Kunst im öffentlichen Raum Ein „Parasit“ von über zehn Metern Höhe

Saarbrücken · Carsten Glieses Arbeit in der Katholisch-Kirch-Straße spielt mit der barocken Umgebung der Stadtgalerie.

 Carsten Glieses „Parasit“ hat die Brandmauer der Stadtgalerie „befallen“.

Carsten Glieses „Parasit“ hat die Brandmauer der Stadtgalerie „befallen“.

Foto: Iris Maria Maurer

Ein Parasit ist ein Tier oder eine Pflanze, die den in der Regel erheblich größeren Organismus einer anderen Art als Wirt missbraucht. Auch die Innenstadt von Saarbrücken hat einen „Parasiten“, allerdings missbraucht das Kunstwerk des Krefelder Künstlers Carsten Gliese die Brandmauer der Stadtgalerie in der Katholisch-Kirch-Straße in Saarbrücken, wo es zu finden ist, nicht.

Der „Parasit“ ist über zehn Meter hoch und fast sieben Meter breit, es ist ein Digitaldruck auf Dibond-Platten und wird seine Betrachter, wenn sie es entdecken, wohl zuerst überraschen und dann auch etwas verwirren. Denn die Formen, die das Motiv zeigt, leiten sich aus der barocken Schauseite des Gebäudes ab, einzelne Elemente der Fassade finden sich in dem Kunstwerk wieder.

Carsten Gliese führt in seinem Kunstwerk die barocken Kapitelle der Pilaster und der Friese weiter, spiegelt sie um die Ecke. Allerdings sind sie dort nicht als Kopie zu finden, sondern wirken, als ob sie aus Holzplatten dreidimensional auf einer Schiene aneinandergeschraubt aufgehängt wären.

Tatsächlich besteht das Kunstwerk aber aus einer glatten Fläche. Daher ist der „Parasit“ nicht nur einfach ein Werk mit traditionellem trompe-l’oeil-Effekt, denn Gliese interpretiert die barocken Fassadenformen weiter und setzt sie in veränderten Materialien und in rätselhaften, abstrakten Formen um. Und er verwirrt damit das menschliche Auge gleich zweimal.

Carsten Gliese erhielt den Auftrag für das raffinierte Kunstwerk 2010 von der Stadt Saarbrücken auf Anregung des damaligen Leiters der Stadtgalerie, Ernest W. Uthemann, ein Jahr nachdem Carsten Gliese in der Stadtgalerie eine Einzelausstellung seiner Werke präsentieren konnte. Auch in dieser Ausstellung „Arbeitslicht“ zeigte er Werke, in denen er Architekturen zuerst zerlegte, um deren Elemente anschließend neu zusammenzusetzen.

Carsten Gliese, der in Köln lebt, wurde 1965 in Krefeld geboren, studierte an der Kunstakademie Münster, war bis 1995 Meisterschüler, erhielt zuerst einen Lehrauftrag für Fotografie an der Kunstakademie Münster, seit 2014 ist er Professor für Fotografie/Medien an der Hochschule der bildenden Künste Essen.

Für seine Arbeit, in der er sich explizit mit dem Verhältnis von Bildhauerei und Fotografie beschäftigt, erhielt er verschiedene Kunstpreise und Stipendien. Weitere seiner Werke finden sich im Öffentlichen Raum von Wuppertal, Münster und Heidenheim, jedes Mal in Verbindung mit Architekturen. Den Namen „Parasit“ gab er seiner Arbeit an der Brandmauer der Stadtgalerie übrigens, „weil sie wie im Huckepack an der Wand hängt“, erklärte der Künstler bei der Einweihung des Kunstwerks. 

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