„CoronaFreeJazzMarathon“ Hoffen auf die heilende Kraft der Musik

Saarbrücken · Am 10. Oktober gibt es einen „CoronaFreeJazzMarathon“ zu Gunsten der gebeutelten Musik-Szene. Ein Gespräch mit dem künstlerischen Leiter Stefan Winkler über die schlimmen Auswirkungen der Corona-Krise auf die regionale Kultur.

 Er darf nicht fehlen: Einer der Musiker, die beim FreejazzMarathon auftreten, ist der bestens bekannte Posaunist Christof Thewes.

Er darf nicht fehlen: Einer der Musiker, die beim FreejazzMarathon auftreten, ist der bestens bekannte Posaunist Christof Thewes.

Foto: Kerstin Krämer

Ein Solidaritätsfestival zur Unterstützung der regionalen freien Jazz-Szene soll es werden, sagt der Organisator Stefan Winkler: um den betroffenen Künstlern „in dieser schwierigen Zeit eine hoffnungsstiftende Perspektive aufzuzeigen und ihnen zu verdeutlichen, dass sie nicht vergessen sind, sondern als Kulturschaffende von ihrer Heimatregion als systemrelevant anerkannt werden“.

„CoronaFreeJazzMarathon“ nennen Winkler und der veranstaltende Verein FreeJazzSaar den Jazztag am Samstag, 10. Oktober. In drei jeweils zweistündigen Konzerten – einer Matinee (11 Uhr), „Teatime“ (16 Uhr) und Soiree (20 Uhr) – werden sich Könner der hiesigen Musiklandschaft rund um den freien Jazz und einige auswärtige Mitstreiter ein Stelldichein auf der Bühne des Evangelischen Gemeindezentrums am St.Johanner Markt in Saarbrücken geben.

„FreeJazzSaar – Verein für zeitgenössische Musik“ hat sich einen überregionalen Ruf als Gastgeber des alljährlich mit internationalen Stars des Genres aufwartenden „Freejazz Festivals Saarbrücken“ erarbeitet, dessen sechste Ausgabe in diesem Frühjahr pandemiebedingt ausfiel.

„Dass das Festival zwei Wochen vor Beginn abgesagt werden musste, war für uns eine sehr leidvolle Erfahrung, die monatelange administrative Probleme nach sich zog“, sagt Stefan Winkler, künstlerischer Kopf des Treffens und 1. Vereinsvorsitzender in Personalunion.

Mit Sorge blickt er ins kommende Jahr: „Für den 7. bis 11. April 2021 ist zwar wieder ein international besetztes, hochkarätiges Freejazz-Festival geplant, aber niemand weiß, ob bis dahin eine Normalisierung des Reiseverkehrs stattgefunden hat oder ob dann überhaupt Konzertveranstaltungen möglich sein werden“, so Winkler. „Außerdem sind die öffentlichen Haushalte durch die Coronakrise sehr belastet, und es ist mit deutlichen Einschnitten bei der Kulturförderung zu rechnen.“

Nicht abzusehen sei, „wie unter diesen Bedingungen die möglichen Einnahmeausfälle durch Zuschauerbeschränkungen kompensiert werden können“.

Zunächst dachten Winkler und seine FreeJazzSaar-Genossen darüber nach, ihr internationales Festival auf Ende dieses Jahres zu verschieben, gelangten jedoch zur Einsicht, dass dies „ein illusorisches Vorhaben sein würde“. Wichtiger sei, so wurde schließlich befunden, rasch etwas „zur Unterstützung und zum Erhalt der regionalen freien Jazzmusikszene zu tun“, so Winkler. Die Situation der Freischaffenden sei alarmierend: „Auch wenn es zurzeit vereinzelte Kleinst-Gigs im Freien gibt, hatten die meisten Musiker mehrere Monate lang überhaupt keine Auftritte“. Kaum ein Veranstalter traue sich zudem, „für die nächsten Monate Konzerte zu planen“, sagt Winkler. Da obendrein ein Sterben vor allem kleiner Clubs zu befürchten sei, drohe „ein Großteil der Infrastruktur und der Auftrittsmöglichkeiten verloren zu gehen, die vor allem für die freie Szene von grundlegender Bedeutung sind“.

Vor diesem Hintergrund entstand die Idee zu dem solidarischen „CoronaFreeJazzMarathon“. Zahlreiche Förderer konnten gefunden werden, unter anderem Arbeit & Kultur Saarland, Stiftung Demokratie Saarland, Heinrich Böll-Stiftung, Kulturforum der SPD, Ministerium für Bildung und Kultur und die Staatskanzlei.

Der Hygieneplan für den Oktober-Marathon orientiere sich streng an den aktuell im Saarland gültigen Vorschriften, versichert Winkler: „Aufgrund der Abstandsregeln können zu den einzelnen Festivalteilen jeweils nur 45 Einzelpersonen oder circa 40 Paare und Besuchergruppen zugelassen werden.“ Auf dem Veranstaltungsgelände gilt der Mindestabstand von eineinhalb Metern, bis zum zugewiesenen Sitzplatz sind Masken zu tragen, nach jedem Konzertblock wird gelüftet und desinfiziert.

Insgesamt rund 25 Musiker werden beim Marathon starten, vorneweg gestandene Zugpferde wie Christof Thewes, Stefan Scheib, Hartmut Oßwald, Jan Östreich, Elodie Brochier, Olaf Rupp, Henk Nuwenhoud und aus Wiesbaden Wolfgang Schliemann.

Winkler verspricht ein Musikspektrum, das „von kammermusikalischen Darbietungen bis zu Großorchestern reicht und sich stilistisch zwischen dadaistischer Performance, Neuer Musik, Jazz-Rock, Hardcore-Funk, Noise, Modern Jazz, Improvisierter Musik und Free-Jazz bewegt“.

Das Treffen biete die Chance, die Corona-Abstandsregeln kreativ zu nutzen, so Winkler, um „neue experimentelle Aufführungsformen auszuprobieren“: Größere Formationen könnten etwa „in Form einer über den Saal verteilten Klanglandschaft zur Geltung kommen oder müssen sonstwie aufgesplittet werden“. Unterm Strich dürften sich die Besucher auf einen „bunten Mix mit unvorhersehbaren und ungewöhnlichen Besetzungen“ freuen, auf „ein Feuerwerk der Improvisationskunst“.

Für die passende Optik mit Bühnendekoration und Action-Painting soll einmal mehr der vom jährlichen Festival her bekannte Wuppertaler Künstler Jorgo Schäfer sorgen. „Unter den gegebenen Bedingungen erwarten wir ein fulminantes, ganztägiges Jazzabenteuer, das der mit den pandemischen Restriktionen verbundenen resignativen Stimmung trotzt und ein Zeichen setzt für authentischen Selbstausdruck, kreative Vielfalt und solidarische Lebensfreude“, sagt Stefan Winkler und zitiert den Freejazz-Pionier Albert Ayler: „Musik ist die heilende Kraft des Universums.“

Der „CoronaFreeJazzMarathon“ ist am Samstag, 10. Oktober, im Ev. Gemeindezentrum Alte Kirche am St. Johanner Markt (Evangelisch-Kirch-Straße 27). Konzerte sind um 11, 16 und 20 Uhr. Karten kosten jeweils 15/10 Euro. Platzreservierungen: stwi@freejazzsaar.de Wer spenden will, kann dies über www.freejazzsaar.de tun.

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