Ausstelung zu den 68ern Cohn-Bendits Attacke auf die Goldene Bremm
Saarbrücken · Eine Fotoausstellung im Landesarchiv zeigt das Saarland und die Studentenbewegung im Jahr 1968. Am Tag der Archive am Samstag, 3. März, kann man sie von 10 bis 16 Uhr besuchen.
Es waren bewegte Zeiten, die die Menschen vor einem halben Jahrhundert erlebten. In Vietnam tobte ein grausamer Krieg, der den moralischen Anspruch Amerikas auf Führung der „freien Welt“ in Frage stellte. In Prag bereiteten sowjetische Panzer dem kurzen Frühling jenseits des Eisernen Vorhangs ein gewaltsames Ende. Die Ermordung des schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King führte zu schweren Unruhen in den Vereinigten Staaten; wenig später lag hier mit dem erschossenen Robert Kennedy auch die Hoffnung auf ein liberaleres und friedlicheres Amerika am Boden. In Frankreich brachten Maiunruhen die Grande Nation an den Rand eines Bürgerkriegs. Rund um den Globus erhoben sich Vertreter der jungen Generation, um gegen das „Establishment“ ihrer Länder zu protestieren, um für mehr Freiheit, Frieden und Demokratie, für Gleichberechtigung unter den Völkern, Rassen und Geschlechtern zu kämpfen.
In der noch vom Geiste Adenauers geprägten Bundesrepublik fand die in Kalifornien geborene Bewegung vor allem in den Universitätsstädten zehntausende Anhänger. Berlin, Frankfurt oder Göttingen waren aber nicht einfach nur deutsche Kopien der internationalen 68er. Hierzulande hatte die akademische Jugend vielmehr einen Sonderweg eingeschlagen. „Unter den Talaren der Muff aus tausend Jahren“: Was im berühmten Sponti-Spruch bis heute nachklingt, ist zum einen der Protest gegen die unumschränkte Herrschaft der Ordinarien an der Universität. Es ist aber vor allem die empörte Reaktion auf die noch kaum verarbeitete Vergangenheit des nationalsozialistischen Deutschlands. Die Rebellion gegen das Erbe der Nazis, das nach Auffassung der protestierenden Jugend noch immer in Universität, Staat und Gesellschaft zu finden war, dieses Motiv wurde zur Leitmelodie jenes Generationenkonfliktes, der als 68er-Bewegung in die Geschichte eingehen sollte.
Noch heute streitet man sich heftig über die Bedeutung und die Folgen von 1968. Sehen die einen in ihm den Beginn eines liberalen Deutschlands, von Frauenemanzipation, Umwelt- und Friedensbewegung, so machen andere die 68er für alles Übel in einer vermeintlich von Rot und Grün geprägten Kultur der Gegenwart verantwortlich. In der Tat sind die Folgen von 68 höchst ambivalent, führen seine Spuren doch einerseits in die Machtzentren der heutigen Gesellschaft, andererseits auf die Irrwege der Gewalt und des RAF-Terrors. Wie auch immer man dazu stehen mag, so oder so gehört das Jahr, das einst Geschichte schrieb, heute selbst zur Geschichte. Diese Geschichte beschäftigt mittlerweile Historiker und Journalisten, Universitäten und Bibliotheken, Museen und Archive. Auch das einzige staatliche Archiv des Saarlandes widmet sich in diesem Jubiläumsjahr dem Thema, zeigt die 68er-Bewegung an der Saar und das Saarland des Jahres 1968, eine kleine Welt, die damals noch überschaubarer und „gemütlicher“ war als heute.
Ab dem 3. März können sich Besucher des Landesarchivs auf eine Zeitreise zurück ins Jahr 1968 begeben. Auf etwa hundert großformatig reproduzierten Fotografien des lange auch für die SZ arbeitenden Pressefotografen Julius C. Schmidt werden die Ereignisse und die Kultur jenes epochalen Jahres wieder lebendig. Im Mittelpunkt stehen dabei die Demonstrationen und Protestaktionen der Jugend: Der Tag, an dem der ausgewiesene Pariser Studentenführer Daniel Cohn-Bendit an der Goldenen Bremm gestoppt wurde. Die Demos in der Saarbrücker Innenstadt nach dem Attentat auf Dutschke oder vor der Verabschiedung der Notstandsgesetze. Die symbolische Verbrennung einer Demokratie-Puppe auf dem Campus der Universität. Oder die karnevaleske Inszenierung einer Semestereröffnung, mit der die überkommenen Rituale der Ordinarien-Universität an den Pranger gestellt werden sollten.
Ihre größte Wirkung hat die 68er-Bewegung nicht unbedingt an der Universität oder in der großen Politik entfaltet. Viel nachhaltiger und umfassender hat sich der Aufbruch von 68 in der Alltagskultur bemerkbar gemacht. In den damals aufreizenden Veränderungen der Modewelt, in der die Röcke der Damen im gleichen Maße kürzer wurden wie die Haare der Herren länger. In der anglo-amerikanischen Rock- und Popmusik, in der die Beach Boys, die Stones oder Pink Floyd bald weltweit den Ton angaben. In den Theatern und Musentempeln, in denen alte Kunstformen experimentell überformt wurden. Und nicht zuletzt in den blumigen und psychedelischen Prägungen der Hippiekultur, die den Weg aus dem Untergrund in die Zentralen des Kommerz schaffte. Auch davon, von den ersten Spuren, die die 68er im Alltag des Saarlandes hinterlassen haben, erzählen die Bilder von Julius Schmidt in der Ausstellung des Landesarchivs in der Dudweilerstraße in Scheidt.

Am 24. Mai 1968 wollte Daniel Cohn-Bendit an der Goldenen Bremm seine Rückkehr nach Frankreich durchsetzen, letzten Endes vergebens. Die Pariser Regierung hatte ein Aufenthaltsverbot gegen ihn erlassen. Ganz rechts: der Liedermacher Franz Josef Degenhardt.
Foto: Landesarchiv des Saarlandes/Landesarchiv des Saarlandes/Julius C. SchmidtNeunzehn 68. Das Epochenjahr an der Saar, Samstag, 3. März, 10 bis 16 Uhr, im Landesarchiv Saarbrücken, Dudweilerstr. 1, Saarbrücken Scheidt. Archivführungen um 11, 13 und 15 Uhr.