Zwei-K(l)assen-Gesellschaft Gesetzlich Versicherte haben hier das Nachsehen

Saarbrücken · Selbstversuch im Internet: Mediziner bevorzugt bei Terminvergabe Privatpatienten. Kassenärztliche Vereinigung Saarland: „total ungeschickt“.

 Viele Ärzte bieten mittlerweile Terminvereinbarungen via Internet an. Dies sorgen zuweilen für böse Überraschungen. (Symbolbild)

Viele Ärzte bieten mittlerweile Terminvereinbarungen via Internet an. Dies sorgen zuweilen für böse Überraschungen. (Symbolbild)

Foto: dpa/Patrick Pleul

Viele ahnen es. Aber so unverhohlen – damit hat er nicht gerechnet. Ein junger Mann leidet an Neurodermitis, an einer chronischen Krankheit, die seine Haut rötet,  auf ihr Juckreiz verursacht und sie sogar schmerzhaft aufspringen lässt. Um einen dieser Schübe von einem Facharzt behandeln zu lassen, wollte der Geplagte einen Termin vereinbaren. Via Internet. Die Seite des Mediziners bietet dies an. Doch was ihn da erwartete, verwunderte den 18-Jährigen schon arg. Gleich zu Beginn sollte er seine Krankenkasse angeben. Als gesetzlich Versicherter  sollten alle Sprechstundenzeiten Wochen im Voraus vergeben sein. Aus Jux und Dollerei gab er anschließend an, Privatpatient zu sein. Da traute er seinen Augen nicht: Zahlreiche Termine, sogar mehrere am Tag, wurden ihm offeriert. „Zwei-Klassen-Gesellschaft gibt es nicht? Die Online-Terminvergabe vermittelt mir da einen ganz anderen Eindruck“, sagt er.

Private bringen finanziell mehr

 Wer privatversichert ist, liegt bei diesem Arzt bei der Online-Terminvergabe klar im Vorteil. Dem Patienten werden zeitnah gleich mehrere Tage und Uhrzeiten angeboten.

Wer privatversichert ist, liegt bei diesem Arzt bei der Online-Terminvergabe klar im Vorteil. Dem Patienten werden zeitnah gleich mehrere Tage und Uhrzeiten angeboten.

Foto: Matthias Zimmermann

Diese Vergabepraxis des Hautarztes sorgt bei der Kassenärztlichen Vereingung Saarland für gemischte Reaktionen. So wertet  Vorstandschef Gunter Hauptmann sie als „total ungeschickt“, da sie die Diskussion über den Umgang mit gesetzlich und Privatversicherten unnötig anheizt“. Dabei bestreitet er nicht, dass seine Kollegen wegen der gesetzlichen Gebührensatzung „für Privatpatienten Terminkapazitäten reservieren“. Denn bei deren Behandlung erhielten die Mediziner „doppelt so viel Honorar“ wie bei einem Kassenversicherten. Zwar liege der Anteil der Privaten im Saarland nach Hauptmanns Angaben zwischen fünf und sieben Prozent. Aber wegen der erheblich höheren Einkünfte durch Privatpatienten finanzierten Ärzte ihre Praxis durch einen wesentlichen Teil darüber.  Hauptmann fordert deswegen eine Angleichung der Honorarsätze. Das müsse die Politik angehen.

 Gesetzlich versicherte Patienten haben das Nachsehen: Sie kommen auf die Warteliste, wenn sie um eine Sprechstunde im Internet anfragen.

Gesetzlich versicherte Patienten haben das Nachsehen: Sie kommen auf die Warteliste, wenn sie um eine Sprechstunde im Internet anfragen.

Foto: Matthias Zimmermann

Experte spricht von Einzelfall

Trotz dieser Voraussetzungen und des aktuell im Internet aufgetauchten Falles versichert Hauptmann aber: „Viele Praxen machen keinen Unterschied.“ Sicherlich halten einige Termine für Private frei, das seien aber nur wenige.

Terminvergabe am Telefon

Unterdessen empfiehlt der Vorstandsvorsitzende, nur bei Routine-Untersuchungen auf die Terminvergabe im Netz wie Krebsvorsorge zurückzugreifen. „Wenn es um akute Erkrankungen geht, ist der Anruf in der Praxis unerlässlich.“ Helferinnen seien geschult, nach einem Fragenkatalog die Situation einzuschätzen und Termine zu vergeben, ohne Blick auf die Versicherung.

Hier können sich Patienten beschweren

Was in diesem Fall im Internet geschehen ist, wertet Hauptmann jedoch als „echt nicht gut“. Er  empfiehlt Betroffenen, die ähnliche Erfahrungen machen, sich an die Beschwerdestelle seiner Kassenärztlichen Vereinigung zu wenden.

Der Betroffene, der im Netz über die ungleiche Behandlung gestolpert ist, wechselte den Arzt, der keinen Online-Anmeldung anbietet. Und kam direkt dran, als gesetzlich Versicherter.

Kontakt zur Kassenärztlichen Vereinigung Saarland: Tel. (06 81) 99 83 70.

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