Blinder ärgert sich über Stadtplaner

Alt-Saarbrücken · 14 Monate dauerte der Umbau der Eisenbahnstraße. 2,8 Millionen Euro hat er gekostet. Und doch hat ein Blinder das Gefühl, dass die Stadt ihn und seine Schicksalsgenossen vergessen hat. Er fühlt sich dort auf einem gefährlichen Hindernislauf. Die Stadt hat erste Tipps bereits beherzigt.

 Dieser Auffindestreifen ärgert Oswald Kannengießer besonders. Er sagt, Blinde könnten gegen das Schaufenster laufen. Dass die Stadt hier alles richtig gemacht haben will, versteht er nicht.

Dieser Auffindestreifen ärgert Oswald Kannengießer besonders. Er sagt, Blinde könnten gegen das Schaufenster laufen. Dass die Stadt hier alles richtig gemacht haben will, versteht er nicht.

 Für mühsam und gefährlich hält Kannengießer den Weg über die Fahrbahn. Leitstreifen zu den Querungshilfen sind allerdings in den Vorschriften ausdrücklich nicht vorgesehen. Fotos: Frank kohler

Für mühsam und gefährlich hält Kannengießer den Weg über die Fahrbahn. Leitstreifen zu den Querungshilfen sind allerdings in den Vorschriften ausdrücklich nicht vorgesehen. Fotos: Frank kohler

Vorsichtig kämpft Oswald Kannengießer sich an seinen Krücken voran. Von schweren Krankheiten heimgesucht, fällt dem 54-Jährigen jeder Meter schwer. Auf einem Auge sieht er nichts mehr, auf dem anderen nur Umrisse. Doch über den Umbau der Eisenbahnstraße hat der Blinde sich so geärgert, dass er den für ihn beschwerlichen Weg nach Alt-Saarbrücken auf sich nahm.

Dort macht er seinem Ärger Luft. "Da hat die Stadt hier Millionen für den Umbau ausgegeben. Aber uns Blinde hat sie vergessen. Allein das fehlerhafte Blindenleitsystem dürfte 20 000 Euro gekostet haben." Dann geht er wütend los. "Hören Sie was?", fragt er und deutet auf den vom Verkehr übertönten Signalgeber an der Ampel. Ihn brauchen Blinde, um sicher über die Fahrbahn zu gelangen.

Nur ein paar Meter weiter: ein Noppenstreifen, der unter einem Schaufenster endet. "Wer hat sich das ausgedacht? Das Ding dürfte nicht unterm Fenster enden, sondern müsste nach rechts und links abzweigen, um den weiteren Weg zu signalisieren", sagt er.

Drei, vier Schritte weiter ahnt Kannengießer ein stählernes Hindernis mehr, als er es mit den Resten seines Augenlichtes erkennen kann. "Wer stellt einen Poller auf den Leitstreifen, auf den wir Blinde uns verlassen müssen?" Zum Schluss geht er zu einer der Fußgängerinseln. "Hier fehlt etwas, um Blinden den Weg zur Querungshilfe zu zeigen", sagt er.

"Wir nehmen Herrn Kannengießers Hinweise ernst und prüfen sie", sagt Stadtpressesprecher Thomas Blug. Er konnte die von Kannengießer genannten 20 000 Euro für das Leitsystem nicht bestätigen. "Es ist Teil der Gesamtmaßnahme, die Kosten lassen sich nicht im Einzelnen beziffern." Erste Ergebnisse hatten Kannengießers Anregungen schon. So war der akustische Signalgeber an der Kreuzung Eisenbahnstraße/Stengelstraße zu leise. "Die Lautstärke des akustischen Signalgebers wird korrigiert." Der Poller auf dem Leitstreifen nahe der Fußgängerampel wird womöglich noch entfernt. Doch die Stadt teilt Kannengießers Kritik nicht durchweg. Den bemängelten Streifen am Schaufenster hält die Stadt nicht für eine Fehlkonstruktion. "Hier handelt es sich um Auffindestreifen mit Noppensteinen." Sie sollen - im Zusammenspiel mit dem Piepser - Blinde zur Fußgängerampel leiten. Ähnliche, ausdrücklich normgerechte Beispiele für Noppensteine, finden sich tatsächlich beim Blick ins Internet. Dann kommt Blug zu Kannengießers letztem Beispiel, den Fußgängerquerungshilfen. Die aber sind, den DIN-Vorschriften zufolge, nur eine "ungesicherte Querungsmöglichkeit". Daher gebe es keine Streifen, die Blinde dorthin führen.

Für einen vernünftigen Umbau der Eisenbahnstraße hat Blug zufolge ein Fachmann gesorgt, der den Behindertenbeirat bei städtischen Bauvorhaben berät.

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