Es wird gelesen Buchhändler erteilen Autoren gern das Wort

Saarbrücken · Die Literaturanbieter im Regionalverband veranstalten regelmäßig Lesungen mit Stars und Newcomern. Aber vor oft allzu kleiner Kulisse.

 Wer bei einer Lesung auf den Geschmack kommt, kann das Buch kaufen oder in der Bibliothek ausleihen.

Wer bei einer Lesung auf den Geschmack kommt, kann das Buch kaufen oder in der Bibliothek ausleihen.

Foto: dpa/Maja Hitij

Saarbrückens Kulturszene hat mehr zu bieten als Staatstheater, Galerien und Festivals. Eine Art von Veranstaltungen, die zweifellos auch zum Kulturbetrieb gehört, wird aber fast konsequent ignoriert: Lesungen. Sie sind sozusagen das Stiefkind des Saarbrücker Kulturbetriebes.

Dabei wartet unsere Landeshauptstadt auch hier mit einigem auf. Vier Veranstalter von Lesungen im Regionalverband Saarbrücken erzählten der SZ, was sie lesen lassen, wen sie lesen lassen und wie es um die Lesungsszene in und um die City generell so bestellt ist.

Die Buchhandlung Raueiser, seit 1886 am St. Johanner Markt vertreten, veranstaltet im Jahr rund zehn Lesungen. Dabei verfolgt das Haus einen „gewissen Qualitätsanspruch, eine gewisse Linie“, wie das Team der Buchhandlung erklärt. Zwar gibt es immer mal wieder Lesungen aus Sachbüchern, doch der Schwerpunkt der Buchhandlung ist ein anderer: Literarisch soll es sein.

So war in diesem Jahr Burghart Klaußner mit seinem Debüt-Roman „Vor dem Anfang“ zu Gast und stellte damit eine der hochgelobten Neuerscheinungen der Saison vor. Im März luden die Buchhandlung und SR2 Kulturradio den deutschen Buchpreis-Sieger des vergangenen Jahres, Robert Menasse, mit seinem Roman „Die Hauptstadt“ ein.

Bei der Auswahl der Autoren spielen Namen eine große Rolle. Allerdings nicht nur jene, die bereits etabliert sind, „sondern auch Namen, die bekannt werden sollen“, wie die Buchhandlung mitteilt.

So war der gebürtige Saarbrücker Emanuel Bergmann mit seinem Debüt-Roman „Der Trick“ zu Gast bei Raueiser, lange bevor das Werk vom Feuilleton gefeiert wurde. Auf eine Kooperation ist die Buchhandlung Raueiser besonders stolz: Mit dem Regionalverband Saarbrücken veranstaltet sie seit Jahren die Reihe „Zu Gast im Schloss“. Im November war die aktuelle Buchpreis-Siegerin Inger-Maria Mahlke mit ihrem Roman „Archipel“ da, am 14. März geht es weiter mit Christian Berkels „Der Apfelbaum“.

Verstaubt, wie oft zu hören, seien Lesungen keinesfalls, betont das Raueiser-Team, sondern vielmehr „multimediale Veranstaltungen“, die eine „Chance zum Austausch“ und „direkten Bezug zum Autor liefern“.

Und dennoch: Mit Lesungen scheinen es die Anbieter in Saarbrücken schwer zu haben. Sie ließen sich oft schlecht planen, öffentliches Feedback fehle vollkommen. Das Team bei Raueiser führt das zumindest teilweise auf die mangelnde öffentliche Wertschätzung zurück. „Lesungen gehen oft unter.“ Erwünscht seien, vor allem in den Print-Medien, mehr Ankündigungen und Rezensionen, sogar eine feste Literaturspalte. Der Tenor: „Wir wollen unterstützt werden!“ Eine Einzelmeinung? Keinesfalls.

Auch Ludwig Hofstätter von der Buchhandlung St. Johann merkt an, dass die Kommunikation nicht ideal sei. „Eine kontinuierliche Ankündigung funktioniert nicht, manchmal funktioniert es grandios und manchmal gar nicht“, sagt er. So entsteht gar ein strukturelles Problem: Wie erfährt der interessierte Leser überhaupt von Lesungen? Und so bleibt das Stammpublikum oft die Stammkundschaft des Buchladens. Doch Hofstätter sieht weitere Faktoren, die einen befriedigenden Lesungsbetrieb erschweren: „Übersättigung an Lesungen, andere Interessenfelder, mangelnde Koordination der Veranstalter untereinander. Jeder kocht sein eigenes Süppchen.“ Lamentieren will Hofstätter allerdings nicht.

Schließlich kann auch er eine Kooperation vorweisen, auf die er sehr stolz ist. „Böll & Hofstätter“ könnte nicht besser laufen“, sagt er. Gemeint ist die Zusammenarbeit der Buchhandlung St. Johann mit der grünen Heinrich-Böll-Stiftung. Die Veranstaltungen in dieser Reihe sind Lesungen mit einem höheren Etat, oft mit einem höheren literarischen Gehalt. Autoren wie Peter Bichsel und Wolfram Eilenberger sind dann zu Gast. „Inhaltlich bin ich verantwortlich, zahlende Instanz ist dann die Stiftung“, erklärt Hofstätter.

Bei der Auswahl der Autoren bezieht Hofstätter zahlreiche Faktoren mit ein: Passt die Lesung in den Tour-Rahmen des Autors? Welche Bücher sind neu? Welcher Autor ist die beste Wahl?

Auch das Saarländische Künstlerhaus veranstaltet in Kooperation mit dem Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS), genauer mit dem VS-Landesverband Saar, rund ein Dutzend Lesungen jährlich. Dabei werden die Autoren unter einem ganz bestimmten Aspekt ausgesucht: dem regionalen Zusammenhang. Wer im Künstlerhaus lesen will, muss entweder aus dem Saarland stammen oder in seinem Werk einen Bezug zum Land herstellen. In erster Linie geht es dabei um Belletristik, seltener um Sachtexte.

Ab und zu sind Lyrik-Lesungen dabei, das sind dann aber eher „Spezialveranstaltungen“, wie Bernd Nixdorf vom Künstlerhaus erzählt. „Wir gucken nicht unbedingt auf die Anzahl der Gäste, wir bieten auch Literatur, die nicht so populär ist“, sagt er weiter.

Das Stammpublikum besteht aus etwa 30 bis 40 Schriftstellern und Literaturfreunden. Doch das Lesungsprogramm lädt auch zum Ausprobieren ein. Durch die institutionelle Förderung ist das Künstlerhaus selbstverwaltet, die Lesungen sind somit kostenfrei. Den Rahmen der Lesungen beschreibt Nixdorf als „sehr locker“, fragt sich sogar scherzhaft, ob man damit vielleicht schon den einen oder anderen Autor verprellt habe.

Das Künstlerhaus blickt lesungstechnisch aber auch über den saarländischen Tellerrand hinaus: Zusammen mit der Anglistik und Germanistik der Universität des Saarlandes sowie der Deutsch-Polnischen-Gesellschaft veranstaltet das Künstlerhaus weitere Lesungen. Zuletzt war beispielsweise Szczepan Twardoch zu Gast, einer der herausragenden Autoren der polnischen Gegenwartsliteratur.

Wer sich für Lesungen interessiert, muss allerdings nicht zwingend in die Saarbrücker Innenstadt fahren. Auch die Buchhandlung Balzert in Riegelsberg veranstaltet regelmäßig Lesungen. Dort setzt man auf lokale Autoren – eine „Win-Win-Situation“, wie es von Balzert heißt. Die Buchhandlung will so Kundenbindung betreiben, und die Autoren machen Werbung in eigener Sache.

So waren schon Klaus Brabänder und Christian Bauer mit ihren Saar-Krimis zu Gast. Und damit trifft man genau den Geschmack der Kunden: Unter denen gibt es nämlich zahlreiche Krimi-Fans. Neben Bekanntmachungen in den lokalen Medien setzt die Buchhandlung Balzert noch auf persönliche Einladungen, inzwischen gibt es ein regelrechtes Stammpublikum. Für die saarländischen Literaturtage im März und April plant die Buchhandlung Balzert einen bretonischen Abend.

Die Buchhandlung Raueiser lädt Reinhard Kaiser-Mühlecker mit seinem Roman „Enteignung“ ein. Und auch die Buchhandlung St. Johann sowie das Saarländische Künstlerhaus werden bald ihr Programm für die neue Saison vorstellen. Auch wenn der Lesungsbetrieb in Saarbrücken manchmal vor seinen ganz eigenen Herausforderungen zu stehen scheint, dürfen sich Literaturfans schon jetzt auf weitere literarische Highlights im neuen Jahr einstellen. Denn Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude.

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