Erde und Mensch pflegen

Bischmisheim · In den 80er Jahren war der Karcherhof eine Ruine. Heute hilft dort der „Verein zur Pflege von Erde und Mensch“ Kindern in schwierigen Situationen. Die jungen Leute machen dort unter anderem Hausaufgaben und versorgen Tiere.

 Auf Du und Du: Erzieherin Iris Schättgen mit Sohn Benjamin und dem Thearpieochsen Maurice. Foto: Astrid Karger

Auf Du und Du: Erzieherin Iris Schättgen mit Sohn Benjamin und dem Thearpieochsen Maurice. Foto: Astrid Karger

Foto: Astrid Karger

Was heute als "Jugendhilfeeinrichtung" heilpädagogische Arbeit leistet, war in den 80er Jahren eine idyllisch gelegene Ruine, die jungen Idealisten für die Verwirklichung eines Lebens im Einklang mit sich und der Umwelt geeignet schien. Der Karcherhof liegt im Tal zwischen Brebach-Fechingen und Bischmisheim. Der von der achtköpfigen Gruppe gegründete anthroposophische Verein heißt heute "Verein zur Pflege von Erde und Mensch".

Die Gruppe sanierte den Hof in jahrelanger Arbeit, eine große Spende ermöglichte den Kauf, mit einem hinzugekommenen Bauern startete die Landwirtschaft.

Ab 1997 entstand die heilpädagogische "Tagesgruppe Karcherhof" als nachschulisches Betreuungsprojekt für Kinder in schwieriger Situation.

Aktuell fahren nach Schulschluss die Busse des Vereins acht Schulen an, um 13 Kinder zum Karcherhof zu bringen. Dort gibt es ein gemeinsames Mittagessen mit allen Mitarbeitern. Die Kinder machen unter Anleitung Hausaufgaben und bewirtschaften dann mit den Pädagogen den Hof und versorgen die Tiere.

Diese Arbeit ist der Kern des heilpädagogischen Ansatzes. Der Sinn des Tuns ist offensichtlich, denn die Tiere müssen gefüttert und die Ställe ausgemistet werden. Vernachlässigte Kinder erfahren so in der aktiven Rolle vielleicht zum ersten Mal, was Fürsorge ist, was es heißt, sich um ein Lebewesen zu kümmern.

Die Pädagogen schauen genau, welches Tier, welche Aufgabe zu welchem Kind passt. "Manche Kinder brauchen einfach Seelenfrieden, dafür sind die Pferde da, die füttern die Seele", sagt Iris Schättgen, Erzieherin mit Zusatzausbildung "tiergestützte Intervention". Die Kühe sind Lehrmeister im Fach "Regeln einhalten": Wer sich in ihrer Nähe nicht "kuhgerecht" verhält, riskiert Verletzung.

Das Vertrauen des scheueren Hofhundes zu gewinnen, macht die Kinder stolz. Das alte Pferd Mara steht auf schwachen Beinen und erfährt viel Mit- und Verantwortungsgefühl.

Kinder, die niemanden um sich herum ertragen, finden Zugang zur großen Ziege "Zwerg", die mit ihrem ruhigen Blick und dem warmen Fell einfach guttut. "Bei jedem Kind gibt es irgendwo ein Tier, wo sich Anknüpfungspunkte finden lassen", so Iris Schättgen.

Es ist keine heile Welt, die Jugendlichen werden vom Jugendamt nicht ohne Grund vermittelt, aber sie funktionierte von Anfang an "inklusiv".

Kinder mit aggressivem oder destruktivem Verhalten treffen auf Kinder mit geistiger Behinderung, auch autistische Kinder finden ihre Arbeitsgruppe und vielleicht "Erdung".

Konflikte entstehen und werden thematisiert, manche bleiben ungelöst. Die Regelmäßigkeit gibt den Kindern Halt, in ihre Aufgaben wachsen sie hinein. Wobei manche Aufgaben wie "Misthaufen geradeziehen und Unkraut jäten" etwas unbeliebter sind....

Ganz in der Nähe bietet der Verein mit dem Hofgut Thalmühle seit 2002 ein sozialpsychiatrisches Heim für junge Erwachsene. Ein geregelter Tagesablauf mit sinnvoller Betätigung ohne Erwerbsdruck, das Leben in Gemeinschaft und psychologische Betreuung helfen, Stabilität und Perspektive in ein aus den Fugen geratenes Leben zu bringen. "Jeder will arbeiten, etwas Sinnvolles für andere tun", sagt Vereinsmitglied Uwe Schättgen.

Der "Verein zur Pflege von Erde und Mensch" verfügt über 27 Hektar Grünland, drei Hektar Gemüse- und Ackerbaufläche. Hofprodukte wie Apfelsaft, Honig und Eier können vor Ort erworben werden.

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