Projekt für Kinder Die Tüftler aus der Moltkestraße

Alt-Saarbrücken · Ein Fahrrad-Projekt soll Kinder aus dem Viertel handwerklich geschickter und selbstständiger machen.

 Mario (links) macht mit Hilfe des Fahrradtechnikers Cedrik Görgen sein gespendetes Fahrrad verkehrssicher.

Mario (links) macht mit Hilfe des Fahrradtechnikers Cedrik Görgen sein gespendetes Fahrrad verkehrssicher.

Foto: Foto © Rich Serra - www.rich-se/Rich Serra

Die Ladentür öffnet sich einen Spalt. Neugierig streckt Mario seinen Kopf in die Fahrrad-Werkstatt. Dort reihen sich Fahrräder unterschiedlichster Größe und Farbe aneinander. Ein großes Graffito schmückt eine der hohen Wände. Inmitten der Räder stehen drei Stühle an einem alten abgenutzten Tisch.

"Wir haben geöffnet, komm rein", ruft Thomas Hippchen vom Stadtteilbüro Alt-Saarbrücken. Mario tritt ein, mustert die Räder und setzt sich auf den Sattel eines grünen Kinderrads. "Das gehört jetzt mir", sagt er.

Mario ist eines von vielen Kindern aus der Moltkestraße. Mit dem Projekt "Jedem Kind sein Fahrrad", das vor zwei Jahren startete, will das Stadtteilbüro Kindern aus überwiegend armen Familien eine Perspektive geben. Ein eigenes Fahrrad soll sie mobiler machen. Ihnen die Möglichkeit geben, den Stadtteil zu verlassen, mal etwas anderes zu sehen, andere Wege zu erkunden.

Jedes Kind, das einen Fahrradführerschein besitzt, darf sich ein Fahrrad aussuchen, daran schrauben und werkeln. Doch vorher müssen die Kinder und ihre Eltern einen Nutzungsvertrag unterschreiben. Damit verpflichten sie sich, mit dem Rad sorgsam umzugehen, einen Helm zu tragen und die Regeln des Straßenverkehrs zu beachten. Die Nutzung ist zeitlich begrenzt.

Muss ein Fahrrad repariert werden, erhalten die Kinder Hilfe von Cedrik Görgen. Jeden Dienstag und Freitag arbeitet der gelernte Metallbauer in der Werkstatt, die an den beiden Tagen von 15 bis 18 Uhr geöffnet ist. Er kennt sich mit Rädern aus, berät, schaut zu und langt auch mal mit an. Neben seinem Job in der Werkstatt studiert Görgen Sozialpädagogik. Der perfekte Mitarbeiter also, findet Hippchen. Denn in der Moltkestraße ist nicht nur handwerkliches Geschick, sondern auch ein offenes Ohr für die Probleme der Kinder und Jugendlichen gefragt. Görgen ist hier nicht nur Fahrradmechaniker, sondern auch eine Bezugsperson. Oft die einzige, die die kleinen Bastler haben.

Mario will sein Fahrrad überprüfen lassen. Mit Hilfe von Görgen bockt er es auf, testet den Luftdruck in den Reifen, die Bremsen, die Beleuchtung. Mario bedient die Klingel. Funktioniert. Die Inspektion ist abgeschlossen. Jetzt fehlt nur noch der richtige Helm. "Der muss richtig fest sitzen", erklärt Görgen dem Jungen. Und immer wieder neu eingestellt werden, betont er. Mario probiert einen der Helme an. Passt. "Nach einem Sturz auf den Kopf, muss unbedingt ein neuer her", sagt Görgen. Auch wenn der Kopfschutz unbeschadet aussehe. Doch nicht jede Familie kann sich einen Helm leisten. Deshalb bietet die Fahrrad-Werkstatt welche für 15 Euro an, im Geschäft werden bis zu über hundert Euro verlangt.

Erneut geht die Tür auf. Energischer als beim ersten Mal. Eine große Kindergruppe spaziert in den Laden. Sie kommen vom Kinderhaus gegenüber der Werkstatt. Träger ist auch dort das Stadtteilbüro. Die Gruppe wird begleitet von der Sozialpädagogin Kristina Diegler. Die Kinder stürzen sich auf die Räder. "Um die coolsten Räder wird manchmal auch gestritten", sagt sie und lacht.

Zum Sortiment gehören neben Kinderrädern auch Räder für Erwachsene. Und Laufräder für die Kleinsten. "So entsteht auch Kontakt zu den Eltern, das ist uns sehr wichtig", sagt Diegler.

Um das Fahrrad zu etablieren, bietet die Werkstatt gemeinsam mit dem Kinderhaus auch Fahrradtouren an. Beispielsweise zu einem nahegelegenen Reiterhof. Geschicklichkeits- und Sicherheitstrainings stehen ebenfalls auf dem Programm. "Wir fahren mit den Kids auch ihre Schulwege ab, damit sie zumindest im Sommer zur Schule radeln können", berichtet Diegler.

Die Fahrrad-Werkstatt finanziert sich allein durch Geldspenden. Zu den Sponsoren zählen Privatleute, Stiftungen und regionale Unternehmen. Um an gebrauchte Räder zu kommen, kooperiert das Stadtteilbüro mit dem Saarbrücker Fundbüro, dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) und mehreren Fahrradläden, die bei ihren Kunden für das Projekt werben. "Wichtig ist, dass die Räder in einem einigermaßen guten Zustand sind", sagt Hippchen. Und je mehr fahrtüchtige Räder gespendet würden, desto mehr glückliche Kinder gebe es in der Moltkestraße.

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