LouLou Bestie, Rampensau, Nymphchen, Jazzlady – plus Walking Bass

Saarbrücken · Von Kerstin Krämer

Herrrreinspaziert, Herrschaften! Die Büchse der Pandora ist geöffnet – die Bestie ist los! Die Bestie trägt einen Mantel mit floralem Dschungelmuster, eine giftgrüne verspiegelte Sonnenbrille in Herzform, und sie ist, wie sich das für ein rechtes Tierchen gehört, unberechenbar.

Die Bestie liebt den theatralischen Auftritt, die große Geste und den Flirt mit dem Publikum, und so irrlichtert sie durch die Reihen, um mit maliziösem Lächeln fette Beute zu schlagen: Der solcherart entwaffnete Zuhörer kann gar nicht anders, als dem Gesamtkunstwerk Lisa Ströckens fasziniert zu verfallen.

Die Sopranistin ist eine raffinierte Rampensau und die weibliche Hälfte des höchst originellen Saarbrücker Duos „LouLou“, das am Freitag auf Einladung des Kulturvereins KuBe (Kultur und Bewusstsein) im proppenvollen Café de Paris seine erste CD „LouLou & die Heerscharen der Verfluchten“ (JazzHausMusik) vorstellte.

Von ihrem männlichen Partner Stephan Goldbach trennen Ströckens nicht nur mehrere Oktaven, denn der spielt Kontrabass, sondern auch eine komplett andere Attitüde: Goldbach gibt den in seiner Moderation mitunter belehrenden seriösen Gegenpart, der von der gelangweilten Bestie mit „Stäff!“ angefaucht wird, wenn er zu weit ausschweift.

Mühelos bringen die beiden eigene Noten und Stücke von Henry Purcell, Johann Sebastian Bach, Alban Berg, Theo Mackeben, Tom Waits, Björk, von Rage against the Machine oder Portishead mit Chansons, Jazz-Standards, Improvisation und sogar Neuer Musik unter eine Fuchtel.

Als Muse und Inspirationsquelle für diese sehr spezielle Menagerie aus Pop, Jazz und Klassik dient Lulu: jenes männermordende Weib, dem Frank Wedekind und Alban Berg einstmals ein Denkmal setzten – die Heerscharen der Verfluchten sind die Zuhörer, die dem Duo hilflos zum Opfer fallen.

Szenisch aufgehübschte Texte von Wedekind, Gottfried Benn und Julia Engelmann sorgen abwechselnd für ernsthafte Grundierung oder ironische Brüche und fungieren zugleich als Bindeglied zwischen den Titeln, die durch den originären und freien Zugriff des Duos ein einheitliches Gepräge bekommen.

Und gerade durch die oftmals fließenden Übergänge und die Reduktion entfalten die Nummern ihre Wirkung – das Spektrum reicht von witzig über burlesk bis anrührend.

Ströckens verfügt über ein beeindruckendes schauspielerisches und komödiantisches Potenzial, und sie beherrscht die seltene Kunst, mühelos zwischen klassischem Ansatz und Naturstimme zu wechseln: Mal knurrt sie im Sprechgesang oder swingt wie eine lässige Jazzlady, um sich dann als girrendes Nymphchen mit kalkuliertem Vibrato in ätherische Höhen aufzuschwingen, bevor sie wieder in stimmmächtigen Belcanto ausbricht.

Derweil Goldbach sich als kongenialer Partner erweist, der Ströckens’ Extravaganzen mit einem schlichten Walking Bass erdet, im wahrsten Sinne des Wortes Kontrapunkte setzt oder seinerseits zu rumorenden Abenteuern mit dem Bogen und abwärts rutschenden Linien startet.

Dieses furios trunkene Stimmungskarussell dreht sich so intensiv, so kurzweilig, ja geradezu flüchtig, dass die Zeit nur so verfliegt und man sich schon auf das nächste Mal freut, wenn es wieder heißt: „Lulu’s back in town“.

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