Serie Menschen im Regionalverband Die große Liebe trotz Handicap

Saarbrücken · Dagmar Kappel und Bertrand Wernet haben sich über den Verein ampuLAG kennen und lieben gelernt.

 Dagmar Kappel und Bertrand Wernet haben sich auf Treffen der „ampuLAG-Saar“ kennen gelernt. Sie sehen sich so oft wie möglich und telefonieren täglich.

Dagmar Kappel und Bertrand Wernet haben sich auf Treffen der „ampuLAG-Saar“ kennen gelernt. Sie sehen sich so oft wie möglich und telefonieren täglich.

Foto: Iris Maria Maurer

Immer wieder fassen sie sich an den Händen, tauschen Blicke aus, küssen sich. Dagmar Kappel und Bertrand Wernet haben im Alter nochmal die Liebe gefunden. „Wir sind im dritten Frühling“, sagt Kappel und streicht ihrem Berti, wie sie ihn ab und zu nennt, zärtlich über den Arm. Maßgeblich an ihrem Glück beteiligt ist der Verein ampuLAG-Saar – eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit Arm- oder Beinamputation – ins Leben gerufen von Ilona-Maria Kerber. Kappel wurde vor 23 Jahren wegen einer Erbkrankheit das linke Bein amputiert. Wernet verlor vor 15 Jahren zuerst das eine, vor zwei Jahren das zweite Bein aufgrund seiner Diabetes-Erkrankung. Über den Verein haben sie sich vor rund einem halben Jahr kennen und lieben gelernt.

„Für mich war es Liebe auf den ersten Blick. Mit 70 Jahren so eine Liebe zu finden, hätte ich nicht gedacht“, sagt Wernet. Er wurde in Saargemünd geboren. Nach seiner Scheidung lebte er zeitweise in Heilbronn, arbeitete als Maler. Später zog es ihn zurück ins Saarland. Bis zur Amputation seines zweiten Beins lebte er in Bliesransbach. Nun wohnt er in einem Altenheim in Rilchingen-Hanweiler. Dort erfuhr er von dem Verein, der unter anderem gemeinsame Unternehmungen und monatliche Treffen für Betroffene organisiert. Wernet wird von einem Fahrdienst abgeholt und wieder nach Hause gebracht.

Darauf ist die 66-jährige Kappel seit vergangenem Jahr auch angewiesen. Normalerweise trägt sie eine Prothese, kann damit laufen und Autofahren. Wegen einer Entzündung kann sie ihre „Laura“ aber momentan nicht nutzen und sitzt im Rollstuhl. „Ja, meine Prothese hat einen Namen. Wer mich kennt, kennt Laura“, sagt Kappel und lacht. Die gebürtige Berlinerin ist eine Frohnatur. „Bei mir ist das Glas immer halb voll.“ Ihren Mann, ein Saarländer, lernte die gelernte Arzthelferin und spätere Altenpflegerin in der Bundeshauptstadt kennen. 1971 zogen sie nach St. Arnual. Mit ihren Schwiegereltern, ihrer Schwägerin und den Söhnen ihres Mannes aus dessen erster Ehe lebte sie in einem großen Haus. „Es war toll. Ich bin einfach ein Familienmensch.“ Als ihr Beim amputiert wurde, konnte sie auf die Unterstützung aller zurückgreifen.

Nachdem die Kinder ausgezogen und die anderen Familienmitglieder im Haus wie auch ihr Mann verstorben sind, verkaufte Kappel das Anwesen. „Ein großes Haus mit großem Garten in Schuss zu halten, im Winter Schnee zu schippen, das funktioniert mit nur einem Bein nicht.“ Seither lebt sie in einer Mietwohnung in St. Arnual. Im ersten Stock, mit Treppen. Eigentlich fühlt sie sich dort wohl. „Mit der Prothese ist das ja kein Problem.“ Seit sie auf den Rollstuhl angewiesen ist, sieht das anders aus. „Ich muss zugeben, ich stand kurz vor einer Depression.“ Ohne den Verein wäre sie nicht mehr vor die Tür gekommen, sagt sie. Und da traf sie ihren Berti. „So einen Mann hab’ ich noch nie kennengelernt.“ Sofort sei sie von seiner Hilfsbereitschaft und seinem Humor begeistert gewesen. Er habe sie super empfangen. „Etwas Besseres wie der Verein hätte uns nicht passieren können. Dagmar ist mein Herzblatt“, ergänzt Wernet. Und da ist er wieder, der verliebte Blick zwischen den beiden. Einmal im Monat bringt ein Fahrdienst Kappel zu Wernet ins Altenheim, organisiert durch den Verein. Außerdem sehen sie sich mehrmals im Monat bei den Vereinstreffen und telefonieren jeden Abend. „Natürlich wäre es schön, wenn wir uns öfter sehen könnten“, sagt Wernet. Kappel hofft, bald wieder ihre Prothese tragen zu können, um mit dem Auto zu Wernet zu fahren.

Im Sommer geht es erstmal zusammen nach Berlin. Der Verein organisiert eine Fahrt für seine Mitglieder. „Da ist dann auch für uns eine Krankenschwester und ein Physiotherapeut sowie ein Techniker für die Rollstühle und die anderen Hilfsmittel dabei“, erklärt Kappel. Beide freuen sich sehr, ein paar Tage in Kappels alter Heimat zu verbringen, bestätigen sie. „Einzige Bedingung war ein Doppelzimmer. Hätte ich nur ein Einzelzimmer bekommen, würde ich nicht mitfahren“, sagt Wernet. Er lacht, nimmt seine Dagmar in den Arm und gibt ihr einen Kuss.

Infos zur Arbeit des Vereins ampuLAG gibt’s unter Tel. (06 81) 4 01 65 74 oder per Email an ampulag-saar@ampulag.saarland.

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