Verschwundene Schätze: Der Volksgarten St. Johann Wo einst ein Park war, wird heute geparkt

Saarbrücken · Nicht alles, was Saarbrücken an Schönheit verlor, ist dem Krieg geschuldet. Vieles wurde viel später abgerissen, überbaut und zerstört. Wir stellen einige der verlorengegangenen Schätze vor. Heute der einstige Volksgarten St. Johann. Wo die Saarbrücker einst flanierten, ist es heute wenig einladend.

 Nicht zu glauben, dass es hier mal so aussah. Wo einst der Volksgarten mit der „Voltzenmühle“ war, ist heute das Busbahnhofgelände nebst Baumarkt und Parkplätzen.  

Nicht zu glauben, dass es hier mal so aussah. Wo einst der Volksgarten mit der „Voltzenmühle“ war, ist heute das Busbahnhofgelände nebst Baumarkt und Parkplätzen.  

Foto: Privatarchiv Hans Mildenberger

Das Areal des Fernbusbahnhofs in Saarbrücken, samt angrenzendem Baumarkt und großen Parkplätzen, ist heute kein einladender Ort. Man kann daher kaum glauben, dass genau hier, in der Verlängerung der heutigen Ursulinenstraße und am damals noch offenen Sulzbach, einst der Volksgarten St. Johann lag.

Entlang des Sulzbachs befanden sich schon im Mittelalter mehrere Mühlen, die bekannteste, und im 19. Jahrhundert noch einzige bestehende, war die als „Voltzenmühle“ bekannte St. Johanner Obermühle. 1760 wurde sie durch den Fürsten Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken als Mahlmühle errichtet, dann ging die Anlage als Schenkung seines Sohns Fürst Ludwig an dessen zweite Ehefrau Katharina Kest über.

Diese „Fürstenmühle“ erwarb im Jahr 1805 der namensgebende Eigentümer Voltz, dann kam sie in den Besitz der Familie Stumm, zuletzt war sie Eigentum der Eisenbahn-Verwaltung.

Der Mühlenkomplex umfasste sechs Gebäudeteile, neben dem Hauptgebäude auch Stallungen, Back- und Waschküche, sowie ein großer Mühlenweiher, der vom Sulzbach gespeist wurde, und der am Mühlenkomplex mit einem Wasserfall austrat.

 Der Lageplan von 1882 zum Entwurf des Volksgartens St. Johann von Alwin Ziehme.

Der Lageplan von 1882 zum Entwurf des Volksgartens St. Johann von Alwin Ziehme.

Foto: Privatarchiv Hans Mildenberger

Der promovierte Kunsthistoriker Patrick Ostermann beschäftigte sich für den Katalog der Ausstellung „Gartenkunst in Saarbrücken“ im Jahr 1999 umfassend mit dem früheren Volksgarten. Er schrieb, dass eine temporär angelegte Gewerbe-Ausstellung mit Konzerten und Gartenfesten im Jahr 1881 den Ausschlag gegeben habe, ein Volksgarten in St. Johann zu errichten. Noch während der Ausstellung habe sich ein „Komité“ gegründet, um das Terrain der Voltzenmühle zu pachten, damit man es für die Anlage eines Volksgartens sichern konnte.

Die Planungen zum Volksgarten begannen im Herbst 1881, im April 1882 konnte das Projekt in einer Denkschrift der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Das Terrain der Voltzenmühle wurde dabei als ideal angesehen. Ein Lageplan zeigte, dass der Volksgarten in etwa doppelt so groß wie das Terrain der Mühle war, zwischen dem Bahnhof im Westen und dem Güterbahnhof im Osten lag, an die Dudweilerstraße grenzte und an der heutigen Ursulinenstraße begann.

Der Bau und die Gestaltung des Volksgartens wurde von der privaten „Volksgarten-Gesellschaft“ durchgeführt, einem Zusammenschluss einflussreicher St. Johanner Bürger. Im Mai 1882 begann man mit den Arbeiten, die mehrmals verschobene Eröffnung des Volksgartens fand „schließlich an dem völlig verregneten Wochenende des 8./9. Juli 1882 statt“, schreibt Patrick Ostermann. Die Ausführung des Gartens hielt sich dabei eng an den bereits veröffentlichten Entwurf.

St. Johann zierte daraufhin eine Gartenanlage, die man auch heute noch gerne besuchen würde. In der Blickachse der heutigen Ursulinenstraße öffnete sich der rautenförmig geplante Volksgarten mit einem „Blumen-Parterre“, symmetrischen Wegen und streng geometrischem Teppichbeet mit rundem Wasserbecken und Springbrunnen.

Dahinter war als Kontrast ein kleiner unregelmäßiger Teich mit Brücke und gekrümmten Wegen angelegt, daran schlossen sich drei Reihen mit Allee-Bäumen an, um Schatten zu spenden.

Hinter dieser Terrasse aus Bäumen wurde das hölzerne „Conzerthaus mit Restaurationshalle“ gebaut, dahinter lag der Mühlenkomplex mit Kaskade und großem Weiher, Kähnen und Brücken, sowie Gewächshaus mit Palmen, Agaven, Kakteen und Oleander. Am nordwestlichen Zugang entstand ein Kinderspielplatz.

Die ursprünglich geplante Errichtung einer massiven „Concert- und Theaterhalle“ wurde vermutlich aus Kostengründen verschoben, „die provisorisch erstellte Holzhalle sollte sich als Dauerlösung entpuppen“, so Patrick Ostermann.

Wie gut der Volksgarten St. Johann von der Bevölkerung angenommen wurde, ist nicht überliefert, auf historischen Fotografien sind meist viele Besucher zu sehen.

Aber die Blütezeit des Volksgartens St. Johann endete wohl schon nach 14 Jahren. Denn 1896 wurde der große Weiher im Garten trockengelegt, wohl wegen des üblen Geruchs, der von den Abwässern zweier Brauereien der Umgebung hervorgerufen wurde, die in Sulzbach und Weiher mündeten.

Das Jahr 1897 war daher eine Zäsur, auch weil die Volksgarten-Gesellschaft aufgelöst wurde, nun die Stadt St. Johann für den Garten zuständig war. Aus dem ehemaligen Weiher wurde eine Sportanlage mit Tennisplätzen und im Winter eine Eisbahn.

Damit wurde der Landschaftsgarten stark verkleinert, der größte Teil des ehemaligen Weihers blieb vorerst ungenutzt, im Jahr 1903 wurde daraus eine Rasenfläche. Zur gleichen Zeit zierte eine hölzerne Jugendstilhalle des Architekten Wilhelm Noll diesen Bereich des Gartens, allerdings nur für die Zeit einer Handwerkerausstellung.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Mühlengebäude, sowie die alte Restaurationshalle „immer nur aufs notdürftigste instandgesetzt“, schreibt Patrick Ostermann. 1904 forderte der Verpächter des Geländes, die Königliche Eisenbahndirektion, den Abbruch des Mühlenkomplexes und eine Neuverlegung des Sulzbachs. Man benötigte das Gelände für Umbauten am Bahnhof.

Der nun wesentlich kleinere Volksgarten blieb vorerst als „Vergnügungsort und Tennisportanlage“ erhalten, in den 1920er Jahren entstand hier ein größerer Sportplatz mit Holztribüne. Das führte dazu, dass ab dieser Zeit der Volksgarten mehr als Sportplatz, denn als Park wahrgenommen wurde.

 Christian Woytt malte 1933 die  Mühle im Volksgarten St. Johann. Hier ergoss sich das Wasser des Sulzbachs in Kaskaden. Sogar ein Konzerthaus gab es.

Christian Woytt malte 1933 die  Mühle im Volksgarten St. Johann. Hier ergoss sich das Wasser des Sulzbachs in Kaskaden. Sogar ein Konzerthaus gab es.

Foto: Privatarchiv Hans Mildenberger
 Die Anlage des ehemaligen Volksgartens St. Johann war 1958 bereits verschwunden, der Raum wurde anderweitig genutzt. Bereits in den Anfangsjahren hatte der eigens angelegte Weiher trockengelegt werden, weil zwei Brauereien ihre Abwässer in den Sulzbach leiteten und der Weiher deshalb stank.

Die Anlage des ehemaligen Volksgartens St. Johann war 1958 bereits verschwunden, der Raum wurde anderweitig genutzt. Bereits in den Anfangsjahren hatte der eigens angelegte Weiher trockengelegt werden, weil zwei Brauereien ihre Abwässer in den Sulzbach leiteten und der Weiher deshalb stank.

Foto: Privatarchiv Hans Mildenberger

In der Jubiläumsschrift „25 Jahre Stadt Saarbrücken“ im Jahr 1934 wird der Volksgarten schließlich als Grünanlage nicht mehr erwähnt, auf einem Stadtplan von 1938 ist er als weiße, unbebaute Fläche eingetragen. Im Zweiten Weltkrieg wurde hier sogar ein Lager für Kriegsgefangene eingerichtet. Als im Jahr 1969 das Gelände erschlossen und mit dem ersten SB-Warenhaus namens „hela center“ bebaut wurde, erinnerte man sich schon kaum mehr an den früheren Volksgarten St. Johann.

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