Kulturpreisträger Eine Insel, auf der anderes Theater wächst

Saarbrücken · Das Korso-op.Kollektiv hat die Theaterszene schon mit drei außergewöhnlichen Stücken bereichert. Als Ermunterung fürs Weitermachen gab es jetzt den Kulturpreis des Regionalverbandes. Das nächste Stück der freien Gruppe soll sich dem Thema Besitz und Eigentum widmen.

 Widerborstig, klug, provokant und anregend: Das Korso-op.Kollektiv bürstet Theater gegen den Strich. Hier eine Szene aus dem ersten Stück der Truppe: „Babylon Pogo“ mit Katrin Flüs, Nina Schopka und Nicolas Marchand.

Widerborstig, klug, provokant und anregend: Das Korso-op.Kollektiv bürstet Theater gegen den Strich. Hier eine Szene aus dem ersten Stück der Truppe: „Babylon Pogo“ mit Katrin Flüs, Nina Schopka und Nicolas Marchand.

Foto: Roger Paulet/ROGER/PAULET

Subversiv, postmodern, interdisziplinär – es braucht viele Worte um die Produktionen des Korso-op.Kollektivs um Nina Schopka und Gregor Wickert zu beschreiben. Seit 2016 bringt das Theaterkollektiv frischen Wind nicht nur in die saarländische Theaterlandschaft. Jetzt hat die Gruppe den Kulturpreis für Kunst des Regionalverbandes Saarbrücken gewonnen. Geehrt werden damit Künstler, „die sich mit zentralen gegenwärtigen Herausforderungen unserer Gesellschaft auseinandersetzen“.

Und das ist so etwas wie das Spezialgebiet des Korso-op.Kolletivs. „MenschMaschineGott“ hieß die Trilogie, derer sich das Kollektiv gleich als Initialprojekt annahm. „Klotzen statt kleckern lautete da unsere Motto“, sagt Nina Schopka und lacht. Im Mittelpunkt aller drei Stücke habe je ein „Thema, das brennt“ gestanden.

2017 ging es in „Babylon Pogo“ um die fortschreitende Technologisierung, 2018 widmete sich das Kollektiv mit „Das Folgenreich“ dem Thema Gehorsam. 2019 gipfelte die Trilogie mit „Tristesse Royale“ dann in einer apokalyptischen Endzeitstimmung inklusive Abrechnung mit Gott. „Da war die Diskussion um den Klimawandel gesellschaftlich gerade stark im Fokus“, bemerkt Nina Schopka.

Mit der theatralen Online-Talk­reihe „Tristesse Digital – Kutteln sind auch keine Lösung“ reagierte das Kollektiv im ersten Lockdown brandaktuell auf die neuen Umstände des Menschseins.

Es sind solche gesellschaftspolitisch relevanten Fragen von denen ausgehend das Kollektiv seine Stücke überhaupt erst konzipiert. Die für gewöhnlich getrennten Bereiche von Regie, Dramaturgie, Schauspiel bis hin zur Ausstattung und den Visual Arts werden dabei zusammengeführt. „Das Stück gehört jedem“, betonen Wickert und Schopka, „jeder kann Impulse geben.“

Die Arbeitsweise des freien Kollektivs vergleicht Gregor Wickert mit der eines Bildhauers, „auch da läuft man um ein Objekt rum, bearbeitet es von allen Seiten“, sagt er, „bei uns beeinflusst die Bildebene die Ideen, der Raum wirkt auf den Text“.

Dem Raum kommt beim Korso-op.Kollektiv sowieso ganz besondere Bedeutung zu: Für „BabylonPogo“ haben sie im Garelly-Haus das Narrativ gleich in vier verschiedenen Räumen inszeniert, für „Das Folgenreich“ haben sie das Bunker-Hotel in der Sulzbachstraße wieder auferstehen lassen, mussten dort sogar gleich zwei Wassereinbrüche meistern. Bequem geht anders.

Auch deswegen beschreiben Schopka und Wickert die Aneignung der Räume als „Actioncamp“, „die Energie, die man braucht, um die Räume zu erobern, vermittelt sich später aber“, sagt Schopka.

Der Hang zu ungewöhnlichen Spielorten hängt aber auch mit dem Anspruch der Gruppe zusammen: „Es ist zwar kein Mitspieltheater aber es gibt generell keine vierte Wand bei uns“, erklärt Schopka, „durch den direkten Austausch mit dem Publikum ist es immer sehr persönlich“.

Doch gerade an solche besonderen Räume ranzukommen ist als Nicht-Institution oft schwer, geben Schopka und Wickert zu, „der Kulturpreis ist daher sehr wichtig für uns, da er uns ein gewisses Renommee verschafft“.

So früh sich bei Korso-op. die verschiedenen Sphären „gegenseitig befruchten“, wie Wickert es nennt, so lange dauert dieser Prozess an. „Wir arbeiten acht bis neun Monate an einem Stück, das fokussiert sich in dieser Zeit immer wieder anders“, sagt Schopka, „im Vordergrund steht der Prozess, nicht effizientes Arbeiten auf ein Ergebnis hin“.

Und doch kennen alle Beteiligten auch diese Seite des Theatermachens, schließlich haben sie alle über Jahrzehnte an institutionellen Häusern aller Couleur gearbeitet. Schopka wie Wickert waren als Schauspielerin und Bühnenbildner an großen nationalen wie internationalen Bühnen engagiert, unter anderem auch am Saarländischen Staatstheater.

Auch Elfie Elsner, der langjährige Star des Saarländischen Staatstheaters, zählt zum Kollektiv. Mit der in Bochum und Tel Aviv lebenden Schauspielerin Nadia Migdal und dem in Peking lebenden Grimme-Preisträger und Korso-op.-Co-Autor Gregor Coppenburg weht auch internationales Flair im Kollektiv.

Die Entstehung der mittlerweile neunköpfigen Gruppe sei ebenfalls ein Prozess gewesen, sagen Schopka und Wickert. Im Arbeiten habe man überprüfen müssen, ob das passt, schließlich gelten bei Korso-op. besondere Voraussetzungen. „Das ist eine ganz andere Arbeitsform, die kollektiv funktioniert“, sagt Schopka, „es war aber immer auch ein gesellschaftspolitisches wichtiges Experiment und eine Insel“.

 Kreatives Paar: Gregor Wickert und Nina Schopka sind sozusagen das Herz und die treibende Kraft von Korso-op.

Kreatives Paar: Gregor Wickert und Nina Schopka sind sozusagen das Herz und die treibende Kraft von Korso-op.

Foto: korso.op

Dass auch beim Publikum ein Bedürfnis nach dieser anderen Form von Theater besteht, zeigt die seit Beginn immense Publikumsresonanz – gerade auch beim jungen Publikum, wie Schopka und Wickert betonen. So Corona es will, will das Korso-op.Kollektiv schon im März mit einer neuen Produktion aufwarten. „Lost puppy“ soll sie heißen. Thema: Besitz und Eigentum. Ein passender, circa 300 Quadratmeter großer Raum fehlt der Truppe dazu allerdings noch.
www.korso-op.com

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