„Kunstradfahren ist schon was Außergewöhnliches“

Altenkessel · Vor Kurzem fanden in Altenkessel die Jugend-Saarlandmeisterschaften der Kunstradfahrer statt. Annika Wagner und Verena Weyland gewannen zwar keinen Titel, konnten sich aber über zwei Medaillen freuen.

 Verena Weyland (vorne) und Annika Wagner zeigen ihre Radfahrkünste. Foto: Rolf Ruppenthal

Verena Weyland (vorne) und Annika Wagner zeigen ihre Radfahrkünste. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

Aufregung ist was für Weicheier. "Da muss man halt durch", sagt Annika Wagner wenige Sekunden vor ihrem großen Auftritt bei den Saarlandmeisterschaften der Kunstradfahrer. Die 14-Jährige wischt die Hände am Hosenbein trocken, umgreift den Lenker ihres Spezialrades. Sie wirft Partnerin Verena Weyland einen kurzen Blick zu. Das Startsignal ertönt.

Zuschauer klatschen nicht

Die beiden Mädchen schieben ihre Drahtesel vor die Jury, verbeugen sich und radeln los. Sie treten in die Pedale und nehmen Schwung für das erste Kunststück - einen Sattel-Lenkerstand. Zeitgleich setzen die Sportlerinnen den linken Fuß auf den Sattel, den rechten auf die Lenkstange und strecken die Arme in die Luft. Die Zuschauer klatschen nicht. Niemand will die Athletinnen in ihrer Konzentration stören. Zu hören ist nur Musik. Eine langsame Version des Bon-Jovi-Klassikers "It's my life" tönt aus den Boxen. Fünf Minuten haben Verena und Annika Zeit, die vier Jury-Mitglieder zu überzeugen. Sie dürfen maximal 30 Übungen zeigen. Auf dem Lenker sitzen, Sattelstand oder "Reitsitzsteiger", bei dem der Sportler nur auf dem Hinterrad fährt - über 300 Figuren gibt es.

Die beiden Sportlerinnen des TV Auersmacher haben sich heute viel vorgenommen. Bei den Jugend-Landesmeisterschaften in Altenkessel wollen sie auf dem Treppchen ganz nach oben. Und es sieht gut aus. Die erste Hälfte ihrer Kür meistern die Mädchen ohne größere Probleme. Nach 150 Sekunden schiebt Annika ihr Gefährt zur Seite. Im zweiten Teil müssen die Sportlerinnen gemeinsam auf einem Rad fahren. Vorsichtig setzt sich Verena auf den Lenker. Annika stellt sich mit beiden Füßen auf den Sattel. Nur noch ein paar Runden. Jetzt bloß nicht wackeln oder den Boden berühren. Das gibt Fehlerpunkte. Die Musik verstummt. Die Mädchen schwingen sich elegant vom Rad, verbeugen sich und verlassen mit einem breiten Grinsen im Gesicht die Fahrfläche. "Wir sind echt zufrieden", berichtet Verena, und Annika ergänzt: "Das war gerade unsere persönliche Bestleistung."

Vor sechs Jahren haben die beiden Schülerinnen mit dem Kunstradfahren begonnen. Mittlerweile trainieren sie dreimal pro Woche und nehmen regelmäßig an Turnieren teil. "Kunstradfahren ist schon was Außergewöhnliches", sagt Verena. Nur wenige Menschen würden diesen Sport betreiben. Und gerade deshalb mag die 14-Jährige ihr Hobby besonders gerne.

Im Saarland gibt es insgesamt vier Vereine. Kunstradfahren sei eine Randsportart, sagt Katharina Stoll. Sie ist Trainerin beim RVW Altenkessel , der die Jugend-Landesverbandsmeisterschaft ausrichtet. "Es ist immer schwierig, genügend Starter zusammenzubekommen", erzählt sie. Dieses Jahr hätten sich für die Zweier-Disziplin nur zwei Teams angemeldet. Im Einer seien es neun Sportler - acht Mädchen und ein Junge. "Um die Halle zu füllen, tragen wir vor der Landesverbandsmeisterschaft immer noch das sogenannte Schülermeeting aus. Ein Wettbewerb für Anfänger sozusagen", erklärt Stoll weiter.

2500 Euro kostet ein Rad

Verena und Annika haben sich inzwischen mit ihrer Trainerin zur Beratung zurückgezogen. Sie gibt ihnen noch ein paar letzte Tipps. Nach der erfolgreichen Kür in der Zweier-Disziplin steht nun das Einer-Kunstradfahren an. "Es ist nicht wichtig, ob meine Gegner gut oder schlecht sind. Wichtig ist, dass ich heute gut sein werde", sagt Verena. Doch sie hat Pech. Beim Versuch, sich auf den Sattel zu knien, stürzt sie. "Das kommt vor", erklärt sie nach ihrem Auftritt enttäuscht und stellt das 2500 Euro teure Sportgerät in die Ecke. Das Spezialrad hat extra dünne Reifen, die mehr Druck aushalten. Die Pedale drehen sich immer mit, und Rückwärtsfahren ist möglich.

Annika ist nun an der Reihe. Auch ihr Programm läuft nicht wie geplant. Selbst die Standard-Übungen gelingen nicht. Dreimal berühren ihre Füße während der Kür den Boden. Wütend verlässt sie die Fahrfläche. Während die Schülerin mit den Tränen kämpft, tritt ihre Vereinskollegin Johanna Schwöbel vor die Jury. Sie hat die schwierigste Kür angekündigt und überzeugt. Schwöbel legt einen fast perfekten Tanz auf dem Rad hin, erreicht die höchste Punktzahl des Wettkampfes und qualifiziert sich für das Halbfinale der Deutschen Meisterschaften in Lemgo. Verena hat es trotz Patzer auf Platz zwei geschafft. Annika auf Rang drei.

Zum Thema:

Auf einen BlickErgebnisse, Landesmeisterschaften Kunstradfahren :2er Juniorinnen: 1. Annika Wagner, Verena Weyland (TV Auersmacher); 2. Lena Bertel, Selma Malter (RVT Orscholz); 1er Junioren: 1. Jan Rein (RVW Altenkessel ); 1er Juniorinnen: 1. Johanna Schwöbel (TV Auersmacher); 2. Verena Weyland (TV Auersmacher); 3. Annika Wagner (TV Auersmacher); 4. Marie Schneider (RVT Orscholz); 5. Tarja Klepper (RVS Eppelborn); 6. Lisa-Marie Bettinger (RVS Eppelborn); 7. Lena Bertel (RVT Orscholz); 8. Selma Malter (RVT Orscholz).Johanna Schwöbel und Jan Rein qualifizierten sich für das DM-Halbfinale der Junioren am 2. April in Lemgo. sara

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