Flüchtlingshilfe Damit es Geflüchteten hier besser geht

Saarbrücken · Das Netzwerk Ankommen in Saarbrücken hilft ideenreich – mit 150 Ehrenamtlichen und nun auch einem neuen Leiter.

 Das feste Team von Ankommen (von links): Osama Alhaj Kasar, Emine Isgören, Anas Cherqaoui, Sebastian Schwalbach, Guri-Grit Liebezeit, Layla Emmerich sowie Martin Erbelding, zweiter Vorsitzender der LAG Pro Ehrenamt.

Das feste Team von Ankommen (von links): Osama Alhaj Kasar, Emine Isgören, Anas Cherqaoui, Sebastian Schwalbach, Guri-Grit Liebezeit, Layla Emmerich sowie Martin Erbelding, zweiter Vorsitzender der LAG Pro Ehrenamt.

Foto: Thomas Seeber/Netzwerk Ankommen/Thomas Seeber

Die Tür in der Nauwieserstraße 52 steht immer offen. Das ist Sebastian Schwalbach wichtig. Nicht nur, damit in diesen heißen Tagen mal ein Lüftchen durch die kleinen Räume weht, sondern weil es auch zeigt: Hey, ihr seid willkommen, kommt herein. Wer das dann tut, sieht am ersten Schreibtisch gleich links neben der Tür Anas Cherqaoui vom Netzwerk Ankommen sitzen.

Ankommen – der Name sagt schon viel. Das Netzwerk für Geflüchtete ist eine frei entstandene Bürgerinitiative unter dem Dach der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, eines eingetragenen Vereins, der bereits seit 1997 existiert. Ankommen selbst entstand 2014 und befindet sich seither in den Ursprungsräumen von Pro Ehrenamt in der Nauwieserstraße. Es kümmert sich vor allem um Geflüchtete, die hier ihren neuen Alltag meistern müssen, eben damit sie wirklich ankommen – auch im Kopf und im Gemüt.

Seit rund zwei Monaten sitzt ein neuer Mann an der Spitze: Sebastian Schwalbach hat die Leitung übernommen. Er selbst stammt aus dem Saarland und lebte zwischenzeitlich sechs Jahre lang in Norwegen, wo er in Bergen ein Flüchtlingsheim geleitet hat: „Mich hat die Herausforderung dieser Stelle sehr gereizt.“ Zusammen mit anderen beim Netzwerk angestellten Personen bildet er ein kleines Team, zu dem noch Guri-Grit Liebezeit, Emina Isgören, Osama Alhaj Kassar, Layla Emmerich und Anas Cherqaoui gehören – oft das erste Gesicht, das Geflüchtete sehen, die durch die von Montag bis Freitag offenstehende Tür schreiten. Ihm erzählen sie dann von ihrem Problem. Cherqaoui kann vielleicht schon selbst helfen, oder er leitet  den Besuch weiter.

Neben dem festen Team gibt es noch viel mehr Mitarbeiter. Rund 150 Ehrenamtliche helfen dort, wo der Schuh drückt. Sie begleiten Geflüchtete, die nur wenig oder kein Deutsch können, bei Behördengängen, zum Arzt, in den Kindergarten und überall hin, wo sie Hilfe brauchen. Sie lernen mit ihnen, machen mit ihnen zusammen Sport oder helfen bei der Jobsuche. Ehrenamtliche sind es, die das Begegnungscafé Biblio in der Saarbrücker Stadtbibliothek organisieren (nächstes Treffen am 5. August um 17 Uhr), bei dem Menschen mit und ohne Migrationshintergrund sich kennenlernen können – ein großes Bedürfnis unter den Geflüchteten. Und wiederum andere füllen den regelmäßigen Lauftreff von Ankommen mit Leben. Die Ehrenamtlichen sind unersetzlich, gäbe es sie nicht, gäbe es auch kein Netzwerk, das sich um die Probleme seiner Schützlinge, auch Migranten, die nicht geflüchtet sind, sorgt.

Und diese Probleme sind mannigfaltig, manchmal sind sie riesengroß. „Wenn man anfängt zu graben, merkt man erst, wie tief der Fall geht“, sagt Layla Emmerich. Sie leitet eines der drei großen Projekte des Netzwerkes mit dem Titel „Mimi – Gesundheitsinitiative im Saarland, von Migranten für Migranten“. Es ist ein bundesweites Projekt, Ankommen ist im Dezember 2018 auf den Zug aufgesprungen. Die Initiative verfolgt das Ziel, gesunde Lebensweisen von Menschen mit Migrationshintergrund zu fördern und die Vorbeugung von Krankheiten zu stärken. Emmerich hat inzwischen schon eine Schulung organisiert, an der 50 Migranten teilnahmen und heute selbst darin aktiv sind, indem sie zum Beispiel Leuten helfen, die nicht wissen, dass man in Deutschland im Ernstfall einen Krankenwagen rufen kann.

Gesundheit ist auch das Kernthema des zweiten großen Projekts des Netzwerkes: „Integration Gesundheit“. Projektleiterin ist Guri-Grit Liebezeit. Durch eine bessere Teilhabe am Gesundheitssystem soll die Integration in die Gesellschaft besser gelingen. Spezielles Beispiel: Zusammen mit einer Kita in Saarbrücken haben Liebezeit und Co. Plakate und Handzettel gestaltet, die auch Eltern, die kein Deutsch können, anhand von Bildern schnell erkennen lassen, an was ihr Kind unter Umständen erkrankt ist und was sie tun müssen.

Drittes Großprojekt ist „Streitschlichtung – ein Weg zur Integration“: Emine Isgören und Osama Alhaj Kasser vermitteln, wo es geht. Vieles sind Nachbarschaftsärgernisse, die Gewohnheiten in den unterschiedlichen Kulturen verursachen, manchmal aber auch Streitigkeiten von Geflüchteten mit Ämtern.

Oft gehen die Probleme auch weit darüber hinaus. Die Mutter ist auf der Flucht gestorben, der Vater ist mit dem Kind allein in Saarbrücken und wird von einem Auto angefahren. Seitdem spricht das Kind nicht mehr, es muss psychologisch versorgt werden. Ankommen vermittelt und hilft weiter. „Waren die Probleme am Anfang meistens Notfallhilfe, keine Wohnung, keine Kleidung, geht es inzwischen eher in Richtung Integrationsarbeit“, sagt Sebastian Schwalbach, der neue Leiter: „Heute kommen vielleicht weniger Leute als am Anfang, fünf bis zehn pro Tag, dafür sind die Probleme aber anspruchsvoller.“

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