Unsere Woche Datenschutz ist keine illegale Geheimniskrämerei

Der technische Fortschritt macht’s leichter denn je: Informationen über jeden sind fast überall auf der Welt frei zugänglich. Das macht uns angreifbar.

Unsere Woche: Datenschutz ist keine illegale Geheimniskrämerei
Foto: SZ/Robby Lorenz

Das Bundesverfassungsgericht hat der Aufzeichnung mit Überwachungskameras enge Grenzen gesteckt. Die Polizei darf nicht willkürlich und prophylaktisch draufhalten, wenn Menschen bei öffentlichen Protesten – ob Demonstrationszug oder stationäre Kundgebung – ihr verfassungsmäßig verbrieftes Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen. Ausnahmen sind Veranstaltungen, von denen im Vorfeld starke Signale ausgehen, dass sie zum Sicherheitsrisiko werden können; wenn beispielsweise Initiatoren dafür bekannt sind, vor Gewalt nicht zurückzuschrecken, um ihrer Meinung Nachdruck zu verleihen.

Soweit die Theorie. Wie verhält es sich bei dem Marsch durch die Saarbrücker Innenstadt, als rund 120 Menschen gegen die europäische Flüchtlingspolitik auf die Straße gingen, sie das Sterben im Mittelmeer anprangerten? Drohte eine Eskalation, alles aus den Fugen zu geraten? Hatten sich etwa Teilnehmer daruntergemischt, die auf Krawall gebürstet sind? War es gerechtfertigt, die Demonstranten zu filmen, weil Gefahr im Verzug?

Der Protest endete so friedlich, wie er begonnen hatte und verlaufen war. Purer Zufall, dass nichts Schlimmes passierte? Oder war von Anfang an abzusehen, dass Kritiker der Asylpolitik lediglich mit verbalen Argumenten gegenhalten statt mit Fäusten?

Ein Teilnehmer will gerichtlich klären lassen, ob der Polizeieinsatz mit Kameras rechtens war. Er strebt eine Feststellungsklage gegen das Saarland beim Verwaltungsgericht an. Denn er fühlt sich zu Unrecht verdächtigt. Er befürchtet sogar, dass Bürger, die sich gewaltfrei gesellschaftlich engagieren wollen, abgeschreckt werden, weil als kriminell abgestempelt. Die Fahnder freilich sehen dies anders. Sie wollten Beweismittel sichern, sollten sich Straftäter unters Volk mischen.

Diese Kontroverse zeigt, wie sensibel der Staat mit Daten umgehen muss. Es darf nicht zu einer Sammelwut kommen und so jeder als verdächtig gelten. Nur weil es der technische Fortschritt zulässt, jederzeit überall jeden zu erfassen, heißt dies nicht, dass es in Ordnung geht, es zu tun.

Dasselbe gilt für unseren oft allzu laxen Umgang mit Daten, die wir preisgeben. Auch wenn wir noch so sicher sind, dass sie nicht gegen uns verwendet werden können, weil sie uns unverfänglich erscheinen, ist weniger oft mehr. Als 1987 in Deutschland die Volkszählung mit anonymisierten Fragen begann, war der Widerstand immens. Im Vergleich zu dem, was in sozialen Medien des Internets zu entdecken ist, was heutzutage Behörden von uns wissen, was Unternehmen über uns herausfinden, wirkt die damalige Debatte geradezu wie aus einer anderen Welt. Wir sollten dringend unser bedingungsloses Mitteilungsbedürfnis zügeln. Auch wenn viele beschwichtigen, sie hätten nichts zu verbergen. Mag sein, doch ich möchte die Hoheit über meine persönlichen Daten behalten. Das ist keine Geheimniskrämerei, die mich verdächtig macht.

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