#BuntLautSweetProud Saarbrücker LGBTQ-Community wirbt mit bunter Social-Media-Aktion für Toleranz

Saarbrücken · „Sei bunt, laut, sweet, proud“: Diesen Vierklang singen, tanzen, rufen derzeit überall im Land die verschiedensten Menschen. Sie machen mit bei einer Social-Media-Kampagne, die der Saarbrücker Filmemacher Wolfram Jung und der Gastronom und Aktivist Joshua Kuhn ins Leben gerufen haben, um für eine bunte, tolerante Gemeinschaft einzustehen.

Paradiesvogel mit Mumm: Wolfram Jung setzt sich mit Humor und Ideen für seinen Traum von der toleranten, spannenden Stadt ein.

Paradiesvogel mit Mumm: Wolfram Jung setzt sich mit Humor und Ideen für seinen Traum von der toleranten, spannenden Stadt ein.

Foto: Jung

Das muss man sich trauen. In einem eng anliegenden Ganzkörperanzug mit Flamingos drauf steht Wolfram Jung mutterseelenallein auf der Brunnentreppe am St. Johanner Markt und hält aus voller Kehle eine Rede an die Passantinnen und die Kaffeetrinker vor den Cafés. Er fordert ihre Solidarität, weil Menschen wie er in vielen Teilen der Welt immer noch für ihre sexuelle Orientierung verfolgt werden. Danach tanzt der 43-Jährige einmal quer über den Markt und bekommt viel Applaus. Saarbrücken, das Saarland, ist ja bekanntlich ein Ort mit großem Herzen und viel „laissez faire“. Oder machen wir uns da vielleicht was vor?

„Es hat alles mit den Ampelmännchen angefangen“, erzählt der Filmemacher ein paar Tage nach dem Markt-Auftritt. Er stellt im SZ-Gespräch seine neueste Social Media-Aktion „Bunt, laut, sweet, proud“ vor, die er gemeinsam mit Joshua Kuhn entwickelt hat. Und die entstand als Reaktion auf die teils erschütternden Reaktionen, die es in den sozialen Netzwerken gab, als Saarbrückens Oberbürgermeister das erste gleichgeschlechtliche Ampelpärchen vorstellte.

Joshua Kuhn ist Wirt des "Einraum 2.0", organisiert den Christopher Street Day mit und veranstaltet gemeinsam mit Wolfram Jung die Aktion „BuntLautSweetProud".

Joshua Kuhn ist Wirt des "Einraum 2.0", organisiert den Christopher Street Day mit und veranstaltet gemeinsam mit Wolfram Jung die Aktion „BuntLautSweetProud".

Foto: Jung/Wolfram Jung

„Ich hatte eigentlich gedacht, ach, die Ampel brauche ich nicht. Und keinen Politiker, der Werbung mit meiner Sexualität macht“. Aber dann fragten ihn Freunde, ob er denn mal die Kommentare auf Facebook und Instagram gelesen habe. Und die hauten ihn dann regelrecht um. Da hatten niederschmetternd viele Kommentarschreiber quasi mit Schaum vorm Mund übelste Beschimpfungen hinterlassen. „Da habe ich mich so beleidigt gefühlt“, sagt Wolfram Jung. „Da habe ich gemerkt, die Stimmung wird wieder schlechter“. Und er stellte sich vor, was wohl ein junger Mensch empfindet, der noch nicht gewagt hat, sich zu outen. „Wenn der solche Kommentare liest, traut er sich vielleicht nie und lebt ein komplett unglückliches Leben“.

Und so entstand eines Nachts im „Einraum 2.0“ (der letzten LGBTQ-Bar der Stadt, alle anderen haben in den letzten Jahren geschlossen) die Idee zu „Bunt, laut, sweet, proud“. Wolfram Jung – in Saarbrücken unter anderem bekannt für seine Aktion „Geile Stadt braucht geile Aktion“ – und der „Einraum“-Wirt Joshua Kuhn überlegten, dass sie dem Asozialen im Internet etwas Soziales entgegensetzen wollten. All den Menschen im Land, die ihre sexuelle und geschlechtliche Orientierung glauben, verstecken zu müssen, Mut zu machen. Dass sie nicht allein sind. Dass sie bunt und laut und süß und stolz sein dürfen.

 Auch bei den warmen Nächten in Saarbrücken und in den Clubs der Republik entstehen Videos zu "BuntLautSweetProud"

Auch bei den warmen Nächten in Saarbrücken und in den Clubs der Republik entstehen Videos zu "BuntLautSweetProud"

Foto: Jung

Im Pride-Monat Juni, dem Monat, in dem traditionell überall die Christopher Street Day-Paraden laufen, sollen jetzt überall Menschen rausgehen auf die Straße, sich zeigen, in die Kamera laut ihr „Bunt, laut, sweet, proud“ rufen und das Ganze in ihren jeweiligen Internet-Kanälen hochladen. „Wir vernetzen das dann“, sagt Wolfram Jung. So soll ein riesiges Netz entstehen, sollen Menschen überall verbunden sein durch diese Aktion. Und gegen den Hass.

Mit am Tisch im „Einraum 2.0“ saß an diesem Abend auch der zwischen Saarbrücken und Bremen pendelnde Produzent YoloPopBam. „Und der sagte gleich: Ich mach euch die Musik“, erzählt Wolfram Jung. Der Song ist ein echter Mitwipper geworden, ein richtiges „Sommerpartyfreulied“, wie Wolfram Jung es nennt. Jetzt wird aus allen Videos, die die Leute hochladen, am Ende ein Musikvideo geschnitten, in dem quasi alle zusammen singen.

Aus ganz Deutschland trudeln die Videobotschaften ein, auch im Wald skandieren die Teilnehmer ihren Slogan "BuntLautSweetProud".

Aus ganz Deutschland trudeln die Videobotschaften ein, auch im Wald skandieren die Teilnehmer ihren Slogan "BuntLautSweetProud".

Foto: Jung

„Vielleicht brauche ich auch drei oder vier Videos“, sagt Jung. Denn der Erfolg ist überraschend groß. Eigentlich sollte es erst im Juni richtig losgehen, aber schon wenige Tage nach Bekanntwerden der Aktion trudelten die ersten Videos ein. Aus Hamburg, aus München, aus Frankfurt, aus Saarbrücken natürlich. . . „Ich habe nicht damit gerechnet, dass das so losgeht“. Jetzt haben er und Joshua Kuhn richtig viel zu tun. „Und es wäre so toll, wenn am Christopher Street Day in Saarbrücken (am 11. Juni) vielleicht schon die ersten unseren Song und diese Parole singen würden“, träumt Wolfram Jung.

Gerade war er auch bei den „Warmen Nächten“ in der Saarbrücker Garage für die Aktion mit der Kamera unterwegs. Da hätten viele begeistert mitgemacht. „Aber ich habe auch gemerkt, dass es eine ganze Menge Leute gibt, die sich eben nicht öffentlich zeigen wollen, weil sie Angst haben. Lehrer vor ihren Schülern, Kinder vor ihren Eltern“.

Auch Paare wie dieses sind bei der Aktion "BuntLautSweetProud" dabei.

Auch Paare wie dieses sind bei der Aktion "BuntLautSweetProud" dabei.

Foto: Jung

Genau deshalb hat er auch seine einsame Markt-Aktion im Flamingo-Jumpsuit gemacht, um anderen Mut zu machen: „Wenn ich mich traue, mich da so öffentlich hinzustellen, dann trauen sich andere vielleicht eher, sich in ihrem Umfeld zu outen“. Bunt, laut, sweet, proud eben.

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