Saarländisches Staatstheater Das „Ensemble der Neugierigen“ stellt sich vor

Saarbrücken · Wer steckt hinter dem neugegründeten „Ensembles der Neugierigen“, das letzte Woche in der Sparte4 mit „Babel“ begeisterte?

 Seit November haben 14 Saarbrücker an einem Theaterstück zusammengearbeitet. „Babel“ feierte vergangene Woche Premiere.

Seit November haben 14 Saarbrücker an einem Theaterstück zusammengearbeitet. „Babel“ feierte vergangene Woche Premiere.

Foto: Sascha Markus

„Eigentlich liebt er Cornflakes“, sagt Inga Brandel und lächelt den jungenhaft wirkenden Mann mit dem herzigen Kapuzenpulli an. Ihr Mann. Dessen Optik täuscht: Es ist immer noch derselbe Walter Brandel, der bei den „Babel“-Abenden in der Sparte4 in Hemd, Gilet und Anzugshose so seriös rüberkam, ganz vom „alten Schlag“. Er hatte über die Liebe monologisiert, die von den so verhassten Cerealien korrumpiert wird. Tja, alles gelogen. Oder vielmehr geklaut, der Text stammt aus der „Anleitung zum Unglücklichsein“ des Psychologen Paul Watzlawick.

Aber die Kleidung, die war selbst gewählt. Man sitzt in der Kantine des Staatstheaters. Die Tänzer am Nachbartisch kompensieren ihre Sprachlosigkeit auf der Bühne durch besonders laut artikulierte Gespräche. Das haben die Eheleute Brandel, die, 59 und 68 Jahre alt, eine Werbeagentur führen, und Manuel Angel, 37-jähriger Elektrotechniker und im Stück niemand Geringeres als Gott höchst persönlich, also „der mit dem Plan“, nicht nötig. Als Mitglieder des neu gegründeten „Ensembles der Neugierigen“ sind sie dem Aufruf des Staatstheaters zur Teilhabe gefolgt und praktizieren seitdem fleißig: schöpferisch, kreativ und natürlich auch verbal. Gemeinsam mit elf weiteren Theateraffinen bilden sie das „ensemble 4“ genannte Bürgerensembles, das von Luca Pauer geleitet wird. „Babel“ ist ihre erste gemeinsame Produktion. Spannend sei das gewesen, sagt Inga, „ein Stück von vorn“ mit zu entwickeln.

„Am Anfang gab es nur dieses Wort: Babel.“ Alle drei gehören schon mehr oder weniger lange zur festen Statisterie des Staatstheaters, die, so Pauer, ein wahrer Schatz sei. Doch das Gros der Gruppe stellen neue Gesichter. Wie Aaron Noel, das Nesthäkchen, der zarte 15 Jahre jung ist. Der Schüler gehörte früher dem Kinderchor an. Oder Hermann, 54-jähriger selbstständiger Berater, Elektroinstallateur und Sozialpädagoge, der noch nie im Rampenlicht gestanden hat.

„Die darstellerischen Fähigkeiten sind nicht relevant“, betont Regisseurin Pauer. Jeder darf mitmachen, „ohne Barriere. Ob jemand sprechen, hören, laufen kann, spielt keine Rolle.“ Frank etwa ist schwerhörig. Man versteht ihn nicht immer gut. Dass er sich trotzdem traut und immer mutiger wird, sogar über die Bühne hüpft, ist ein Geschenk für die Gruppe und sein Mantra „Meine Lieben, macht was draus“ schon jetzt ein Klassiker. Jeder hat in dem Stück seinen Bereich, „in dem er Eigenverantwortung übernimmt“. Zur Premiere entledigte sich einer der Akteure spontan seiner Sachen und agierte in Unterwäsche weiter. Zur Überraschung aller. Es werden da „sehr schlimme Erfahrungen aus der Kindheit“ verarbeitet, analysiert Pauer. „Sich nackig zu machen ist eine Form, zu zeigen, wie frei das Spielen macht.“ Die neun Wochen des Entstehungsprozesses bis zur Premiere waren eigentlich zu kurz, um sich wirklich kennenzulernen, sind sich die Drei am Tisch einig. Egal, es ist ja erst der Anfang: „Wir kommen wieder!“

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