Zwei-K(l)assen-Gesellschaft Gesetzlich Versicherte haben das Nachsehen

Saarbrücken · Selbstversuch im Internet: Mediziner bevorzugt bei Terminvergabe Privatpatienten. Kassenärztliche Vereinigung: „total ungeschickt“.

 Gesetzlich versicherte Patienten haben das Nachsehen: Sie kommen auf die Warteliste, wenn sie eine Sprechstunde im Internet anfragen.

Gesetzlich versicherte Patienten haben das Nachsehen: Sie kommen auf die Warteliste, wenn sie eine Sprechstunde im Internet anfragen.

Foto: Matthias Zimmermann

Viele ahnten es bereits. Aber dass es jemand so unverhohlen tut – damit hat ein junger Mann nicht gerechnet. Er leidet an Neurodermitis, an einer chronischen Krankheit, die seine Haut rötet, auf ihr Juckreiz verursacht und sie sogar schmerzhaft aufspringen lässt. Um einen dieser Schübe von einem Facharzt behandeln zu lassen, wollte der Geplagte einen Termin vereinbaren. Via Internet. Die Seite des Mediziners bietet dies an. Doch was ihn da erwartete, verwunderte den 18-Jährigen schon arg.

Gleich zu Beginn kam die Aufforderung, die Krankenkasse anzugeben. Als gesetzlich Versicherter hätte er wochenlang auf einen Termin warten müssen. Aus Jux und Dollerei gab er schließlich an, Privatpatient zu sein. Da traute er seinen Augen nicht: Er hätte nur wenige Tage warten müssen und sogar mehrere Termine zur Auswahl gehabt. „Zwei-Klassen-Gesellschaft gibt es nicht? Die Online-Terminvergabe vermittelt mir da einen ganz anderen Eindruck“, sagt er.

Diese Vergabepraxis des Hautarztes sorgt bei der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland für gemischte Reaktionen. So wertet Vorstandschef Gunter Hauptmann sie als „total ungeschickt“, da sie die Diskussion über den Umgang mit gesetzlich und Privatversicherten „unnötig anheizt“. Dabei bestreitet er nicht, dass seine Kollegen wegen der gesetzlichen Gebührensatzung „für Privatpatienten Terminkapazitäten reservieren“. Denn bei deren Behandlung erhielten die Mediziner „doppelt so viel Honorar“ wie bei einem Kassenversicherten. Zwar liegt der Anteil der Privaten im Saarland nach Hauptmanns Angaben nur zwischen fünf und sieben Prozent. Aber wegen der erheblich höheren Honorare finanzierten die Ärzte mit diesen Patienten einen wesentlichen Teil ihrer Einkünfte. Hauptmann fordert deswegen, die Honorarsätze anzugleichen.

Trotz dieser Voraussetzungen und des aktuellen Falles versichert Hauptmann aber: „Viele Praxen machen keinen Unterschied.“ Sicherlich hielten einige Termine für Private frei, das seien aber nur wenige.

Unterdessen empfiehlt der Vorstandsvorsitzende, nur bei Routine-Untersuchungen wie Krebsvorsorge auf die Terminvergabe im Netz zurückzugreifen. „Wenn es um akute Erkrankungen geht, ist der Anruf in der Praxis unerlässlich.“ Helferinnen seien geschult, nach einem Fragenkatalog die akute Situation einzuschätzen und Termine zu vergeben, ohne Blick auf die Versicherungsart.

Was in diesem Fall im Internet geschehen ist, wertet Hauptmann jedoch als „echt nicht gut“. Er empfiehlt Betroffenen, die ähnliche Erfahrungen machen, sich an die Beschwerdestelle seiner Kassenärztlichen Vereinigung zu wenden.

Der Neurodermitis-Patient, der im Netz über die ungleiche Behandlung gestolpert war, wechselte mittlerweile zu einem Arzt, der keine Online-Anmeldung anbietet. Und kam direkt dran – als gesetzlich Versicherter.

Kontakt zur Kassenärztlichen Vereinigung Saarland: Tel. (06 81) 99 83 70.

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