Stella obendrein Karikaturen zeichnet. Frohgemut kann Daniel Kitzig also in die Zukunft blicken: Er will sich weiter in der Filmmusikbrache etablieren und irgendwann auch ein Museum für Synthesizer dieser Art aus der Taufe heben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort