Nacht der Kirchen Auch in der Notkirche wird Luther gefeiert

Saarbrücken · Viele evangelische Kirchen öffneten am Dienstag ihre Türen zur „Nacht der Reformation“.

 Reformationstag am Abend in der Notkirche: Ewald Schulz führte durch die Erzählfiguren-Ausstellung.

Reformationstag am Abend in der Notkirche: Ewald Schulz führte durch die Erzählfiguren-Ausstellung.

Foto: Iris Maria Maurer

„Gleich wird das Brot verteilt an die Gemeinden“, sagt Jan Paulus und blickt erwartungsvoll in Richtung Ludwigskirche. Die Brotübergabe am Ende des Festakts, erklärt der Pfadfinder, ist das Startsignal für die Ausweitung der Reformationsjubiläums-Feiern in den einzelnen Gemeinden. Der junge Mann ist gespannt, ob es gleich voll werden wird am Lagerfeuer im Rundzelt, das mehrere Pfadfinder-Gruppen auf dem Ludwigsplatz aufgebaut haben. Allein in Saarbrücken luden zwölf Kirchen am Dienstagabend zu einem Festprogramm. Ein Blick in die Ludwigskirche sagt Jan Paulus: „Das wird wohl später was.“ Denn dort sind hunderte Menschen erst mal sitzen geblieben, um den Auftritt des Gospel-Chors Saarbrücken zu verfolgen.

Rund 30 Sängerinnen und Sänger in afrikanischen Kleidern erheben hier die Stimme, um Gospels und Spirituals von Freiheit und gegen Unterdrückung zu singen. Pfarrer Otto Deutsch, ihr früherer Leiter, erzählt dazu aus dem Leben von Martin Luther King. Was für ein Klangerlebnis in dem strahlenden Kirchenraum. Da will man doch nicht weg. Doch auch andernorts, in der wohl kleinsten Kirche, der Notkirche am 40er Grab, kann man zur gleichen Zeit über Besuchermangel nicht klagen. „Gerade hat hier neben mir am Tisch noch die Oberbürgermeisterin gesessen“, sagt Karl-Heinz Huppert und verspeist ein Stück Kuchen. Huppert ist mit dem Bus aus der Stadtmitte gezielt hierher gekommen. „Weil diese Kirche hier einmalig ist, so gemütlich mit den Tischen, Stühlen und der Holzvertäfelung, ist das fast wie ein zweites Wohnzimmer“, schwärmt er. Vorne hebt Ewald Schulz einen kleinen Lederbeutel hoch und lässt die kleinen Besucher hineingreifen. Mit solchen Ton-Murmeln, erzählt Schulz, habe Luther als Kind gespielt.

In der Notkirche hat man das Programm an diesem Abend für die ganze Familie ausgerichtet. Kleine Stofffiguren stellen auf einem langen Tisch wichtige Lebensstationen des Reformators wie den Thesenanschlag vor. Vorne machen sich nun die Bläser des Saarbrücker Posaunenchors für einen Auftritt bereit.

Derweil stehen in der Schlosskirche Kinder und Erwachsene an Druckerpressen, um sich Luther-Postkarten oder Bierdeckel zu drucken. Eigens für diesen Abend hat das Zeitungsmuseum Wadgassen seine Mitmach-Abteilung aus der Ausstellung „Luther für Kinder“ hier aufgebaut. „Mindestens 50 Leute waren schon hier“, erzählt Matthias Weber so gegen 22 Uhr und ermuntert die neuen Gäste, doch mal mit einem Federkiel zu schreiben. Von draußen hört man Kraniche und ab und zu einen Automotor. Auf den Teppichen rund ums wärmende Lagerfeuer könnte man es gut noch Stunden aushalten. „Was? Schon elf Uhr?“ Schrickel staunt. Nach 48 Stunden im Einsatz heißt es für die Pfadfinder jetzt: Zelte abbauen. Doch an so einem Tag fällt es nicht leicht, sich zu trennen. Immer noch huschen einzelne Menschen durch die Dunkelheit in die Ludwigskirche. Außen blau und innen weiß war sie eine Nacht lang  in jeder Hinsicht der hellste Punkt der Stadt.

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